Читать книгу Faithless Love - Jana Reeds - Страница 9
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Carmen
Ich kochte noch immer vor Wut, als ich durch die Straßen der Stadt zurück zur Wache fuhr. Am liebsten hätte ich die Abzweigung zur Autobahn genommen und das Gaspedal meines Schätzchens bis zum Anschlag durchgetreten, um mich ein wenig abzureagieren. Ich liebte es, das gleichmäßige Schnurren des Motors zu hören, die Vibration zu spüren und den Wind durch meine langen Haare wehen zu lassen, während die Umgebung an mir vorbeizog. Ich liebte die Geschwindigkeit, und gerade wenn ich aufgewühlt war, half es mir, mich zu erden. Leider hatte ich keine Zeit für eine Spritztour mit meinem Cabrio, denn im Büro wartete ein Schreibtisch voller Akten auf mich und auch die Vernehmung eben musste zu Papier gebracht werden. Seufzend versuchte ich, langsam und bewusst zu atmen, wie ich es für meinen Sport gelernt hatte. Tief ließ ich die Luft in meine Lungen strömen und lenkte meinen Fokus auf einen anderen Punkt. Bloß nicht an diesen Juan Alvarez denken, ansonsten würde ich explodieren.
Ich schaffte es tatsächlich, mich zu beruhigen. Allerdings nur so lange, bis ich das Büro betrat und Paco mich mit einem breiten Grinsen empfing.
„Hey, Carmencita, wie war es im Krankenhaus? Hat Señor Alvarez dir neue Erkenntnisse gebracht?“
Sofort kehrten meine Gedanken zu unserem Gespräch zurück – was zur Folge hatte, dass mein Blut innerhalb von Sekunden erneut kochte.
„Nichts hat er! Angeblich kann er sich an keinerlei Details des Überfalls mehr erinnern. Abgesehen von den Dingen, die wir eh schon wissen. Und an meine Ohrfeige konnte er sich auch noch sehr gut erinnern! So ein Idiot!“
Ich ging zu meinem Schreibtisch hinüber, holte meine Notizen und mein Handy aus meiner Tasche und legte sie dann zurück in die Schublade. Als ich mich aufrichtete, stand Paco vor mir, den Kopf schief gelegt, und schaute mich fragend an.
„Okay, raus mit der Sprache. Worüber regst du dich so auf?“
„Ich rege mich nicht …“ Ich merkte selbst, wie ich meine Stimme erhob und verstummte.
„Ah, Carmen, du bist zurück. Ich hoffe, du hattest mehr Erfolg als Paco? Die Piratenschweine schweigen, als hätte man ihnen die Lippen zugenäht. Was hast du im Krankenhaus rausbekommen?“
„Nichts“, antwortete ich und ließ mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen.
„Ein ziemlich großes und böses ‚Nichts‘, wie es aussieht“, fügte Paco grinsend hinzu. Am liebsten würde ich meine Faust in genau dieses Grinsen krachen lassen. Ich war normalerweise kein aggressiver Mensch, doch heute regte ich mich dermaßen auf, dass ich mich selbst kaum wiedererkannte. „Halt die Fresse, Paco! Icállate!“
Mit zwei Fingern drehte er einen imaginären Schlüssel an seinen Lippen herum und warf ihn über die Schulter. Dann kehrte er an seinen Platz zurück.
„Willst du darüber reden?“, fragte Carlos ungerührt.
„Es gibt nichts zu reden! Der Typ ist ja wohl so ein Idiot! Hijo de puta! Sollte er noch mal angeschossen im Meer herumtreiben, erinnere mich daran, dass ich ihn ersaufen lasse. Die Fische hätten sicher ihren Spaß mit ihm.“
Wortlos ließ Carlos sich auf die Kante meines Schreibtisches nieder und schaute mich an. Es dauerte nicht lange und ich wand mich unter seinem eindringlichen Blick.
„Was hat er gemacht, dass du dich so über ihn aufregst?“, fragte er irgendwann leise.
„Was er gemacht hat? Boah …“ Ich warf die Hände hoch und schüttelte gleichzeitig fassungslos den Kopf. „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Dieses ganze Gespräch hätte ich mir echt sparen können. Angeblich kann er sich an nichts weiter erinnern, als wir schon wissen. Statt uns irgendwie weiterzubringen, hat er die ganze Zeit versucht, mich anzugraben. Auf so eine ekelhafte Art und Weise! Er hat doch nicht ernsthaft erwartet, dass ich zu ihm ins Bett schlüpfe, nur weil er seine Decke lupft und mich charmant anlächelt. Keine Frage, der Typ ist hot as hell, aber … Echt jetzt, so heiß kann kein Mann sein, dass eine Frau so was machen würde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mit dieser Masche jemals Erfolg hatte. Das war eine Beleidigung für jede halbwegs intelligente Frau. Und er hat nicht lockergelassen. Hat es immer wieder versucht, dieser … dieser … dieser Clown! Payaso!“
„Ach komm, da stehst du doch drüber! Das ist ja nicht das erste Mal, dass ein Typ dich anmacht. Ich meine, daran solltest du mittlerweile gewöhnt sein. Zumindest regst du dich sonst nicht so darüber auf, du gehst ja nicht mal auf solche tollpatschigen Flirtversuche ein.“
„Tollpatschige Flirtversuche? Wenn es mal das wäre! Der Typ ist so dermaßen überzeugt von sich – es wundert mich, dass er mit seinem Ego überhaupt in einen geschlossenen Raum passt.“
Carlos lachte auf. „Und trotzdem findest du ihn heiß …“
Ich glaubte, mich verhört zu haben. Wie kam er denn auf das schmale Brett? „Was? Ich finde ihn nicht …“
Carlos unterbrach mich. „Das klang eben noch ganz anders. Hot as hell – oder wie hast du es genannt?“
Ich öffnete den Mund, um zu protestieren, aber schloss ihn gleich wieder. Das hatte ich im Leben nicht gesagt – oder etwa doch? War es mir im Eifer des Gefechts tatsächlich herausgerutscht? Was hatte ich mir dabei nur gedacht? Ach ja, richtig – ich hatte gar nicht mehr gedacht, sondern mich unbeherrscht über unseren Zeugen ausgelassen. Vor meinem Chef! Auch wenn Carlos und ich ein freundschaftliches Verhältnis pflegten, bei der Arbeit war er noch immer mein Vorgesetzter und mein Verhalten absolut unprofessionell. Obwohl die Worte der Wahrheit entsprachen. Dieser Juan war definitiv heiß! Unter anderen Umständen wäre er auf jeden Fall ein Kandidat gewesen, bei dem ich mir vorstellen könnte, mit ihm ein bisschen Spaß zu haben.
„Okay, sorry, du hast recht. Ich sollte mich nicht so aufregen. Ich bin nur echt frustriert, weil dieser Besuch im Krankenhaus uns kein Stück weitergebracht hat.“ Seufzend ließ ich mich gegen die Rückenlehne meines Stuhls sinken und schaute, ruhiger mittlerweile, zu Carlos auf. Der nickte verständnisvoll.
„Ja, ich weiß, wie du dich fühlst. Aber wer weiß – vielleicht war da gar nicht mehr als das, was wir bereits wissen. Vielleicht stimmt die Geschichte so, wie sie uns von den Mitgliedern der Crew erzählt wurde. Wir sollten den Fall zu Ende bringen. Die Piraten sitzen ein und ihnen wird der Prozess gemacht. Wenn sie nicht reden wollen, sollen sie es lassen. Wir haben genug Beweise, um sie einzubuchten.“
Ich nickte schweigend. Natürlich stimmte es, was er sagte. Dennoch hatte mich dieser Besuch im Krankenhaus auch in einem anderen Punkt nicht weitergebracht. Ich hatte es auf diese Konfrontation angelegt, um endlich den benötigten Abstand zu dem Fall – und zu Juans Rettung – zu bekommen. Und dieser Schuss war ganz klar nach hinten losgegangen.
Nun fiel mir nur noch eins ein, um mich abzulenken und hoffentlich wieder ohne Albträume schlafen zu können: Ich musste mich in irgendeiner Form richtig auspowern. Und ich wusste auch schon genau wie. Zum Glück hatte ich die nächsten beiden Tage frei, das kam meinem Vorhaben absolut zugute.
Wieder ein wenig zuversichtlicher widmete ich mich dem Bericht und den Akten auf meinem Schreibtisch. Als der Feierabend nahte, freute ich mich darauf, meinen Plan in die Tat umzusetzen.