Читать книгу Lydia - die komplette Reihe - Janine Zachariae - Страница 8

5. Briefe

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Der Zug setzte sich in Bewegung. Sie wusste, dass Steve noch nicht weg war. Dann sah sie ihn ein letztes Mal. Er wirkte irgendwie verloren und sie beobachtete, wie er sich mit dem Handrücke über seine Augen wischte. Würde sie ihn je wiedersehen? Sie schaute auf die Uhr. Etwa acht Stunden fahrt lag vor ihr, davon brauchte sie nur dreimal umsteigen.

Stephen blieb solange, bis die Bahn nicht mehr zu sehen war, dann stieg er in seinen Wagen und schlug mit der Hand gegen das Lenkrad. »Verdammt, verdammt, verdammt!«, schrie er verzweifelt. Sie war doch seine beste Freundin gewesen. »Verzeih mir, Lydia, bitte.«

Das Mädchen stöpselte sich ihre Kopfhörer ins Ohr und lauschte, über ihren MP3 Player, der Musik zu.

Nach fünfzehn Minuten öffnete sie den Brief:

*

»Meine liebe Lydia,

es ist gerade kurz nach Mitternacht. Ich denke die ganze Zeit nur an dich und überlege, warum es so kommen musste. Es bricht mir das Herz, mit ansehen zu müssen, wie deines brach. Ich habe es förmlich gespürt, als du verwirrt in die Küche gerannt kamst.

Ich kann es gut nachvollziehen. Für dich brach in diesem Moment eine Welt zusammen. Ich wollte nicht, dass du je so verletzt wirst. Hatte versucht dich zu schützen. Michael trifft keine Schuld, dass Toms Familie herzog. Du solltest nicht mehr so einsam sein. Er wollte, dass du endlich mal jemanden hast, mit dem du befreundet sein kannst.

Jemand, der dich versteht. Mit dem du über deine musikalischen und literarischen Vorlieben diskutieren könntest, denn er wusste von Tomas Eltern, was gerne mochte und klang einfach alles ganz genau nach dir.

Jemand, der dir sehr ähnlich ist.

Du warst ja immer mit uns Jungs zusammen und hast dich einfach der Situation angepasst.

Es war ein guter Gedanke von Michael, dass er wollte,

dass du deinen leiblichen Bruder bei dir hast. Sam studiert bald.

Keiner hätte geglaubt, dass ihr euch so gut versteht.

Mach dir aber keine Vorwürfe. Du bist noch so jung und verliebt zu sein gehört einfach dazu. Doch ich weiß, dass du - geschockt von alledem - nichts mehr davon wissen willst.

Glaub mir, wenn ich sage, dass Sammy und ich keine Ahnung hatten, wer er wirklich ist. Das alles haben wir auch erst ... gestern erfahren.

Vielleicht werdet ihr ja eines Tages so gute Freunde, wie wir es sind.

Du bist meine beste Freundin und ich hoffe, wir werden weiter Kontakt haben. Wenn ich daran denke, ohne dich sein zu müssen, dann wäre alles trist und trostlos. Wenn wir uns aber schreiben und trotzdem Freunde bleiben, wäre ich glücklich. Solltest du es allerdings nicht können und du nichts mehr mit uns zu tun haben willst, versteh ich das.

Aber schreib mir wenigstens, dass du gut angekommen bist, oder ruf mich an.

Ich wünsche dir alles Gute dieser Welt. Vielleicht kannst du mir eines Tages verzeihen und du empfindest keine Wut mehr.

Wenn ich dich heute zum Bahnhof bringen muss - und ich bin mir sicher, dass du mich das fragen wirst - werde ich dich vielleicht zum letzten Mal sehen. Das alles geht mir sehr nahe.

Selbst jetzt frisst es mich fast auf. Ich möchte, dass du deine liebevolle Art behältst, das du nicht voller Kummer durchs Leben gehst. Denn so gefällst du mir nicht - dir steht kein trauriges Gesicht.

Auch wenn ich dich oft aufzog, aber du bist ein hübsches Mädchen. Nein, du bist eine schöne junge Frau geworden.

Mit Herz, Seele und voller Liebe,

Dein Steve.«

*

›Mit Herz, Seele und voller Liebe?‹

Lydia legte den Brief auf ihren Schoß und dachte an tausend Sachen. Ihr Kopf schwirrte und sie nahm sich erst mal den weiteren Inhalt des Briefes vor. ›Eine Kette?! Ui, die ist ja sehr schön‹, dachte sie erstaunt und entdeckte einen kleinen Zettel: »Ein Glücksbringer. Er soll dich immer an uns erinnern!«

Zudem befand sie ein Familienfoto mit Michael, Sam, Steve, Sascha und sie in diesem Umschlag. Es war erst letztes Weihnachten entstanden. ›Das waren noch Zeiten und dabei ist es noch nicht lange her.‹

Lydia spähte auf ihre Uhr. Noch drei Stunden, bis sie das erste Mal umsteigen musste. Sie saß im Nicht-Raucher-Bereich, der aber relativ leer war.

Sie überlegte, betrachte den Brief und kramte in ihrem Rucksack, holte einen Block und einen Kugelschreiber hervor.

*

»Steve, ich weiß ehrlich nicht, wie ich diesen Brief beginnen soll. Soll ich:

›Hallo‹ schreiben? ›Mein Lieber‹? Ich weiß es nicht. Also werde ich einfach so tun, als wären wir mitten in einem Gespräch.

Ich hab dir noch ein wenig nachsehen können, als der Zug sich in Bewegung setzte. Ich habe dich noch nie so traurig gesehen!

Hast du eigentlich jemals geweint? Ich erinnere mich nicht.

Gut, manchmal bist du geknickt oder etwas deprimiert, aber geweint hast du nie oder nur sehr, sehr selten. Immer wieder nehme ich mir deinen Brief zur Hand, um nichts zu vergessen und um vielleicht selbst Klarheit zu bekommen.

Das Tom mein Bruder ist, wusstest du scheinbar selbst nicht und auch Sam hatte keine Ahnung.

Aber du wusstest schon immer, dass ich nicht deine Schwester bin. Es hat einige Stunden gedauert, bis es klick machte. Tom fiel es plötzlich auf.«

Sie schrieb und schrieb. Ließ einfach den gestrigen Tag noch einmal Revue passieren und fügte hinzu:

»Wer hätte schon geahnt, dass wir Zwillinge sind. Ich meine, da zieht - rein zufällig, wie es aussieht - jemand in das Haus nebenan ein und du denkst dir: ›Ach, der sieht ja gut aus.‹ Aber natürlich war das nur ein Gedanke. Als er mich dann am Tag meiner Prüfung einholte und mit mir geredet hat, waren schon Funken zu sehen.

Anzunehmen, dass wir verwandt sind, anzunehmen, dass er mein Bruder ist, wäre absurd gewesen. Ich dachte ja nicht: ›Oh, ich guck ja gerade in einen Spiegel‹.

So etwas Absurdes überhaupt zu denken, ja gar in Erwägung zu ziehen, ist einfach lächerlich.

Wenn ich aber jetzt daran denke, wie ähnlich wir uns sind, ... es ist verrückt. Einfach nur lächerlich. Manchmal ist man geblendet von dem, was man sieht. Alles nur Schein.

Meine Gefühle haben in jenem Moment, als wir es erfuhren, so verrückt gespielt, dass ich Magenschmerzen bekam. Noch immer dreht sich alles.

Zeit, viel Zeit werde ich benötigen, um all das überhaupt zu verstehen und zu verarbeiten. Und ich hab absolut keine Ahnung, ob mein Brief überhaupt sinn ergibt. Denn ich kann keinen klaren Gedanken fassen.

Wenn ich an Thomas denke, muss ich lächeln. Mein

Zwillingsbruder! Er ist mir so ähnlich, so unglaublich ähnlich.

Wir beide lieben dieselbe Musik, haben eine Laktoseintoleranz, lieben Jane Austen Romane. Und während ich so darüber nachdenke, fällt mir etwas Lustiges auf: Thomas und Lydia sind beides Namen, die auch in den Romanen von Austen vorkommen. Du kennst mich, Steve. Ich versuche immer, etwas Positives zu finden.

Daher auch ein kleines Rätsel - nur für dich: Wenn du weißt, von welchen Charakteren ich rede, dann schreib mir. Vorher nicht. So viel Zeit muss sein. Wir brauchen alle Zeit, um uns wieder zu fangen und wieder das Leben zu führen, wie wir es kennen.

Aber du hast es ja gelernt, zu recherchieren und nach etwas zu suchen, was verborgen ist.

Ich gebe dir nur diesen Tipp: Beide bringen sowohl Leid als auch Glück mit. Wahrscheinlich haben Shannon und James nicht daran gedacht, aber unsere Namen kommen in den Romanen vor.

Mein lieber Steve, du warst immer mein bester Freund. Ich habe immer zu dir aufgeschaut. Ob ich es noch tue, weiß ich nicht. Du bist mein Vorbild, fünf Jahre älter und natürlich hast du das erreicht, was du dir erträumt hast.

Aber ob wir uns wieder sehen, ob wir uns jemals wieder in die Arme nehmen können, kann ich nicht sagen.

Wenn ich mit der Schule fertig bin, werde ich 18 Jahre alt sein.

Wenn ich dann irgendwas studiere - und ich gehe mal davon aus, dass ich das werde - wirst du vielleicht verheiratet sein und eine Familie gründen. Und wenn ich daran denke, mich je wieder zu verlieben, wird mir ganz komisch.

Nein, ich werde jetzt eine tolle Schülerin. Ich will euch nicht enttäuschen.

Aber ob ihr mich dann überhaupt noch als Mitglied der Familie anseht, bezweifle ich. Vielleicht ist es auch gut so, wenn wir uns nicht mehr als Bruder und Schwester betrachten.

Vielleicht sollten wir das auch nicht mehr. Ich möchte dich als meinen besten Freund in Erinnerung behalten. Wir werden uns weiterhin Briefe schreiben und uns - hoffentlich - alles sagen, was wir fühlen und denken. Doch hast du mein Vertrauen verloren. Ich hätte die Wahrheit von dir erfahren müssen und nicht auf diese Weise!!

Es braucht Zeit, bis wir wieder diese Freundschaft aufbauen, die wir bis Donnerstag hatten oder sogar noch am Samstagmorgen.

Ich werde den Brief gleich abschicken, wenn ich einen Briefkasten finde. Das bin ich dir schuldig. Hab tausend Dank für die wunderschöne Kette und auch für das Foto. Seltsam, dass alles so schnell vorbei sein kann, oder?

Ich werde diesen Brief direkt an deine Adresse schicken.

Richte den anderen aus, dass ich erst einmal Abstand brauche.

Sag ihnen schöne Grüße und das ich in Gedanken bei ihnen bin.

Steve, denke immer daran: Ich bin für dich da. Mit meinen fast 16 Jahren kann ich zwar nicht die Welt verändern, aber ich kann zuhören und bin eine leidenschaftliche Leserin - die gerne viel Post bekommt und viel lesen will - und oft reicht das schon.

Es wäre nett, wenn du dich etwas um Tom kümmern könntest.

Wenn du ihn ab und zu anrufst oder ihn mal besuchst. Tust du mir diesen Gefallen?

Mit Herz, Seele und voller Zuversicht - dass wir unsere

Freundschaft nicht verlieren,

Deine Lydia.«

*

Damit beendete sie den Brief an Steve. Wusste aber nicht, ob sie das Richtige schrieb, viel Zeit zum Nachdenken hatte sie nicht gehabt. Sie ließ einfach ihr Herz sprechen. Sie packte die beschriebenen Seiten in einen Umschlag, adressierte ihn und klebte eine Marke drauf.

Ironischerweise hatte sie noch einige Briefmarken in ihrem Portemonnaie, sie benötigte viele für Bewerbungen oder für Anfragen. Lydia legte den Brief beiseite und nahm ihren Stift erneut in die Hand:

*

»Hallo, Brüderchen!

Es ist schon recht merkwürdig, wie sich die Dinge entwickeln. Dabei kennen wir uns erst seit Freitag. Hatten uns am Donnerstag nur wenige Sekunden gesehen, und doch kommt es mir so vor, als würden wir uns schon ewig kennen.

Ich werde den Moment nie vergessen, als ich dich auf dem Balkon das erste Mal sah. Irgendwie musst du intuitiv gespürt haben, dass wir zusammen gehören, sonst wärst du mir sicherlich nicht am Freitag nachgelaufen.

Dass uns etwas verbindet, haben wir früh gemerkt. Wir waren uns ähnlich. Haben das Gleiche gelesen, dasselbe gedacht und doch waren wir uns im Grunde fremd. Wer hätte schon ahnen können, dass du und ich, dass wir mehr sind als nur Seelenverwandte. Zwillinge! Zwillinge! Ich muss es mir zigmal sagen, damit ich es auch wirklich verstehen kann.

Unsere Eltern haben uns als Babys adoptiert. Während

Shannon und James so früh sterben mussten. Das ist ein so eigenartiges Gefühl. Als ich das hörte, tat mir alles weh.

Und doch hatten wir Glück. Wir kamen zu so liebe Menschen, die uns nie das Gefühl gaben, unerwünscht zu sein. Nie wäre ich auf so etwas gekommen. Adoptiert! Das ist ein so gigantisches Wort, so schwer, so unglaublich zu begreifen.

Wie kommst du damit zurecht? Hast du Halt gefunden? Hast du mit deiner Familie in Ruhe alles klären können? Hast du mehr erfahren als ich? Haben wir noch irgendwo Verwandte?

Ich denke nicht, sonst wären wir sicherlich nicht zu unseren Paten gekommen, oder? Was geht dir so durch den Kopf? Mir schwirrt meiner.

Für dich muss ebenso eine Welt zusammen gebrochen sein.

Alles, was wir dachten, steht auf dem Kopf.

Alles, was wir glaubten zu sein, war eine Lüge. Doch können wir niemanden Vorwürfe machen. Sie wollten uns beschützen und nur das Beste für uns.

Ich glaube, Shannon und James wollten nicht, dass wir noch einmal alleine da stehen, daher haben sie uns trennen lassen. Sie hatten womöglich Angst, dass Franziska oder Sascha etwas zustoßen könnte und somit beschlossen sie, uns zu trennen.

Vielleicht ja mit dem Vermerk, das wir eines Tages alles erfahren sollen und wer weiß, vielleicht sollte es noch vor unserem 16. Geburtstag sein ...?

Wenn wir uns nicht so gut verstanden hätten, müsste ich jetzt nicht weggehen(?). Es gibt noch vieles, was ich nicht verstehe, so viele offene Fragen. Und ich habe keine Chance mehr so richtig, sie beantwortet zu bekommen.

Ich wünsche mir, dass wir uns kennen lernen und Freunde werden. Nun muss ich lächeln. Der Freitag war doch einmalig, oder? So etwas erlebt zu haben, ist selten. So etwas zu empfinden, was wir empfanden, ist selten. Auch wenn ich gestern noch Scham verspürte, so ist jetzt daraus ein Gefühl der Wärme geworden. Es gibt nicht viele Menschen, die diese Erfahrung machen dürfen.

Ganz gleich, was Samstagnachmittag passierte, ganz gleich, welche Wahrheit uns so aus dem Gleichgewicht riss:

Wir haben für einen Moment etwas Tieferes empfunden.

Diesen Augenblick sollten wir in uns bewahren, als Erinnerung.

Wir wussten ja nicht, dass es falsch war. Ich meine, wir haben nichts gemacht, was wir je bereuen könnten. Wir sind Bruder und Schwester. Mehr nicht und doch hoffe ich, dass wir Freunde sein können.

›Der Kuss war falsch‹, wirst du jetzt sicherlich denken. Das mag sein, ja. Aber gestern, zehn nach halb neun Uhr in der Früh, war er das noch nicht. Und mehr wäre eh nicht passiert.

Wir wären nicht weiter gegangen. Niemand kann uns deshalb Vorwürfe machen. Wir wussten es nicht. Wir hatten keine Ahnung gehabt. Waren zwei junge Menschen, die für einen Augenblick Gefühle zuließen.

Wir werden den Kontakt halten, hoffe ich jedenfalls. Wir freunden uns an. Wir werden unseren Zwillingsinstinkt (falls es so etwas wirklich gibt) aktivieren und so fühlen, ob es dem anderen gut geht oder nicht. Für deine Zukunft und für deine Prüfungen wünsche ich dir alles Gute. Wo dich der Wind hinführt, weiß ich nicht, aber ich hoffe, du vergisst mich nicht und schreibst mir, so oft du willst. Ich hoffe, du lässt mich an deinen Gedanken teilhaben.

Ich hoffe, du vertraust mir deine Sorgen und Ängste, Wünsche und Hoffnungen an. Du findest irgendwann ein Mädchen, welche die Richtige für dich ist. Aber such dir nicht irgendeine, dafür ist das Herz zu kostbar. Pass auf dich auf, Thomas!

Du bist meine Familie. Es ist schade, dass wir nicht mehr Zeit hatten. Aber vielleicht ist es das einzig Richtige. Abstand zu bekommen ist gut, denke ich. Wenn du nicht sofort antworten kannst, dann lass so viel Zeit vergehen, wie deine Wunden brauchen, um zu heilen. Ich bin für dich da, egal wann. Du kannst mit mir über alles sprechen! Ich bin in Gedanken bei dir.

Rede so oft es nur geht mit deiner Familie, denn nur so kannst du das alles Überwinden und uns als Geschwister akzeptieren.

Bleibe so, wie du bist, und achte auf dich, Deine Schwester!«

*

Sie verfasste noch einen kurzen Brief an Madlen, den sie mit in den Umschlag packte. Sie schrieb, wie leid es ihr täte, dass sie nicht die Ausbildung antreten könnte, und versuchte, es in wenigen Worten zu erklären.

Sie atmete tief durch, als sie daran dachte. Ihr Traum zerplatzte so schnell, dass sie wehmütig aus dem Fenster des Zuges blickte und für eine Weile einfach nur gedankenverloren in die Ferne schaute.

Als Lydia den Bahnhof erreichte, war noch etwas Zeit. Sie sah sich um und ging in Richtung ihres nächsten Gleises. Auf dem Weg entdeckte sie einen Laden und kaufte dort einen kleinen Teddy, der in den Umschlag passte, dazu eine tolle Geburtstagskarte.

Einen Briefkasten fand sie ebenfalls.

Sie schaute sich um, das Gepäck stand neben ihr und plötzlich fühlte sie sich so unglaublich einsam und verlassen, wie noch nie in ihrem Leben. Sie zitterte etwas, doch an diesem Ort konnte sie nicht zusammenbrechen. Dafür wäre noch genug Zeit.

Sie war alleine und das machte ihr Angst.

Das junge Mädchen war nun auf sich gestellt. Niemand würde ihr Halt geben und sie in ihre Zukunft begleiten.

Ihre Hand wanderte zu ihrer Kette und sie drückte den kleinen Anhänger so fest, dass sie einen Abdruck davon in ihrer Handfläche hatte.

›Ach Steve. Wenn ich nur wüsste, was ich machen soll. Was ich nun denken, fühlen und machen muss. Wie soll ich unbeschwert leben, wenn ich doch weiß, dass zu Hause alles im Chaos geendet hat. Aber vielleicht mache ich mich auch nur selber verrückt und in Wirklichkeit seid ihr alle erleichtert, dass die Wahrheit nun raus ist.

Wenn es nicht so wäre und Tom und ich hätten erst viel später erfahren, dass wir verwandt sind ... Oje, das wäre schrecklich geworden. Viele Dummheiten. Wir hätten uns verliebt. Nicht auszudenken, was wir angerichtet hätten. Auch wenn ich DAS noch nicht machen würde. Es war schon richtig, es uns zu sagen. Mich wegzuschicken war das einzig Sinnvolle‹, dachte Lydia.

Wie sollte sie das durchstehen?

Es ging ihr von Minute zu Minute schlechter. Alles was sie glaubte zu sein, war nichts mehr als Schein.

Nun begriff sie auch, weshalb sie manchmal solche Alpträume hatte oder warum sie alles bekam, was sie sich wünschte. Es war, als würde sie in ein tiefes Loch voller Erinnerungen fallen.

Die Strenge, die ihr Vater ihr gegenüber vorbrachte, war so unnatürlich. Als ob er endlich wieder Er selbst sein konnte.

Das galt wohl auch für die anderen. Ihr wurde bewusst, wie wenig Zeit sie mit Sam verbrachte. Wahrscheinlich seitdem er wusste, wer sie wirklich war.

Doch war dies erst der Beginn, …

Lydia - die komplette Reihe

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