Читать книгу Faithless Love - Jana Reeds - Страница 11

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Carmen

„Cerveza?“, fragte Toni, als ich auf den Barhocker rutschte und meine Lederjacke auszog.

Ich schüttelte den Kopf und strich mir die langen Haare hinter die Ohren. „Heute brauche ich was Stärkeres als Bier. Machst du mir einen Whisky?“

„Klar.“ Toni zuckte mit den Schultern, griff hinter sich nach der Flasche mit der goldgelben Flüssigkeit und schenkte mir gute zwei Fingerbreit ein. Dann schob er mir das Glas über den polierten dunklen Holztresen zu.

„Danke!“, sagte ich, hob den Drink kurz in seine Richtung und kippte den Inhalt in einem Zug hinunter. Es brannte ein wenig in der Kehle, bevor die Wärme sich in meiner Brust ausbreitete. Ja, das war es, was ich nach dem heutigen Tag gebraucht hatte. Das weiche rauchige Aroma des Whiskys lag mir noch auf der Zunge, als ich Toni mein Glas hinschob in der stummen Aufforderung, nachzuschenken. Verwundert zog er die Augenbrauen hoch und setzte die Flasche erneut an, während er fragte: „So schlimm?“

„Frag nicht.“ Ich war versucht, auch den zweiten Drink auf Ex zu trinken, doch ich riss mich zusammen. Diesmal nippte ich nur daran, ließ mir Zeit und genoss das samtige Gefühl auf der Zunge. Dann starrte ich auf das Glas, beobachtete den flackernden Kerzenschein, der sich im Goldgelb spiegelte, während ich den Tag Revue passieren ließ.

„Zwei Jetski-Fahrer haben sich überschätzt und sind zu weit raus. Sie scheinen den Wellen nicht gewachsen gewesen zu sein.“

„Scheiße … Warst du mit draußen?“ Mitfühlend legte Toni das Tuch weg, mit dem er gerade ein paar Weingläser poliert hatte, und lehnte sich mir gegenüber an den Tresen. Wir kannten uns seit unserer Jugend, waren gemeinsam auf dieselbe Schule gegangen und uns verband mehr als das einfache Gast-Barkeeper-Verhältnis. Er war ein Freund. Einer, der immer ein offenes Ohr und ein gutes Glas Whisky für mich hatte. Seine Bar war so etwas wie mein zweites Wohnzimmer, hier kehrte ich ein, wenn ich jemanden zum Reden brauchte, wenn ich leckere Tapas essen wollte oder einfach gemütlich ein Bier trinken.

„Ja … wir haben Stunden nach ihnen gesucht. Aber leider …“ Nun leerte ich mein Glas doch in einem Zug. Ohne weitere Aufforderung schenkte Toni mir nach. Ja, er kannte mich sehr genau – und er wusste, was ich an Tagen wie diesen brauchte.

„Ich hab im Radio davon gehört. Vater und Sohn, richtig?“

„Ja. Der Junge war erst vierzehn. So jung …“ Ich schüttelte den Kopf. Wenn Kinder im Spiel waren, fiel es mir schwer, den inneren Abstand zu finden. Eine Schwäche, die ich mir nicht leisten wollte. Genau deshalb war ich hier – um auf andere Gedanken zu kommen. Um nicht darüber nachzudenken, was für ein Gefühl es gewesen war, den leblosen Körper des Jungen aus dem Wasser zu ziehen. Um das verzweifelte Gesicht der Mutter zu vergessen, die auf einen Schlag ihren Mann und ihr einziges Kind verloren hatte. Um ihr Schluchzen und ihre Tränen aus meinem Kopf zu bekommen, bevor diese Gefühle die Mauern um mein eigenes Herz einrissen und meine Empathie mir die Arbeit noch mehr erschwerte. Ich musste stark bleiben. Ich durfte nicht darüber nachdenken, was in diesem Moment in ihr vorging, wo sie war, ob sie jemanden an ihrer Seite hatte.

Nein!

Ich rief mich selbst zur Ordnung und zurück in die Gegenwart.

„Hier … Du musst etwas essen.“ Ich war so in meinen Gedanken versunken gewesen, dass ich nicht mitbekommen hatte, wie Toni mir einen Teller mit Tapas zusammengestellt hatte, den er mir nun hinschob. Ich lächelte, als ich sah, dass er genau die Kleinigkeiten darauf gehäuft hatte, die ich am liebsten mochte. Datteln im Speckmantel, Manchego mit Feigensenf, Sardellen, Oliven, kleine Hackbällchen in würziger Tomatensoße und dazu ein großer Korb von Tonis selbst gebackenem Weißbrot. Ich könnte ihn dafür küssen, dass er jederzeit so genau wusste, was ich brauchte. Tatsächlich wäre er für mich der perfekte Mann – wenn er nicht einen entscheidenden Haken hätte. Er war seit vier Jahren glücklich vergeben und Vater einer zauberhaften kleinen Tochter. Elena war gerade drei geworden und mit ihren schwarzen Kulleraugen und den blonden Locken wickelte sie nicht nur ihren Vater um den Finger.

Während ich aß, machte Toni eine Runde durch das Lokal und nahm neue Bestellungen auf, brachte Getränke und Tapas an die verschiedenen Tische. Als er zurückkehrte, schob er mir ein weiteres Glas Whisky hin.

„Willst du mich etwa abfüllen?“, fragte ich lachend, denn diesmal hatte ich keinerlei Zeichen gemacht, mir nachzuschenken. „Wie gut, dass ich jetzt eine vernünftige Grundlage habe.“ Die ersten beiden Whiskys waren mir ein wenig in den Kopf gestiegen, auch wenn ich mich nun nach dem Essen wieder nüchtern fühlte.

„Der ist nicht von mir“, antwortete er achselzuckend und deutete mit dem Kopf auf jemanden rechts von mir.

„Ich war so frei“, sagte dieser Jemand, als ich mich zu ihm umwandte. Einen Moment lang musterte ich mein Gegenüber. Die etwas zu langen, von der Sonne gebleichten Haare, der Vollbart, die vielen Tattoos auf seiner Haut … Dann fiel der Groschen.

„Señor Alvarez, richtig? Wie ich sehe, sind Sie wieder genesen.“ Innerlich knirschte ich mit den Zähnen, als mir seine plumpen Annäherungsversuche im Krankenhaus einfielen.

„Hey, kein Grund, so formal zu sein, nennen Sie mich Juan“, erwiderte er. „Genesen ist übertrieben, zumindest konnte ich das Krankenhaus verlassen. Wird noch etwas dauern, bis ich wieder tauchen kann, aber mein wichtigstes Körperteil funktioniert einwandfrei.“ Er wackelte zweideutig mit den Augenbrauen und grinste mich breit an.

Geht das schon wieder los?

Dann hob er ein Whiskyglas und deutete auf meines, das unberührt vor mir stand.

„Ich finde, darauf sollten wir trinken!“, meinte er.

„Ich bin nicht sicher, ob das für die Damenwelt tatsächlich ein Grund zum Feiern ist.“ Die Worte rutschten mir, ohne nachzudenken, über die Lippen.

„Dann sollten wir es unbedingt herausfinden, Carmen.“

Mein Herz verfiel in einen rasenden Galopp, während sich mir gleichzeitig bei dieser Vorstellung die Kehle zuschnürte. War das echt ein trampeliger Versuch, mich ins Bett zu kriegen? Schnell kippte ich den Whisky in einem Zug hinunter, bevor ich reagierte.

„Nein, danke. So nötig kann ich es gar nicht haben, dass ich auf solche Sprüche abfahre.“

Juan griff sich übertrieben theatralisch an sein Herz. „Oh, wie kann eine so schöne Frau nur ein so kaltes Herz haben? Das trifft mich sehr!“

Ich musste mir ein Schmunzeln verkneifen, so langsam machte mir dieser Schlagabtausch doch beinahe Spaß.

„Hm …“ Ernst musterte ich ihn von oben bis unten. „Vielleicht mag es daran liegen, dass jemand, der aus jeder Pore quasi ‚Macho‘ ausstrahlt – sorry –, nicht der Typ Mann ist, auf den ich abfahre. Viel zu vorhersehbar! Ich brauche dann doch ein wenig mehr Herausforderung.“

„Herausforderung? Oh, das ist praktisch mein zweiter Vorname. Wenn es nur das ist …“

Ich rollte übertrieben mit den Augen. „Echt jetzt? Hier laufen so viele Frauen herum, warum hören wir nicht auf, unser beider Zeit zu verschwenden?“

„Vielleicht, weil ich keine andere Frau will?“

Lauthals prustete ich los. „Ja, genau! Wer’s glaubt … Das Einzige, das Interesse an mir hat, ist dein Ego – das kann es nämlich nicht ertragen, einen Korb zu bekommen.“

„Das ist nicht der erste Korb, den ich bekomme, aber früher oder später kriege ich jede Frau rum.“ Er grinste. „Im Grunde bin ich doch nur auf der Suche nach der wahren Liebe.“

„Richtig, und um die zu finden, muss man ja möglichst viele Vergleichsmöglichkeiten haben. Am besten Hunderte.“

„Nervt dich der Typ?“, mischte Toni sich ein und warf Juan einen warnenden Blick zu.

„Nein, ist schon okay. Señor Alvarez wollte gerade weiterziehen.“ Ich wandte mich noch einmal an Juan. „Dort hinten, die drei Frauen am Ecktisch, die scheinen eher das richtige Kaliber zu sein. Manchmal sollte man das Beuteschema ändern, um sein Ziel zu erreichen!“

Einen Moment lang musterte er mich ernst, schaute mir so tief in die Augen, als wollte er meine Gedanken lesen. Eine Gänsehaut zog sich über meinen Rücken, und ich musste den Drang unterdrücken, wie ein schüchterner Teenie zu Boden zu schauen. Was hatte er nur an sich, dass er mich derart triggerte?

„Alles klar, ich hab’s kapiert. Dann werde ich wohl mal diesen Rat befolgen und mir die Schönheiten dort hinten ein wenig näher anschauen. Einen schönen Abend noch!“

Er hob sein Whiskyglas wie zum Toast, seine Augen funkelten und seine Lippen umspielte ein süffisantes Lächeln, dann wandte er sich ab und ließ mich allein.

„Was war das denn für ein Spacken? Kennt ihr euch? Oder wollte der dich nur anbaggern?“

„Beides …“, murmelte ich gedankenverloren und zwang mich, ihm nicht hinterherzuschauen. Nicht zu beobachten, wie er die drei Frauen am Ecktisch ansprach und seine Nummer bei denen abzog, so wie er sie bei mir gerade abgezogen hatte.

„Machst du mir noch einen? Diesmal aber einen Doppelten.“ Ich schob Toni mein leeres Glas hin. Mit hochgezogenen Augenbrauen warf er mir einen besorgten Blick zu, dann schaute er nachdenklich über mich hinweg in die Richtung des Ecktisches, bevor er mir schweigend das Glas bis zum Rand füllte und hinschob.

Faithless Love

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