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Kapitel 3 – Jetzt – Trauma

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»Du siehst unglaublich aus.« Der Chef der Casting-Agentur grinste sie gewinnend an. Rose lächelte zurück. Sie wusste, wie sie wirkte. Sie spürte die Blicke der anderen Bewerberinnen, die neben ihr standen und um eine Zusage bangten. Rose verspürte keinerlei Nervosität. »Eine Bewerberin haben wir noch«, sagte der Chef, der mit seinem offenen Hemd, aus dem das Brusthaar quoll, eher wie ein Zuhälter aussah. »Sie ist ein wenig später gekommen, aber wir wollen ihr dennoch eine Chance geben.« Rose wandte den Blick zur Tür. Wer war noch so mutig oder vielmehr dreist, zu spät zu kommen? Die Antwort ließ sie erstarren.

»Hallo, verzeihen Sie die Verspätung.« Isabelle lächelte entschuldigend und warf das pechschwarze Haar zurück. Rose kniff die Lippen zusammen. Sie war sich so sicher gewesen, den Job zu bekommen, und doch zweifelte sie jetzt angesichts der lateinamerikanischen Schönheit, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.

»Hallo Rose«. Isabelle sah sie kühl an und nickte kurz. Rose brachte kein Wort heraus. In ihrem Kopf blitzten Bilder auf, die sie hatte verdrängen wollen. Bilder, die sie am liebsten ausgelöscht hätte. Doch sie hatten sich in ihrem Gehirn eingebrannt.

Rose‘ Leben war perfekt verlaufen. Seit ihrem 14. Lebensjahr konnte sie sich vor Modelaufträgen kaum retten. Und wenn sie jemanden wollte, dann bekam sie denjenigen auch. Isabelle war die Einzige, die ihr je etwas genommen hatte.

Rose schloss die Augen und spürte, wie die Angst wieder hochkam – ein Gefühl, das sie nur selten verspürte. Alice hatte ihr beigebracht, niemals Angst zu haben. Wie es ihr wohl ging? Rose sah das Gesicht der gealterten Frau vor ihrem geistigen Auge. Und doch war sie nicht fähig, Sorge zu empfinden. All das war viel zu weit weg von ihrem Leben, weg von ihr selbst.

»Also, wir möchten, dass Sie alle einmal über den Laufsteg gehen«, sagte der Chef der Casting-Agentur. Rose taxierte die Konkurrenz. Jede einzelne Frau hatte einen kleinen Makel – eine zu große Nase, zu dicke Beine oder einen staksigen Gang. Sie waren keine Gefahr. Nach und nach machten die Mädchen ihren Walk. Doch keine schien die Jury zu überzeugen.

Als Isabelle den Laufsteg betrat, konnte man ein Raunen vernehmen. Der Agentur-Chef, seine Stellvertreterin, der Geschäftsführer und der Fotograf steckten augenblicklich die Köpfe zusammen und diskutierten. Rose hatte ein merkwürdiges Gefühl im Magen. Von ihrer Selbstsicherheit war nichts mehr übrig, während sie Isabelles lange Beine und die dunkle, makellose Haut betrachtete. Die Jury musste nun entscheiden, ob sie Rose, den amerikanischen Traum, oder Isabelle, die exotische Fremde, haben wollte. Rose spürte, wie ihre Handflächen feucht wurden.

Als Isabelle zurückging, trafen sich ihre Blicke. Der kalte Ausdruck der dunklen Augen ging Rose durch Mark und Bein, und sie erinnerte sich an jenen Tag, an dem sie sich gewünscht hatte, dass Isabelle einen qualvollen Tod sterben würde.

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