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Vierzehnter Brief.
An Julie.

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Inhaltsverzeichnis

Was hast du gethan! Ach, was hast du gethan, meine Julie! Du wolltest mich belohnen und du hast mich zu Grunde gerichtet. Ich bin trunken, nein, ich bin unsinnig. Meine Sinne sind mir verrückt, alle meine Lebenskräfte in Aufruhr durch diesen tödtlichen Kuß, Du wolltest meine Pein lindern! Grausame, du steigerst sie, Gift habe ich von deinen Lippen gesogen; es siedet, es verbrennt mein Blut; es bringt mich um, und dein Erbarmen mordet mich.

O unvergängliches Andenken dieses Augenblicks voll Täuschung, Wahn, Zauberei! nie, nie wirst du meiner Seele entschwinden, und so lange in ihr Juliens Reize eingedrückt sein werden, so lange dieses zitternde Herz Empfindungen und Seufzer hergeben wird, wirst du die Marter und die Wonne meines Lebens sein.

Ach! ich genoß einer scheinbaren Ruhe; ich hatte mich deinem oberherrlichen Willen unterworfen, ich murrte nicht mehr über ein Geschick, dessen Leitung du übernommen hattest. Ich hatte den wilden Flug meiner verwegenen Einbildungskraft gebändigt; ich hatte meine Blicke mit einem Schleier bedeckt und meinem Herzen Fesseln angelegt; meine Wünsche wagten nur noch halb hinauszuschlüpfen; ich war so zufrieden, als ich es nur sein konnte. Ich erhalte dein Billet, ich fliege zu deiner Cousine; wir fahren nach Clarens, ich sehe dich, mein Herz klopft; der süße Ton deiner Stimme versetzt es in neue Aufregung; ich nähere mich dir wie bezaubert und ich hatte die Dazwischenkunft deiner Cousine sehr nöthig, um deiner Mutter meine Verwirrung zu verbergen. Es wird im Garten umhergegangen, ruhig gegessen, du steckst mir heimlich deinen Brief zu, den ich vor der furchtbaren Zeugin nicht zu lesen wage: die Sonne fängt an zu sinken; wir suchen alle Dreie Zuflucht vor ihren letzten brennenden Strahlen im Gehölz und in meiner seligen Einfalt dachte ich gar nicht daran, daß es einen süßeren Zustand geben könnte, als den, worin ich mich befand.

Als wir uns dem Gebüsche näherten, bemerkte ich nicht ohne ein inneres Zittern, daß ihr einander zuwinktet, lächeltet und daß deine Wangen sich höher färbten. Wir traten ein; mit Erstaunen sah ich deine Cousine zu mir treten und mit komisch bittender Miene einen Kuß fordern. Ohne zu wissen, was dahinter steckte, umarmte ich die anmuthige Freundin, und so liebenswürdig, so reizend sie ist, habe ich doch niemals mehr gefühlt, daß die sinnlichen Empfindungen nichts sind, als was das Herz aus ihnen macht. Aber wie ward mir, als einen Augenblick darauf ich fühlte, .... die Hand zittert mir .... einen süßen Schauder .... deinen Rosenmund .... Juliens Mund am den meinigen gelegt, gepreßt, meinen Leib umspannt von deinen Armen. Nein! das Feuer vom Himmel ist nicht verzehrender, nicht rascher als jenes, das mich im Augenblick in lichte Flammen setzte. Mein ganzes Ich floß in Einen Punkt zusammen bei dieser himmlischen Berührung. Die Glut strömte mit unsern Seufzern von den brennenden Lippen, und mein Herz war erdrückt von Wollust da sah ich dich plötzlich erbleichen, deine schönen Augen schließen, dich auf deine Cousine stützen und in Ohnmacht sinken. So löschte der Schreck die Lust aus und mein Glück war nur ein Blitz.

Kaum weiß ich, wie mir seit jenem verhängnißvollen Augenblick geschehen ist. Der tiefe Eindruck, den er mir hinterlassen hat, ist unverlöschlich. Eine Gunst! .... o grausame Qual .... Nein, behalte deine Küsse; ich kann sie nicht ertragen .... sie sind zu scharf, zu durchdringend; sie durchbohren, sie brennen bis ins Mark .... sie würden mich zur Raserei bringen. Ein einziger, ein einziger schon hat mich in ein Irresein gestürzt, von dem ich nicht wieder zu mir kommen kann. Ich bin nicht mehr der Nämliche, du scheinst mir nicht die Nämliche mehr. Ich sehe dich nicht mehr wie sonst verweisend und strenge vor mir; sondern ich fühle und fasse dich unaufhörlich an meinen Busen geschmiegt, wie du einen Augenblick warst. O Julie, welches Schicksal mir das tobende Gefühl, das ich nicht mehr bemeistern kann, ankündige, welche Behandlung deine Strenge mir bestimme, ich kann nicht mehr in dem Zustand leben, in welchem ich bin, und ich fühle, daß ich endlich zu deinen Füßen meinen Geist aushauchen muß .... oder in deinen Armen.

Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe)

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