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2.1.2. Einheit und Verschiedenheit des überregionalen Niederländischen
ОглавлениеIn der Neuzeit hatte die Standardisierung des gesprochenen Niederländischen, die auf der Sprache der angesehenen Bürger der holländischen Städte basierte, zögerlich eingesetzt. Von einer allgemeinen einheitlichen gesprochenen Sprache ohne dialektische beziehungsweise gruppenspezifische Eigenheiten konnte zu Anfang des 19. Jh. allerdings weder in den nördlichen noch in den niederländischsprachigen südlichen Provinzen die Rede sein. Da das vorliegende Buch die Etablierung des Allgemeinen Standardniederländischen zum Gegenstand hat, wird hier nicht versucht, historische Entwicklungen niederländischer Dialekte und Soziolekte darzustellen. Neuere Forschungsergebnisse dazu, so beispielsweise von M. van der Wal zum Sprachgebrauch von Seeleuten und ihren Adressaten in Briefen, werden daher nur nebenbei erwähnt. In diesem Rahmen stellt sich vorrangig die Frage, wie sich trotz der sowohl lokal als auch sozial so unterschiedlichen Herkunft der Sprecher das überregionale gesprochene Niederländische festigen konnte.
Wohl hatte sich seit dem 16. Jh. das überregionale Niederländische zu einer allgemeinen Schriftsprache herausgebildet, Orthografie und Grammatikregeln waren dennoch weiter auszuarbeiten und festzulegen. In den nördlichen Niederlanden kümmerten sich sowohl Sprachgesellschaften als auch der Staat um die niederländische Schriftsprache (vgl. 2.1.3.). In den südlichen Provinzen, wo nicht nur die Obrigkeit, sondern auch mancher gebildete Flame die Pflege des Niederländischen vernachlässigten, bemühten sich vereinzelte Bürger um die Muttersprache. So setzte ein Grammatiker wie Des Roches sich für eine Reglementierung des überregionalen Niederländischen ein, vgl. 2.1.3.1. Neben einer nördlichen Schreibtradition, die sich auf das Holländische ausrichtete, ist, wie u.a. G. Rutten dargelegt hat, die Entstehung einer südlichen Schreibtradition zu beobachten, die auf dem Brabantischen basierte. Sie sollte während der Epoche des Vereinten Königreichs allerdings von der nördlichen Varietät abgelöst werden, als König Wilhelm I. das Niederländische in seinem Reich persönlich als Landessprache stark förderte. Übrigens befassten sich weder der Monarch noch seine Diener mit der Frage, welche Sprachvarietäten als ‚korrekt‘ einzustufen oder zu bevorzugen wären. So konnten Beamte in Flandern ohne Bedenken südliche Sprachvarianten verwenden.
Auch wenn die gepflegte Sprache der vornehmen Bürger der holländischen Städte für manchen Sprecher seit der frühen Neuzeit eine Vorbildfunktion hatte, so deuten Aussagen von Zeitzeugen darauf hin, dass man bei der Kommunikation mit Sprechern anderer Gegenden wohl eine dialektisch gefärbte Form des Niederländischen gebrauchte. Welche dialektische Varietät zu unterscheiden ist, lässt sich nicht ohne Weiteres feststellen. Zwar stammen erste Beschreibungen niederländischer Dialekte aus der Mitte des 19. Jh., die überlieferten Daten vermitteln jedoch nicht ein zuverlässiges Bild der vorhandenen Mundarten. So lassen sich aus den 186 ‚Übersetzungen‘ des Gleichnisses vom verlorenen Sohn in niederländische und friesische Dialekte des Arztes Johan Winkler (1840–1916) die dialektischen Verhältnisse jener Zeit nicht eindeutig herleiten. Winkler hatte sie 1874 in einem Friesisch-Niederländischen zweibändigen ‚Dialektikon‘ veröffentlicht. Die ersten systematischen Untersuchungen von Dialektmaterial, die die Maatschappij der Nederlandse Letterkunde 1852 und 1857 mit Hilfe von Fragebögen durchführte, sind wegen der angewandten Untersuchungsmethode als unzuverlässig einzustufen. Erst um die Jahrhundertwende konnten die ersten Dialektgeografen neuere Daten zu lokalen Sprachvarianten, welche die Aardrijkskundig Genootschap (‚Geografische Genossenschaft‘) Amsterdam 1879 gesammelt hatte, in Karten verarbeiten. Jan te Winkel gelang es zwischen 1899 und 1901, Karten zur Aussprache von Vokalen in unterschiedlichen Dialekten herauszugeben. Die möglichen Einteilungen von niederländischen Dialekten und ihr Verhältnis zum AN kommen in 4.1.2. näher zur Sprache. Für die weiteren Erörterungen zur Etablierung des AN genügt es hier festzuhalten, dass die Mehrheit der Gesellschaft im 19. Jh. im mündlichen Sprachgebrauch Sprachvarietäten verwendete, die sich von Ort zu Ort und von Region zu Region in geringerem oder grösserem Mass lautlich, lexikalisch, morphologisch beziehungsweise syntaktisch voneinander abhoben.
Wie sehr sich das Niederländische der Sprecher aus den diversen Regionen voneinander unterschied, konnten beispielsweise aufmerksame Anwesende der nun öffentlichen Sitzungen der Nationalen Sammlung 1796 feststellen. Als Bürgervertreter aus den verschiedenen Regionen das Wort ergriffen, waren die dialektischen und soziolektischen Eigenheiten ihrer Sprache nicht zu überhören. Sie sollen manchen Bürgern, namentlich jenen aus der Provinz Holland, spassig oder gar grob vorgekommen sein, wie laut J.W. Muller der Sprachhistoriker und Hochschullehrer Matthias de Vries (1820–1892) in seinen Vorlesungen hervorzuheben pflegte. So ist belegt, dass sie sich auch mit Einwohnern anderer Gegenden in ihrer eigenen Mundart unterhielten. Der vornehme Dichter Rhijnvis Feith (1753–1824, vgl. 2.3.2.2.), der aus Zwolle stammte, verwendete beispielsweise ohne Bedenken eine östliche Variante des Niederländischen, auch in Gesprächen mit dem berühmten Amsterdamer Gelehrten und Dichter Willem Bilderdijk. Laut diesem angesehenen Holländer benutzte Feith zum Beispiel den Monophthong [i:] statt den Diphthong [єi] in den Adjektiven onbegriepelijk (‚unbegreiflich‘) und begriepelijk (‚begreiflich‘) wenn er my altijd op zijn Overijselsch zei, ‚dat ik een (…) „onbegriepelijk“ mensch was, en ik hem in antwoord, dat hy al te „begriepelijk“ was‘ (‚mir immer im Dialekt der Provinz Overijssel sagte, dass ich ein „unbegreiflicher“ Mensch sei und ich ihm antwortete, dass er allzu „begreiflich“ wäre‘ vgl. Kloek et al. 2001, 430). Eine allgemein anerkannte Sprachnorm des überregionalen gesprochenen Niederländischen lag demzufolge namentlich bei der Aussprache noch nicht fest: während für Bilderdijk ein gepflegtes Holländisch offensichtlich als Richtschnur diente, blieb Feith bei seiner östlichen Sprachvariante, auch in der Kommunikation mit Sprechern aus dem Westen. Bilderdijks ironische Bemerkung scheint übrigens darauf zu deuten, dass er als Amsterdamer im Gegensatz zum Patrizier aus einer östlichen Provinz auf jene dialektischen Varianten herabsah, die von seiner Sprache abwichen. Übrigens beurteilen Sprecher des AN regionale Sprachvarianten beziehungsweise Provinzialismen bis zum heutigen Tag unterschiedlich (vgl. 4.1.2., 5.3.).
Obschon die angesehenen Bürger somit solche unterschiedliche Sprachvarietäten unter sich verwendeten, so ist sich mancher in der napoleonischen Zeit einer allmählichen Standardisierung der gesprochenen Sprache bewusst. Der aus der Provinz Gelderland stammende Dichter Anthoni Christiaan Staring (1767–1840, vgl. 2.5.2.2.) bezeichnet das Holländische beispielsweise 1800 als ons Parijsch Dialect (‚unser Pariser Dialekt‘) und het Dialect van de Schrijvers, die door de geheele Republiek willen gelezen en verstaan worden (‚der Dialekt der Schriftsteller, die von der gesamten Republik gelesen und verstanden werden möchten‘). Sodann hielt der Schriftsteller Johannes Kinker (1764–1845) 1810 fest, dass die ‚ehrbaren‘ Menschen seiner Zeit sich einer überwiegend einheitlichen Aussprache bedienten: het fatsoenlijke gedeelte der Natie heeft uitspraak gedaan (‚der anständige Teil der Nation hat sich [diesbezüglich] festgelegt‘, vgl. De Vooys 1915). Die Sprachnorm sei laut ihm das Holländische, das Schauspieler und öffentliche Redner verwendeten. Die Einhaltung dieser Norm betrachtet er offenbar als anständig (fatsoenlijk), eine Auffassung, die später auch die Bezeichnung Algemeen Beschaafd Nederlands (‚Allgemein zivilisiertes Niederländisch‘) für die niederländische Hochsprache zum Ausdruck brachte, vgl. 3.6. Dass Dichter wie Staring und Kinker es überhaupt für nötig hielten, die Entstehung eines einheitlichen gesprochenen Niederländisch zu erwähnen, bestätigt, dass eine gesprochene Standardsprache noch kein Gemeingut war. Ihre Äusserungen zeigen darüber hinaus ein Bewusstsein des Standardisierungsprozesses bei gebildeten Bürgern. Zudem deuten Starings und Kinkers Aussagen darauf hin, dass sie eine höhere Wertschätzung für das entstehende allgemeine Niederländische als für die gepflegten lokalen Varianten der gesprochenen Sprache hatten.
Inwiefern Dialektsprecher tatsächlich bereit und imstande waren, sich einer überregionalen Sprachnorm anzupassen, lässt sich nicht überprüfen. Ebenso wenig ist klar, wie Kinker dialektische Varianten von Sprechern einschätzte, werden doch die gleichen dialektischen Varianten von verschiedenen Beobachtern auch heute unterschiedlich wahrgenommen und bewertet. Vermutlich fielen Kinker die Übereinstimmungen im Sprachgebrauch von Sprechern aus den verschiedenen Gegenden mehr auf als die Unterschiede, obschon auch vornehme Bürger wie der erwähnte Feith nach wie vor die dialektisch gefärbte Sprache ihrer Städte beziehungsweise Regionen benutzen.
Im Einklang mit Starings und Kinkers Beobachtungen steht die Feststellung des Kirchenhistorikers Annaeus Ypeij, dass die dialektische Varietät in der mündlichen Kommunikation rasch abnahm, eine Entwicklung, die sich im Laufe der Zeit verstärken sollte. Er schreibt diese Erscheinung dem Einfluss des geschriebenen Niederländischen sowie der Sprache der Pfarrer und den öffentlichen Ansprachen von Gelehrten zu:
De spraak des volks, in zoo vele ontelbare dialekten verdeeld, is langzamerhand meer gewijzigd geworden naar de algemeene landtaal, die door geleerden, zoo in de openbare redevoeringen, bijzonderlijk op den kerkkansel, als in door den druk uitgegeven schriften gebezigd werd. Voor honderd, zelfs voor vijftig jaren, spraken in de onderscheiden gewesten onzes lands de beschaafde lieden nog meestäl het volksdialekt. Dan van lieverlede hebben zij hunne spraak meer naar de taal der geleerden ingerigt. En dit weder had natuurlijk eenen niet geringen invloed op de spraak van het gemeene volk, dat zich, zonder er in te denken, naar lieden van den fatsoenlijken stand schikt.
(Ypeij 1812/32, vgl. Kloek et al. 2001, 431)
(‚Die Sprache des Volkes, in so vielen unzählbaren Dialekten verteilt, hat sich allmählich in eine allgemeine Landessprache geändert, die von Gelehrten, so während öffentlichen Ansprachen, insbesondere von der Kirchenkanzel, wie auch in Druck herausgegebenen Schriften verwendet wurde. Vor hundert, sogar vor fünfzig Jahren sprachen die zivilisierten Menschen unseres Landes in den verschiedenen Landstrichen noch zumeist Volksdialekt. Dann haben sie ihre Sprache langsam und stetig nach der Sprache der Gelehrten ausgerichtet. Und dies hatte natürlich wiederum einen nicht geringen Einfluss auf die Sprache des gemeinen Volkes, das sich, ohne sich dies weiter zu überlegen, an den Leuten des anständigen Standes orientiert.‘)
So förderten in den Augen eines Zeitzeugen die Schriftsprache sowie das gepflegte gesprochene Niederländische die fortschreitende Standardisierung des überregionalen Niederländischen, das mit seinem Prestige offenbar schon in dieser Zeit sämtliche Bevölkerungsschichten als nachahmenswert betrachteten. Dass sich die gesprochene gepflegte Sprache tatsächlich auf Kosten dialektischer Varietät, allerdings zuerst zögerlich, dann immer schneller verbreitete, ist insbesondere der zunehmenden interregionalen Kommunikation zuzuschreiben, vgl. 3.1.2. und 4.1.2.
Ypeijs Beobachtungen gehen Hand in Hand mit Bestrebungen von Gelehrten, das öffentliche Reden zu verbessern. So hatte sich schon im 18. Jh. der Amsterdamer Professor für Rhetorik, Jurisprudenz und Griechisch Petrus Francius (1645–1704) um gepflegtes Sprechen in der Öffentlichkeit gekümmert:
(…) alle menschen kunnen, en behooren, goed Duitsch te spreeken, die inboorelingen deezer landen zijn. In den gemeenen ommegang kan men hier niet altoos op letten, en het riekt eenigsins naar neuswysheidt; maar wat onachtzaamheidt is het, als men in ’t openbaar of schryven, of spreeken wil, hier geen acht op te slaan? (Bakker et al. 1977, 70)
(‚alle Menschen, die Einheimische dieser Länder sind, können und müssen gutes Niederländisch reden. Im alltäglichen Verkehr kann man dies nicht immer beachten, und es sieht ein wenig rechthaberisch aus; aber wie unachtsam wäre es, wenn man öffentlich schreiben oder sprechen möchte, dies nicht zu beachten?‘).
Die unterschiedliche Verwendung von Sprachregistern des Niederländischen, die Francius hier anspricht, hatte der Sprachhistoriker Lambert ten Kate übrigens bereits beschrieben. So unterschied er eine hoogdravende of verhevene (‚feierliche‘) Sprachebene, die ruhmreiche Texte der Vorfahren kennzeichnete und von weniger Gebildeten möglichweise verstanden, aber nicht verwendet wurde. Daneben bestand die deftige oder statige (‚vornehme‘) Sprache der wohlhabenden Bürger, die in formalen Situationen zur Anwendung kam und grammatikalische Regeln, soweit vorhanden, berücksichtigte. Mit der gemeenzame stijl (‚gewöhnlichen Sprache‘), die ihre Verwendung im alltäglichen Sprachgebrauch fand, bezeichnete Ten Kate eine grammatikalisch und stilistisch weniger ausgefeilte Sprachebene. Mit der platte spreek- en straet-tael deutete er schliesslich das ungepflegte Niederländische des gemeinen Volkes an.
Ein besserer Unterricht des Niederländischen sollte, neben der zunehmenden interregionalen Kommunikation, zur Verbreitung der Standardsprache beitragen. Bis dahin hatte der mangelhafte Unterricht der Muttersprache durch wenig kompetente Schulmeister an der Grundschule eine Vereinheitlichung des geschriebenen Niederländischen ebenso wenig gefördert wie die vereinzelten, wenig systematischen Niederländisch-Lektionen an der Mittelschule, vgl. 2.1.3. Demzufolge waren Absolventen der Mittelschule wohl eher imstande, eine Sprache mit einer festgelegten Rechtschreibung und Grammatik wie Französisch zu verwenden, als die eigene Sprache zu benutzen. Bezeichnenderweise bemerkt der Jurist Boudewijn Donker Curtius, dass er Französisch und Latein nach seinem Schulabschluss gut beherrschte, jedoch nie die Regeln des Niederländischen gelernt hatte. Latein war nach wie vor die bedeutendste Sprache der Wissenschaft und in vornehmen Kreisen zählte es zur Gepflogenheit, nicht nur in niederländischer, sondern auch in französischer Sprache zu korrespondieren. Möglicherweise glaubten die Korres pondenten, sich auf Französisch genauer und grammatikalisch korrekter ausdrücken zu können als in der nicht standardisierten Muttersprache, die in ihren Augen vielleicht auch noch unbeholfen wirkte. Zudem konnten sie die damals so modische Kultursprache schriftlich üben, wenn sie Verwandten und Freunden französische Briefe schickten.
Für die Pflege und Standardisierung des Niederländischen war es ohnehin wenig förderlich, dass bei grösseren Bevölkerungsschichten die französische Sprache und die Lektüre ausländischer Texte anscheinend mehr Prestige hatten als die Muttersprache und die niederländische Belletristik. Ob die nördlichen Provinzen um 1800 französierten, ist nicht sicher, bestimmt waren die Lektüre französischer Texte und die Verwendung des Französischen aber Mode. Nicht ohne Grund ironisieren Betje Wolff und Aagje Deken, Verfasserinnen des ersten modernen niederländischen Romans, die übermässige Verwendung französischer Wörter. Wenn sie betonen, dass es sich für junge holländische Frauen lohne, niederländische Literatur an Stelle ausländischer romantischer Geschichten zu lesen, heisst es im programmatischen Vorwort ihrer Historie van mejuffrouw Sara Burgerhart 1782 diesbezüglich:
Maar, my dunkt, ik hoor hier en daar een jong Juffertje, dat niets meer van ons land overheeft, dan met negotie gewonnen schatten, en eenen ouden deftigen Hollandschen naam, met een opgeschort neusje, dus spreken: ‚Een Hollandsche Roman! Hede, ma chere, wel hoe vindt gy dat?‘ (En ma chere vindt het even ridicul als ons Juffertje.) ‚Ik lees geen Hollandsch; ik geloof ook niet, dat ik het zou kunnen lezen, maar ik ben toch nog al benieuwt; willen wy er nu en dan eens een verlegen uur aan geven?
(Wolff et al. 1980, XI)
(‚Aber, mir scheint, ich höre hie und da ein junges Fräulein, das nichts mehr für unser Land übrig hat als mit Geschäften erworbene Schätze, und einen alten, vornehmen holländischen Namen, mit einem verschobenen Näschen, sagen: ‚Ein holländischer Roman! Meine Güte, ma chere, wie findest du das?‘ [Und ma chere findet es gleich ridicul wie unser Fräulein.] Ich lese kein Holländisch; ich glaube auch nicht, dass ich es lesen könnte, aber ich bin trotzdem neugierig; wollen wir hie und da eine schüchterne Stunde dafür aufwenden?‘)
Immerhin hatte sich im Gegensatz zum gesprochenen Niederländischen die geschriebene Sprache weitgehend konsolidiert. Eine nähere Auslese sprachlicher Varianten auf Mikro-Ebene stand allerdings laut u.a. Van der Wal und Van Bree noch bevor. So versteht sich, dass sich die Maatschappij der Nederlandsche Letterkunde 1775 mit Fragen zum Entwurf einer Sprachregelung an ihre Mitglieder richtete: Inwiefern habe man beim Versuch, die Schriftsprache weiter zu vereinheitlichen, die ‚alten‘ Regeln zu berücksichtigen und welche Bedeutung sei dem geläufigen Sprachgebrauch dazu beizumessen? Müssten Merkmale verwandter Dialekte in einer Neuregelung einbezogen werden, welche Rolle dürfte der gesunde Menschenverstand dabei spielen?
Die Revolution von 1795 (vgl. 2.1.1.) brachte ein vermehrtes Interesse sowohl für Erziehung und Bildung als auch für die Pflege der Muttersprache mit sich. So befürwortete die niederländische Nationalsammlung eine nationale Bildungsreform, die auch einer besseren Beherrschung des Niederländischen durch die Schüler zugutekommen sollte. Zum ersten Mal wurde in der Zeit, in der sich die Provinzen zu einem Staat, dem Bataafse Republiek vereinten, die Nationalsprache zum Gegenstand staatlicher Bemühungen.