Читать книгу Blut zu Blut - Janaina Geismar - Страница 3

Kapitel 1

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Lichtstrahlen kämpften sich zwischen den Betonbauten hindurch. Der Himmel färbte sich orange und verblasste langsam, bis er gelblich wurde. Große Schatten wurden geworfen, die länger waren als die Gebäude selbst. Als würde etwas Böses in ihnen lauern, zogen die Schatten über die Stadt hinweg. Der Himmel wurde heller und die Sonne mühte sich höher und höher, um die Schatten zu verdrängen, wie jeden Morgen, doch von Tag zu Tag wurden die Schatten zäher und ließen sich nicht so einfach zu vertreiben.

Mehrere Augenpaare huschten durch die Schatten, zusammengepfercht wurden sie nervös.

Mehrere schwarze Federn flogen umher.

Ein ohrenbetäubender Lärm überdeckte den lieblichen Gesang eines jeden Singvogels, der den Tag begrüßen wollte. Die Schatten wurden kleiner und gaben nach.

Die Dunkelheit musste sich in kleine Gassen und Winkel zurückziehen. Die vielen Augenpaare besaßen kein Versteck mehr, doch sie waren zufrieden. Das, was sie monatelang suchten, hatten sie gefunden. Unzählige Schwingen hoben sich in die Luft und schwarze Vögel flogen krähend auf die Sonne zu, als wollten sie die Sonne beschuldigen, ihnen ihre Singstimme und die Farbenpracht ihres Gefieders geraubt zu haben.

Sie krähten, als würden sie dies nun zurückfordern, doch je heller es wurde, desto mehr grenzte sich ihr schwarzes Gefieder von der farbenprächtigen Umgebung ab.

Doch sie gaben nicht auf, bald würde jeder sie wegen ihres Gesangs und prächtigen Federkleids beneiden. Die schwarzen Vögel flogen auf Seite, unter ihnen zeigte sich nach und nach ein mittelgroßes Gebäude, es besaß keine besonderen Merkmale.

Es war ein schlichtes rechteckiges Haus, dessen verschmutzte und teilweise abgeblätterte Farbe leblos erschien wie die meisten Gebäude dieser Stadt.

Ein altes Schild hing an der Hauswand herunter und wurde nur teilweise beleuchtet.

Die Fenster des Gebäudes waren dunkel und geschlossen. Nur ein Fenster war geöffnet, doch die Sonnenstrahlen mussten zuerst ein Gitter durchdringen, bevor sie den Raum erhellen konnten. Der Wind wehte gegen das Gitter und brachte schwarze Federn mit, doch nur eine kleine Feder schaffte es in den Raum.

Sie flog auf eine junge Frau zu, die schlafend in einem Bett lag. Mehrere Kabel lugten unter der Bettdecke hervor und führten zu einem Gerät, auf dessen Display Zahlen und Linien aufleuchteten.

Die Feder flog an dem Gerät vorbei und legte sich auf die Stirn der schlafenden jungen Frau.

Sie öffnete die Augen, ihre weiten dunklen Pupillen zogen sich langsam zurück und passten sich an das Licht an. Ihre braune Iris gab sich zu erkennen, die Augenmuskeln arbeiteten wieder nach so langer Zeit. Die junge Frau fühlte ein Kribbeln auf der Stirn, sie versuchte die Hand zu heben, doch das Einzige, was sie zustande brachte, war ein Zucken der Fingerspitzen.

Das Kribbeln wurde unerträglich, plötzlich zitterte ihr rechter Arm und mit viel Mühe konnte sie ihre rechte Hand zur Stirn führen.

Ihre Fingerspitzen berührten etwas Weiches, mit ihrer ganzen Hand griff sie danach und ließ anschließend die Hand sinken. Ein vertrautes Gefühl durchströmte ihren Körper und ihre Kraft kehrte allmählich zurück. Die junge Frau richtete sich auf. Plötzlich hörte sie Schritte, die immer näher kamen, bis sie verstummten und sich die Tür knarrend öffnete.

Zwei Leute betraten den Raum, darunter war ein Mann, der eine weiße Hose und einen weißen Kittel trug. Die zweite Person war eine Frau, die ihre Haare nach oben gesteckt hatte und einen schwarzen Rock und einen weißen Kittel an hatte.

Beide Personen waren ihr fremd, alles war fremd, nur das, was sie in der rechten Hand festhielt, schien ihr vertraut.

Der Mann nahm sich einen Hocker und setzte sich zu der jungen Frau ans Bett. In seinem Händen hielt er ein Klemmbrett, sein Blick war auf die junge Frau gerichtet. In seinem Augen spiegelte sich kein Funken Wärme, nur pure Kälte lag in seinem Blick.

Die Frau, die neben ihm stand, musterte sie. Der Mann räusperte sich und schaute entschlossen. „Nun, und wie geht es dir heute?,“ fragte er. Die junge Frau starrte ihn an, ihre Lippen öffneten und schlossen sich unendlich langsam. Der Mann nickte und warf der Frau einen Blick zu, unverzüglich schrieb sie wieder etwas auf ihr Klemmbrett.

„Mein Name ist Doktor Grabowski und dies ist meine Assistentin Natalia Sorokin, du befindest dich in einem Krankenhaus“, sagte der Mann.

„Du lagst ein Jahr im Koma. Die Folgen können Gedächtnisschwund sein, Amnesie. Dein Name lautet Ryu Etoile. Wir werden alles tun, damit du wieder zu Kräften kommst. Frau Sorokin wird dir etwas zu essen bringen. Wenn du dich ein wenig erholt hast, reden wir weiter“, sagte Doktor Grabowski. Er stand auf und ging aus dem Zimmer. Frau Sorokin setzte sich nun auf den Hocker und lächelte.

Sie holte eine Spritze aus ihrer Kitteltasche und sagte: „Keine Angst, es wird nur ein wenig piksen." Ryu nickte kurz und schaute aus dem Fenster. Dann legte sich die Hand der Assistentin auf ihren Arm.

Anstatt ihrer Körperwärme fühlte sie diese künstlichen kalten Handschuhe und anschließend ein Stich. Wärme strömte in ihren Arm, ihre Lippen wurden trocken und ihre Augenlider immer schwerer, bis eine plötzlich aufkommende Müdigkeit sie in tiefen Schlaf sinken ließ.

Ryu wurde wach. Sie wollte allerdings nicht ihre Augen öffnen und diese Bequemlichkeit verlassen, in der sie sich befand. Es war warm, allerdings nicht zu warm, und sie fühlte sich so entspannt, dass es ihr große Mühe kostete , sich aus diesem Zustand zu befreien.

Sie öffnete ihre Augen, es herrschte Stille, draußen wurde es schon dunkel. Als sie auf dem Beistelltisch ein Tablett bemerkte, meldete sich ihr Magen mit lautem Knurren.

Sofort griff sie nach dem belegten Brot, biss hinein und spürte, wie nach und nach all ihre Sinne wieder zurückkehrten. Ihre Geschmacksnerven hatten etwas zu tun und ihre Sinne begannen zu begreifen, was rings um sie geschah. Trotz des Verlustes ihrer Erinnerungen erkannte sie das hohe Summen einer Mücke, ihr Körper reagierte darauf mit einer Gänsehaut.

Sie schaute aus dem Fenster und bemerkte, dass es schon stockfinster war. Damit nicht weitere blutrünstige Mücken eindringen konnten, versuchte sie aufzustehen, um das Fenster zu schließen.

Sie konnte sich aufrecht setzen und berührte langsam mit ihren nackten Füßen den eiskalten Boden. Die Kälte drang sofort durch ihre Zehen, so dass sie zusammenzuckte. Mit einem Ruck verlagerte sie ihr Gewicht auf beide Füße und erkannte schnell, dass es gar nicht so einfach war, das Gleichgewicht zu halten.

Das, was für jeden Menschen selbstverständlich ist, musste sie erst wieder lernen. Sie machte ein Schritt nach dem anderen, noch unbeholfen, sie schwankte und drohte zu stürzen, doch es gelang ihr, sich am Fenstergitter festzuhalten.

Eine kühle Brise wehte ihr ins Gesicht und plötzlich hatte sie das Gefühl, dass sie etwas sehr Wichtiges verloren hatte. Sie steckte ihren Arm durch das Gitter, als plötzlich etwas ihren Arm berührte. Sie schreckte zurück und fiel auf den Boden. Schwarze Gestalten huschten hin und her, sie hörte viele Flügelschläge, die sich schnell vom Fenster wegbewegten. Dann herrschte tiefe Stille.

Sie zog sich am Gitter wieder auf die Füße und schloss das Fenster. Als sie noch ein letztes Mal aus dem Fenster hinaus schaute, entdeckte sie auf dem Fensterbrett eine schwarze Feder.

Schwarze Federn kamen ihr bekannt vor, die Frage war nur, woher, doch damit wollte sie sich am nächsten Tag beschäftigen. Die Anstrengung hatte sie müde gemacht. Sie taumelte zum Bett zurück und fiel in tiefen Schlaf.

Blut zu Blut

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