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Kapitel 6

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Die Ratte im Bad traute sich hervor, sie huschte über den glatten Boden zurück in den Raum, in dem der Zweibeiner gewesen war.

Ein neuer Duft breitete sich aus, es näherten sich andere Zweibeiner. Sie witterte drei von ihnen. Einer war männlich und zwei waren weiblich. Das erkannte sie anhand des Testosterongehaltes der Duftwolken. Die weibliche Gestalt stand direkt hinter ihr, sie stieß spitze Schreie aus , ergriff einen langen Gegenstand und schlug nach ihr.

Die Ratte flüchtete zurück in dem Raum, in dem sie sich versteckt hatte, aber der kreischende Zweibeiner folgte ihr. Sie hörte, wie deren Artgenossen sich lautstark äußerten, aber sie wagten sich nicht ins Bad. Der weibliche Zweibeiner schien ihr Versteck nicht entdeckt zu haben und öffnete den Deckel, unter dem ihre Artgenossen noch eingeschlossen waren. Kaum hatte der weibliche Zweibeiner den Deckel hoch geklappt, sprangen, kugelten und purzelte ein nicht versiegen wollender Strom pelziger Leiber hervor. Ihre Überzahl war erdrückend, der weibliche Zweibeiner würde keine Chance haben. Sie sprangen auf sie und gruben ihre Zähne in ihr warmes Fleisch. Sie trat und schlug nach ihnen, aber das half nicht, ihr Schicksal war besiegelt. Die Zweibeinerin stürzte und machte es ihnen leicht, über sie herzufallen. In Sekundenschnelle war ihr ganzer Leib von ihnen bedeckt. Sogar ihre Schreie wurden erstickt. Dann hörte sie auch zu zappeln auf. Blutiges Muskelfleisch wurde Stück für Stück abtransportiert, Knochen wurden abgeschabt, nichts wurde verschwendet, alles wurde verschlungen. Der glatte Boden war mit warmem Blut getränkt.

Das alles war in Sekundenschnelle geschehen. Erst jetzt drangen die beiden anderen Zweibeiner ins Badezimmer. Als sie das abgenagte Gerippe und das Blutbad bemerkten, erstarrten sie vor Grauen. Nach dieser Schrecksekunde wollten sie flüchten, doch es war schon zu spät. Der zweite Zweibeiner rutschte auf dem glitschigen Fliesenboden aus und fiel der Länge nach hin. Aus allen Ecken sprangen die Ratten auf den Gestürzten und begannen sofort ihr blutiges Werk. Doch diesmal trafen sie auf heftigere Gegenwehr. Wild schlug der Gestürzte mit langen kräftigen Armen um sich, seine großen Hände zerquetschten ihre kleinen Leiber, seine großen Füße zertraten sie, doch ihren Platz nahmen sofort andere ihrer Artgenossen ein und gruben ihre spitzen Beißer durch seine Kleidung in sein Fleisch. Wer einen Fetzen aus seiner Kleidung heraus gerissen hatte, trug ihn beiseite, um damit später, wenn ihr Werk vollendet war, damit eines ihrer Nester auszupolstern. Auf den freien Fleck stürzte sich sofort eine andere Ratte, die nun freien Zugang zu dem hatte, was das Wichtigste war: neue frische Nahrung, die für das Opfer den Tod, für die Angreifer aber Leben bedeutete. Sie stritten sich um das saftige Muskelfleisch, doch es war genug für alle da.

Dem dritten Zweibeiner gelang die Flucht, seine Duftspur wurde vom Blutgeruch überdeckt. Die Kundschafterratte hatte ihr Mahl schon gehalten und lief zurück in den Raum, in dem sie das erste Opfer entdeckt hatte. Sie schnupperte und fand den Gegenstand, hinter dem sie her war. Sie kletterte an einem hölzernen Tischbein hoch und hüpfte auf die Platte. Darauf lag ein viereckiges kleines Teil, das aus einem Material bestand, das sie zuvor noch nie beschnuppert hatte. Nur einzelne Teile darauf rochen nach Metall, den einzigen Geruch, den sie zuordnen konnte.

Sie fand draußen mehrere Gegenstände, die nach diesem unnatürlichen Zeugs rochen. Wie ihre anderen Artgenossen glaubte sie, dass die Zweibeiner dieses Zeugs hergestellt hätten, von dem sie nur wussten, dass es nicht gut für Ratten war. Man konnte es nicht essen und wenn man es trotzdem probierte, bekam man fürchterliche Bauchschmerzen und krepierte wenig später. Sie nahm den Gegenstand in ihr Maul, sprang von der Platte hinunter und rannte schnell zu ihren Artgenossen. Sie sprangen wieder zurück in das weiße glatte Becken, das zuvor mit einem Deckel verschlossen gewesen war, und tauchten ab. Sie legten dieselbe Strecke zurück, die sie gekommen waren, bis sie schließlich wieder trockenen Boden unter ihren Pfoten fühlten.

Nun rannten sie auf ihren gewohnten Wegen und hatten nun eine lange Strecke vor sich, lang, mühsam und voller Gefahren.

Der Mann, den Ryu vor ihrem Fenster unter dem Baum gesehen hatte, stand nun im Raum, in dem die Ratten gewütet hatten. Er schaute sich um und bemerkte unzählige kleine rote Pfotenabdrücke, ein blutiges Muster, das die Bodenkacheln bedeckte. Sie schienen es gefunden zu haben. Er zählte die Leichen, es waren zwei, was bedeutete, dass einer entkommen war. Er biss sich auf die Lippe, den letzten musste er wohl selbst erledigen. Aber dafür war jetzt keine Zeit. Er ging in das angrenzende Zimmer, schaute auf Bett und den kleinen Nachttisch, am Gitter vor dem Fenster hatte sich eine Krähe festgeklammert und schlug ihren Schnabel gegen das Eisen. Neben dem Bett lag eine kleine schwarze Feder. Er hob sie auf und drückte seine Faust um sie so fest zusammen, dass sich die Fasern trennten.

Schnellen Schrittes durchquerte er die langen menschenleeren Flure des Krankenhauses und warf draußen im Freien die kaputte Feder böse lächelnd hinter sich.

Blut zu Blut

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