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WAS ICH ANDEREN ANTAT UND WAS SIE MIR ANTATEN

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In der Stadt war die Grenze zwischen Albtraum und Realität fließend, so wie sich der Kontext der Wörter Killer und Tod mit der Zeit verschoben hatte. Vielleicht war Mord daran schuld. Vielleicht auch wir alle.

Ein Killer war jemand, der aus anderen Gründen als fürs nackte Überleben tötete. Ein Killer war ein Verrückter oder eine Verrückte, jedenfalls keine Person, die nur einen weiteren Tag überleben wollte. Einmal schlug ich eine Frau mit einem Stein. Wir begegneten uns, als wir in der gleichen verödeten Straße auf der Westseite der Stadt nach Brauchbarem suchten. Ich war auf ein geschmeidiges Stück Metall gestoßen, das gerade von einem rot funkelnden Stück einer fleischig aussehenden Pflanze aufgesaugt wurde. Ich wusste nicht, ob Wick damit etwas anfangen konnte, aber es war durchaus wahrscheinlich, da ich noch nie etwas Vergleichbares gesehen hatte.

Als ich mit meiner Trophäe in der Hand um eine Ecke bog, stieß ich auf die Frau. Sie war um die fünfzig, sehnig, wie es Überlebende oft sind, das graue Haar hing strähnig herab, ihre Kleidung war ein Patchwork aus grau und schwarz.

Sie sah mich und lächelte. Dann sah sie meinen Fund, und ihr Lächeln verschwand. »Gib mir das. Es ist meins.« Vielleicht meinte sie: »Es wird meins sein.«

Ich wartete nicht, bis sie nah genug war, um mit mir zu kämpfen, sondern kniete mich hin und griff mit der freien Hand nach einem Stein. Als sie von der Mitte der Straße her auf mich zugerannt kam, warf ich den Stein und traf sie an der Stirn. Sie knickte ein, fiel auf die Seite und atmete schwer. Dann stand sie auf, und ich warf noch einen Stein, wieder an ihren Kopf.

Diesmal taumelte sie rückwärts, legte die Hände auf ihre Knie, während sie sich krümmte. Ich konnte sehen, wie hellrotes Blut von ihrem Kopf auf den Boden tropfte. Sie setzte sich schwer auf den Schutt und legte eine Hand an den Kopf, schaute auf, und ich ließ den dritten Stein, den ich schon in der Hand hielt, wieder fallen.

»Ich wollte doch nur einen Blick darauf werfen«, sagte sie verwirrt, während sie sich immer wieder an die Wunde fasste. Ihre Augen begannen, glasig zu werden. »Nur einen Blick drauf werfen.«

Ich blieb nicht, um ihr zu helfen oder ihr den Rest zu geben. Ich ging.

Starb sie? Habe ich sie umgebracht, und wenn ja, bin ich dann eine Mörderin?

Es war nichts Neues, was da zwischen der Frau und mir passiert war, egal, wie sehr wir auch unter Gedächtnisverlust leiden mochten; es war so alt wie die Welt, und sogar noch älter. Die erste, die einzige Regel, die man beachten muss, ist, dass man sich so gut wie möglich schützen muss – man muss sich selbst so gut wie möglich schützen, und das ist das gute Recht jedes Einzelnen.

Aber eines Abends, drei Wochen, nachdem ich Borne gefunden hatte, war ich nicht wachsam genug. Eine Gang von Kindern pirschte über das Moos und den Müll, und bevor sich die Tür hinter mir schloss, waren sie drin. Sie folgten mir leise die Korridore entlang zu meiner Wohnung, folgten genau meiner Spur, um den Fallen und Pheromonen und Kampfspinnen auszuweichen. Ich bemerkte sie nicht, weil ich mit meinen Gedanken bereits bei Borne war und mich fragte, wo ich ihn dieses Mal finden würde.

Wick war in den fernsten Winkeln seines bröckelnden Drogenimperiums unterwegs. Keines meiner eigenen Verteidigungsmittel – die fleischfressenden Kakerlaken im Flur, die in die Tür eingebauten Krabbenspinnen, eine gute, alte Messerklinge – konnte sie stoppen.

Abgesehen von Mord, dem Giftregen und dem seltsamen, ausrangierten Biotech, die alle Tod oder Unannehmlichkeiten bringen konnten, waren die Kinder die fürchterlichste Macht der Stadt. Nichts in ihrem Blick ließ darauf schließen, dass sie Menschen waren. Sie hatten keine Erinnerungen an die alte Welt, die sie hätten erden oder mäßigen oder inspirieren können. Ihre Eltern waren wahrscheinlich tot oder noch Schlimmeres, und von klein auf waren sie an fürchterliche Gewalt gewöhnt, die sie grundlegend veränderte.

Sie waren zu fünft, und vier von ihnen hatten ihre Augen durch grün-goldene Wespen ersetzt, die sich in den Höhlen wanden und ihre Wahrnehmungsfähigkeit verbesserten. Ihre Hände zierten Krallen wie scharfe Kommas. Wenn sie atmeten, glühten Schuppen an ihren Hälsen rot auf. Aus dem nackten Rücken des Kleinsten heraus öffnete und schloss sich ein Blasebalg, wie ein Flügel; als Einziger hatte er noch schiefergraue Menschenaugen. Nach einer Weile wünschte ich, er hätte stattdessen auch Wespen.

Sie rochen nach Salzlake und Schweiß und Staub. Sie leckten sich die Lippen und ließen ihre Armmuskeln spielen, als wären sie kleine Eroberer. Damals wussten wir noch nicht, wie sie sich so hatten verändern können, wenn nicht auf Grund einer Kontaminierung durch die Firma, und konnten die neue Entwicklung, die sich da abzeichnete, weder deuten, noch wussten wir, woher sie kam.

Ich kämpfte, aber manchmal ist kämpfen nicht genug, ist aggressiv sein und Widerstand leisten nicht genug. Man kann sich nicht selbst die Schuld geben, wenn der Gegner in der Überzahl ist, sonst wird man verrückt.

Es war zwecklos. Ich war hilflos. Sie folterten mich stundenlang, auf verschiedene, unvorstellbare Weise. Der Kleinste schaute meistens einfach nur zu, stand neben dem Bett, starrte mich aus seinen schiefergrauen, riesigen Augen, deren Weiß nicht so weiß war wie seine bleiche Haut, stumpfsinnig an. Die Kinder waren auf irgendwelchen Drogen, die sie wahrscheinlich auf einem Haufen Giftmüll gefunden hatten.

Zwischen meinem Wimmern und Schreien und Zappeln, während die Laken sich rot färbten und die anderen ihren Triumph herausschrien, sagte ich wieder und wieder zu dem grauäugigen Kind: »Sieh nicht hin. Sieh nicht hin.« Ich redete mir ein, dass ich versuchte, ihn zu schonen, aber tatsächlich versuchte ich nur, mich selbst zu schonen. Für ihn war es längst zu spät.

Als sie ihrer Spielchen müde wurden, fingen sie an, alles Wertlose zu zertrümmern, kletterten einander auf die Schultern, um meine Leuchtkäfer zu töten.

Dann stießen sie auf Borne – er musste sich bewegt oder sonstwie ihre Aufmerksamkeit erregt haben. Und ihr Interesse an mir schwand. Auf ihrem Weg hinaus beschlossen sie, Borne mitzunehmen – aus einem blutverkrusteten Auge sah ich verschwommen, wie sie ihn sich schnappten.

Als sie Borne mitnahmen, flehte ich sie zum ersten Mal an. Zum ersten Mal spürte ich, wie wichtig Borne mir war. Aber es machte keinen Unterschied. Sie nahmen Borne mit und ließen mich in der Dunkelheit zurück, mit aufgerissener Wange, mit aus zum Teil sehr tiefen Wunden blutendem Gesicht und blutenden Armen und Beinen. Meine Haut brannte. Meine Haut war taub. Mein wundes Fleisch fühlte sich in der Hitze kalt an. Ich hatte keine Kraft mehr aufzustehen.

Die Stadt hatte mich heimgesucht, hatte mich daran erinnert, dass ich für sie weniger als wertlos war, dass nicht einmal die Balcony Cliffs sicher waren. Dass jede Verbindung zu unseren Verteidigungsanlagen gekappt werden konnte, einfach so.


Zeit verging, und ich war nicht mehr als ein zitterndes, entblößtes, entsetzliches Etwas. Ich heulte und kreischte, hatte jegliche Hemmung verloren; dafür sorgten die Schmerzen. Als ich das dritte oder vierte Mal wieder zu mir kam, lag mein Kopf auf Wicks Schoß, und er schaute mit einem seltsamen Gesichtsausdruck auf mich herab. Vor lauter Stress flackerte seine Haut grün, eine Nebenwirkung der Diagnosewürmer, die er in sich trug. Mein Körper fühlte sich weich und warm an, während er sich um mich kümmerte, aber dahinter lauerte ein Schmerz, der alles zu verschlingen drohte.

»Es tut mir so leid«, sagte Wick leise, als würde er mit einer Leiche sprechen. Die Anteilnahme, die ich vermisst hatte, war so deutlich herauszuhören und kam aus so tiefem Herzen – als hätte er geweint –, dass ich erstarrte, es erschreckend fand. Was ich brauchte, war seine Stärke, nicht Verzagtheit. »Bleib einfach ruhig liegen. Du solltest jetzt ein Weile keine Schmerzen haben.«

Doch ich hatte Schmerzen, wenn auch nur leichte. Aber ich nickte, um uns beide zu trösten, und schaute aus verquollenen Augen zu ihm auf. Die klaren und schönen Züge seines Gesichts konnte ich trotzdem erkennen, weiß Gott. Das war mir immer noch wichtig.

Er ließ einen Diagnosekäfer über meinen Körper krabbeln. Er war alt und abgegriffen, sein Panzer zerkratzt, aber die Beine fühlten sich weich und glatt an. Überall dort, wo er mich berührte, spürte ich sofort ein Glühen, das schnell wieder abklang. Meine Wunden hatte Wick bereits mithilfe von Heilschnecken geschlossen. Ich erinnerte mich noch von meiner letzten Verletzung an das kühl-kalte Gefühl, während sie über mich krochen. Meine Angreifer hatten Kreativität an den Tag gelegt, hatten Muster in mich hineingeschnitten, Wörter, die niemand verstehen konnte, sie am allerwenigsten. Und die Bewegung der Schnecken hatte die Wörter nachgezeichnet, ihnen absichtslos einen Sinn verliehen.

»Ich würde dich in den Arm nehmen«, sagte Wick, »aber ich habe Angst, dir wehzutun.«

Dann fiel mir ein, dass sie Borne mitgenommen hatten, und ich wollte Wick bitten … aber was? Sie zu verfolgen? Wick sagte, ich solle nicht reden, und: »Es tut mir leid, dass ich nicht hier war. Es tut mir leid, dass sie reingekommen sind.« Doch er war irgendwo anders, machte sich über andere Dinge Gedanken.

»Wie schlimm haben sie dich verletzt?«, fragte er dann mit einer Betonung, die mir klarmachte, was er meinte. Es war eine medizinische Frage, aber nicht die eines Arztes. Er hatte den Überfall auf mich in Gedanken durchgespielt und vermutete das Schlimmste – jetzt musste er wissen, wie weit er mit seiner Diagnose gehen sollte.

»Nur das, was du sehen kannst«, sagte ich, und Wicks Anspannung ließ nach, was mich irgendwie bewegte.

Meine Angreifer waren zu zielstrebig oder zu wenig Mensch gewesen, um mich zu vergewaltigen. Der Älteste von ihnen, der Kleine mit den grauen Augen, war ungefähr elf, hatte strohblondes Haar und zierliche Hände. Und selbst wenn sie es getan hätten, hätte ich es Wick vielleicht nicht erzählt. Aber sie hatten es nicht getan. Zwei von denen mit den Wespenaugen hatten ihre Zungen in meinen Mund geschoben, während sie mich schnitten, aber es hatte sich mehr nach dem Versuch angefühlt, mich mit etwas anzustecken. Ich hatte noch immer einen metallischen Nachgeschmack auf der Zunge.

Inzwischen weinte ich – ein stetiger Strom von Tränen, ohne dass mein Gesichtsausdruck sich änderte. Es gibt eine Grenze dessen, was man ertragen kann. Jenseits davon fängt man an zu spüren, dass der Aufwand, zu überleben, kaum aufzubringen ist. Es wäre besser gewesen, wenn ich auf der Straße überfallen worden wäre. Es wäre besser gewesen, jetzt da draußen auf einer Halde zu liegen, als hier im Herzen der Balcony Cliffs und Wicks Schuldgefühle, seine Sorgen, seine Rücksichtnahme verkraften zu müssen. Gesehen zu werden, wo ich doch am liebsten in ein dunkles Loch gekrochen wäre, zum Sterben oder um mich von meinen Verletzungen zu erholen.

Aber ich ließ Wick seine Arbeit tun und erzählte ihm, wie es passiert war, damit er unsere Verteidigungsmaßnahmen verstärken konnte. Ich war am Leben, und ich wusste aus Erfahrung, dass ich mit der Zeit genug vergessen würde, um wieder so zu tun, als ob wir eines Tages frei sein könnten. Frei von der Stadt, von Mord, von allem. Ich weiß nicht, ob man das Hoffnung nennen kann. Vielleicht war es einfach dumpfe Trägheit.

»Und sie haben Borne mitgenommen«, sagte ich etwas später, unsicher, ob ich die richtigen Worte gefunden hatte. Dass Borne verschwunden war, war ein Gedanke, mit dem ich mich erst mal auseinandersetzen musste, sonst würde ich zusammenklappen.

Wick runzelte die Stirn. »Aber sie haben Borne nicht mitgenommen.« Er nickte in Richtung Wohnzimmer. »Er ist dort drüben.«

Trotz meines tauben Unbehagens, und während der Käfer über meinen Oberkörper krabbelte, empfand ich überwältigende Verwirrung und Erleichterung.

»Haben sie ihn zurückgebracht?«

»Ich glaube nicht. Er war im Gang vor der Tür. Deine Angreifer sind fort. Ich habe ihn wieder hergebracht.«

»Danke«, sagte ich und wusste, dass ihm diese Entscheidung nicht leichtgefallen war.

»Er ist gewachsen«, sagte Wick.

Ich sagte nichts. Ich traute mich nicht. Zum ersten Mal bemerkte ich, dass Wick sich Sorgen machte oder grübelte, ohne dass es etwas mit mir zu tun hatte. Ich hatte es geschafft, Wick geschlagene zwei Wochen von Borne fernzuhalten.

Der Käfer hatte seine Arbeit beendet.

Wick stand auf. »Du musst dich ausruhen. Ich habe uns Essen mitgebracht. Und unsere Verteidigungsanlagen verstärkt. Ich muss einen Augenblick raus, aber ich bin bald wieder zurück.«

Ich verstand. Er musste sichergehen, dass die Angreifer tatsächlich weg waren. Er musste Schlösser auswechseln und sicherstellen, dass niemand auf dem gleichen Weg hereinkam. Was alles in allem hieß, weitere Ressourcen zu verbrauchen, die wir nicht hatten, und uns beide noch schneller in eine riskante Lage zu bringen. Der brennende Stachel – die brüllende Todesangst – dessen, was passiert war, würde ein paar Stunden lang nicht zurückkehren, als wäre er Lichtjahre entfernt. Ich streckte den Arm aus, um Wicks Wange zu berühren, aber er war zu weit weg.

»Ich hätte hier sein sollen«, sagte er.

»Wenn du nicht zurückgekommen wärst, wäre ich jetzt wohl tot«, sagte ich, aber das war kein Trost. Wenn die Stadt mich wirklich hätte umbringen wollen, dann hätte sie mich, wie die vielen anderen auch, umgebracht.

»Ich sollte Borne mitnehmen«, bemerkte Wick beiläufig.

Ich ächzte. »Nein. Bitte. Nicht.«

Es wäre für Wicks Seelenfrieden besser gewesen, wenn ich es gebrüllt oder genauso beiläufig gesagt hätte wie er. Aber das tat ich nicht. Ich sprach mit dünner, brüchiger Stimme, und Wick konnte nicht dagegen an.


Nachdem er gegangen war, dauerte es eine Weile, bis ich merkte, dass ich nicht schlafen konnte, und ich beschloss, aufzustehen. Es tat weh, aber ich war schon wieder rastlos, nicht an Bettruhe gewöhnt. Ich wollte los und Borne sehen. In meinem veränderten Bewusstseinszustand machte ich mir Sorgen, dass meine Angreifer ihn vielleicht auch verletzt hatten. Vielleicht wollte ich auch nur sichergehen, dass Wick ihn nicht mitgenommen hatte.

Er saß auf einem Stuhl in der Küche und pulsierte in einem schwachen Gold-Grün. Wick hatte einige meiner Leuchtkäfer repariert, aber nicht allzu viele, und so war alles, was ich sehen konnte, das Glühen von Borne.

Borne war mindestens fünfzehn Zentimeter größer als am Nachmittag und am Fuß dicker und kräftiger. Von der Sitzfläche aus ging er mir fast bis zur Schulter. Ich konnte keinerlei Verletzungen an ihm erkennen – seine Symmetrie war weiterhin perfekt. In der Dunkelheit sah er wunderschön aus. Voller Kraft.

»Ich bin’s nur«, sagte Borne.

Ich schrie gellend auf. Ich stolperte zurück, sah mich nach einer Waffe um – einem Knüppel, einem Messer, irgendwas. Seine Stimme klang wie das Krächzen des Jungen mit den grauen Augen.

»Nur ich«, sagte Borne. »Borne.«

Nur ich.

Die Würmer, die Wick mir eingesetzt hatte, kämpften damit, beruhigende Drogen freizusetzen. Ich zitterte. Ich stieß unkontrollierte Laute aus.

»Ich bin’s nur«, sagte Borne wieder, wie um die Wörter zu testen.

Ich zuckte zusammen und blieb mit dem Rücken zur Wand stehen. Er klang jetzt nicht mehr wie mein Angreifer, sondern wärmer und viel lyrischer. Diese Stimme sollte ich als seine normale kennenlernen, obwohl er viele Stimmen annehmen konnte.

»Rachel«, sagte Borne. »Du musst nicht. Angst haben.«

»Sag du mir nicht, was ich machen muss!«, brüllte ich ihn an. »Was bist du?«

Er machte Anstalten, vom Stuhl zu klettern.

»Bleib, wo du bist. Komm mir verdammt noch mal nicht näher!«

Ich rang nach Worten, die den Raum zwischen uns füllen würden.

In die Pause hinein sagte Borne: »Geh erholen. Bitte erholen. Keine Sorgen. Schlafen.« Er bedachte jedes Wort sorgfältig, bevor er es wählte, und schien unsicher, wie sie zusammenpassten.

»Schlafen?« Ich lachte bitter. »Ich gehe jetzt nicht schlafen. Du redest mit mir.«

»Ich bin Borne«, sagte das Ding vor mir. »Ich reden reden reden.«

Die Worte kamen mit einem honigsüßen Plätschern aus ihm heraus, was mich daran erinnerte, wie sehr er mich in den vergangenen Wochen amüsiert hatte. Aber woher kamen diese Worte? Borne hatte immer noch kein Gesicht, keinen richtigen Mund.

»Träume ich?«, sagte ich.

»Träume?«, sagte Borne.

»Wie bist du ihnen entkommen?«

»Ihnen?«, sagte Borne.

»Ja, ihnen – den Kindern, die mich angegriffen haben.«

»Kindern«, sagte Borne. »Mich angegriffen.«

Dann fing ich an davonzutreiben, ganz gegen meinen Willen, und zu schwanken, während die Heilwürmer in mir arbeiteten. Ich torkelte, merkte, dass ich an der Wand hinunterrutschte, auf meinem Hintern landete. Die Würmer hatten wohl entschieden, dass ich Schlaf brauchte. Alles wurde unscharf, verschwamm.

Nach einer Weile hatte ich den Eindruck, dass Bornes Gestalt über mir aufragte, dass etwas in meinen Venen herumkrabbelte. Ich lag in meinem Bett. Ich lag auf dem Fußboden. Ich lag im Wohnzimmer. Wach. Schlafend. Irgendwo dazwischen. Delirierend, tobend, unsicher, ob ich schon mitten in einem Albtraum war oder ob er gerade erst anfing. All die Dinge aus meiner Vergangenheit, die ich versucht hatte zu vergessen, drängten nun an die Oberfläche, ergossen sich aus meinem Mund, und Borne stand da und hörte zu. Ich erzählte ihm alles über mich. Dinge, die ich nicht einmal mir selbst eingestanden hatte, die sich so lange in mir angestaut hatten, dass ich jede Kontrolle über sie verloren hatte.

Damals konnte ich es nicht wissen, aber was ich Borne berichtete, rettete mir wahrscheinlich das Leben.

Borne

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