Читать книгу Handbuch Niederländisch - Jelle Stegeman - Страница 26
2.1.3.2.1. Presse
ОглавлениеEs war nicht unüblich, dass Nachbarn gemeinsam die teuren Zeitungen abonnierten. Übrigens wurden Zeitungen und Flugschriften häufig noch vorgelesen. So ist bekannt, dass die neuesten Nachrichten aus der Bredasche Courant (‚Zeitung von Breda‘) zum Verlauf des belgischen Aufstandes 1830 in Kaffeehäusern und Sozietäten von einem der Anwesenden vorgelesen wurden, der dazu auf einem Stuhl oder einem Tisch stand, vgl. Lintsen 1993. In der gleichen Zeit lasen Pfarrer in der Provinz Brabant nach der Messe im Wirtshaus aus dem geliebten, 1829 gegründeten Noord-Brabander (‚Zeitung von Nord-Brabant‘) vor. Der Sozialdemokrat Troelstra berichtet, dass sein Vater in den Siebzigerjahren Arbeitern Nachrichten über den Deutsch-Französischen Krieg vorlas.
Bereits im 16. Jh. wurden in den Niederlanden Flugblätter gedruckt, die lokale, vorzugsweise aufsehenerregende Neuigkeiten festhielten. So berichtet eine Flugschrift von 1579 beispielsweise über ein ungeheures Gewitter in Gent; zu den zahllosen Veröffentlichungen dieser Art zählt auch das bekannte, detailliert illustrierte Blatt zur Enthauptung des Staatsmannes Johan van Oldenbarnevelt von 1619. Das älteste überlieferte niederländische Nachrichtenblatt, die Courante uyt Italien, Duytslandt, &c. (‚Aktuelle Nachrichten aus Italien, Deutschland etc.‘), das vermutlich von Caspar van Hilten in Amsterdam herausgegeben wurde, datiert von 1618. Zwei Jahre später erschienen in Amsterdam zwei Zeitungen, deren französische und englische Bearbeitungen als älteste Zeitungen in diesen Sprachen gelten. In Antwerpen begann der Verleger Abraham Verhoeven (1575–1652) 1620, seine mit Holzschnitten illustrierten Nieuwe Tijdinghen (‚Neue Nachrichten‘) zu veröffentlichen. Bald erschienen in weiteren holländischen Städten Veröffentlichungen mit Nachrichten wie beispielsweise die Post-Tydingen uyt ’s Graven-Hage (‚Postnachrichten aus Den Haag‘) oder die von Abraham Casteleyn ab 1656 publizierte Weeckelijcke Courante van Europa (‚Wöchentliche Zeitung Europas‘). Die Haerlemse saturdaeghse Courant (‚Haarlemer Samstagszeitung‘, ab 1658) beziehungsweise Haerlemse Dinsdaeghse Courant (‚Haarlemer Dienstagszeitung‘) erschien ab 1664 zwei Mal pro Woche als Opregte Haarlemsche Courant (‚Echte Haarlemer Zeitung‘). Auch im Süden wurden im Laufe des 17. Jh. vermehrt niederländischsprachige kranten (‚Zeitungen‘; krant Verkürzung von courant vgl. fra. courier) publiziert, so in Antwerpen, Brügge, Brüssel und Gent. Bald kamen zudem französische Editionen dieser Blätter in den Handel, in Antwerpen war zum Beispiel ab 1635 neben Den Ordinarissen Postilioen auch die französische Version Le Postillon Ordinaire erhältlich. Durch eine angepasste Lizenzpolitik verdrängte in den südlichen Niederlanden die französischsprachige Presse die niederländischsprachigen Zeitungen während der österreichischen Zeit.
Anfänglich berichtete die Presse vornehmlich über Militär, Politik und Wirtschaft. Nach Napoleons endgültiger Niederlage nahm die Berichterstattung zu militärischen Ereignissen ab und die Zeitungen befassten sich vorzugsweise mit ökonomischen und gesellschaftlichen Themen. So veröffentlichten sie gesetzliche Bestimmungen, Ausschreibungen, Ernennungen und Entlassungen. Sie enthielten Mitteilungen zur Wehrpflicht und schrieben über Angelegenheiten inländischer und ausländischer prominenter Persönlichkeiten wie Geburtstagsfeste, Hochzeiten, Bootsfahrten oder Reittouren. Zudem sind nach der französischen Zeit bereits kritische Stellungnahmen in Leserbriefen und in Buchbesprechungen zu finden, erste Beispiele literarischer Kritik durch Journalisten stammen von 1814.
Bis zur ersten Hälfte des 19. Jh. mussten die Herausgeber von Zeitungen behördliche Vorschriften strikt beachten. Immerhin hatten sich die courantiers (‚Journalisten‘) in der Republik, wo ein wirksamer nationaler Regierungsapparat fehlte, mehr Freiheiten erlaubt als ihre Kollegen im Ausland, wie Klagen europäischer Grossmächte über die holländische Presse belegen. Indem die städtischen Behörden Lizenzen zur Herausgabe von Zeitungen erteilten und sie mit dem dagbladzegel (‚Zeitungsstempel‘) besteuerten, hielten die Herrschenden die Presse dennoch in Schach. Eine zusätzliche Besteuerung von Papier bewirkte eine weitere Einschränkung der journalistischen Arbeit. Trotzdem begann mancher Journalist im letzten Viertel des 18. Jh., Standpunkte zu formulieren und gar die Bevölkerung gegen den Statthalter aufzustacheln, so im ersten niederländischen opinieblad (‚Meinungsbildende Zeitschrift‘) De Post van den Neder-Rhijn. Dieses patriotische Wochenblatt, an dem auch der Dichter Jacobus Bellamy (1757–1786, vgl. 2.3.2.1.) mitwirkte, wurde aber nach der Wiederherstellung der Macht Wilhelms V. 1787 verboten. Drei Jahre nach der Revolution nahm die Nationalversammlung am 18. März 1798 ein Grundgesetz an, das die Pressefreiheit in der neuen Republik theoretisch garantierte, 1791 wurde sie durch eine staatliche Regelung bekräftigt. Da aber die Obrigkeit bald gegen Journalisten einschritt, die nach ihrer Auffassung dieses Grundrecht missbrauchten, beseitigte sie in der Praxis die ‚heilig‘ erklärte Pressefreiheit. Während Ludwig Napoleons Herrschaft durften die Zeitungen keine politischen Aufsätze mehr veröffentlichen, nach der Einverleibung des Nordens beherrschten die neuen Machthaber die Presse vollständig.
In den zentral regierten südlichen Niederlanden mussten die gazettiers ihre Texte vor der Veröffentlichung dem offiziellen Zensor vorlegen. Dennoch ist auch hier eine gewisse Pressefreiheit im letzten Viertel des 18. Jh. festzustellen, als Joseph II. versuchte, die zentralistische Macht zu verstärken (vgl. 2.1.1.). Die Revolution Brabants 1789 bewirkte aber, dass nur noch konservative Zeitungen erscheinen konnten. Nach dem Einmarsch der Revolutionäre lösten 1792 revolutionäre Blätter die kaisertreuen Zeitungen im Süden ab. Sie sollten sich nach dem kurzen Zwischenspiel der österreichischen Restauration erneut behaupten, als Frankreich die südlichen Provinzen 1795 annektierte. Nun machten die provinziellen Pressemonopole einer strengen Zensur Platz, mehrere Zeitungen machten Bankrott. Als Oppositionelle in der französischen Zeit anfingen, ihre Auffassungen in meistens anonymen Pamphleten zu verkünden, schritten die Behörden ein. Fortan überwachte die Polizei Drucker und Presse scharf, über zwanzig Zeitungen erhielten ein Publikationsverbot, mehrere Journalisten wurden festgesetzt oder gar deportiert. Niederländischsprachige Zeitungen durften nur noch mit französischen Übersetzungen erscheinen, in der Folge nahm die Zahl der Abonnenten sofort ab. Zwar konnten sich die lokalen Zeitungen im Süden dank einer Lockerung der Massnahmen im ersten Jahrzehnt des 19. Jh. vorübergehend erholen, ab 1810 beaufsichtigten die Behörden die Presse mit äusserster Strenge. Erneut brauchten politische Gegner Pamphlete als Ventil, um ihre Standpunkte kundzutun.
Die Eroberung der ehemaligen VOC-Niederlassung am Kap der Guten Hoffnung durch die Briten 1795 erleichterte die Entstehung der Presse im Süden Afrikas. Als ein Jahr später die erste Druckpresse eingeführt war, konnte der deutsche Buchbinder J.C. Ritter mit dem Drucken von Texten beginnen. Zwar wurde Englisch vorübergehend die offizielle Sprache der bunten Gesellschaft im Süden Afrikas, das Niederländisch ging allerdings nicht verloren, wie O. Praamstra darlegt. Die Einwohner, die u.a. aus den Niederlanden, Frankreich und Deutschland stammten, sprachen nach wie vor ein kreolisiertes Niederländisch, das zuerst Afrikaans-Hollands (‚Afrikaans Holländisch‘), später Afrikaans (‚Afrikaans‘) hiess. 1800 erschien als erste Zeitung in Kapstadt die zweisprachige The Cape Town Gazette and African Advertiser/Kaapsche Stads Courant en Afrikaansche Berigter (‚Kapstad-Zeitung und afrikanischer Anzeiger‘). Als das Gebiet von 1803 bis 1806 der Bataafse Republiek gehörte, wurde die Zeitung unter der Bezeichnung Kaapsche Courant veröffentlicht, danach hatte sie während der englischen Besatzung wieder den früheren Namen.
Die Entfaltung der Presse und der Literatur am Kap gingen Hand in Hand, wie O. Praamstra festhält. Bezeichnenderweise warb die Kaapsche Courant, die sich stark auf das von den Franzosen besetzte Vaterland ausrichtete, in Gedichtform um finanzielle Unterstützung der Bewohner der heruntergewirtschafteten Republik:
Komt, Edele Zuid-Africaanen!
Komt, toont uw’ edelmoedigheid,
Helpt ook het lot van hun verlichten,
Wier bitt’re nood om bijstand schreit …
Het Moederland zo fel geteisterd,
Door bange Krijg, bij keer op keer,
Vindt onder Africa’s banieren,
Gewis haar eigen kind’ren weêr!
(E. Conradie 1934, 225)
(Kommt, Edle Süd-Afrikaner/Kommt, Zeigt Euere Grossherzigkeit,/Helft auch das Los von jenen zu erleichtern,/deren bittere Not weinend um Unterstützung fleht…/
Das Mutterland das immer wieder so stark/vom fürchterlichen Krieg heimgesucht wird,/findet unter Afrikas Bannern,/bestimmt seine eigenen Kinder wieder!/)
Ab 1826 erschien die Kaapsche Courant nur noch englischsprachig als The Cape of Good Hope Government Gazette. Im gleichen Jahr gründete Joseph Suasso de Lima die niederländische Wochenzeitung Cultureel Weekblad De Verzamelaar (‚Kulturelles Wochenblatt Der Sammler‘), die später den Namen Kaapsche Courant, Afrikaansche Berigter of De Verzamelaar (‚Zeitung des Kaps, Afrikanischer Anzeiger oder Der Versammler‘) erhielt.
In den niederländischen Zeitungen sind nach der französischen Zeit erste kritische Stellungnahmen zu gesellschaftlichen Fragen zu finden, zudem ergaben sich Auseinandersetzungen zwischen Journalisten und Behörden. Sie kündigen die Emanzipation der Bürger an, die eine Entstehung politischer Gruppierungen in der zweiten Hälfte des 19. Jh. ermöglichte. Anfänglich hatten Journalisten aber noch immer mit einer kontrollierenden Obrigkeit zu rechnen, umso mehr als Wilhelm I., Herrscher des neuen Königreichs, Kritik an seiner Politik nur schwer ertrug. Als aufgeklärter Despot verstand er die Presse höchstens als doelmatig middel tot uitbreiding van kennis en voortgang van verlichting (‚zweckmässiges Mittel zur Erweiterung von Wissen und zum Fortgang der Aufklärung‘, vgl. Schneider 1979, 122), wie es im neuen Grundgesetz hiess. Nach Auffassung der Behörden missbrauchten liberale und römisch-katholische Zeitungen somit die Meinungsfreiheit, als sie sich in den Zwanzigerjahren der lokalen oder nationalen Politik widersetzten. Der Justizminister C. F. van Maanen schritt denn auch ein, Joachim le Sage ten Broek, Nestor der römisch-katholischen Presse in den Niederlanden und Verfechter der Pressefreiheit, liess er gar einsperren.
Aus unterschiedlichen Gründen ist anzunehmen, dass die gegängelte Presse nur eine bescheidene Rolle bei der Verbreitung des AN während der französischen Zeit wie auch im Zeitalter des Vereinten Königreichs spielte. So konnten sich lediglich begüterte Bürger Zeitungen leisten, die durch die 1812 eingeführte Zeitungssteuer noch kostspieliger wurden. Auch wenn die courantiers durch die Herausgabe von lilliputterkranten, kleinformatigen Zeitungen, versuchten die Stempelsteuer zu umgehen, so kann die Zeitungspresse in dieser Zeit nicht als ein Medium eingestuft werden, das die Verwendung der Schriftsprache durch die breite Masse bewirkte. Ohnehin las eine grosse Mehrheit der Bevölkerung wohl kaum, sieht man vom Lesen aus der Bibel ab. Bezeichnenderweise missbilligten sowohl protestantische als auch römisch-katholische Geistliche einen nutzlosen Zeitvertreib wie Lesen: es machte die Leute faul und brachte sie nur auf dumme Gedanken, vgl. u.a. M. Mathijsen 1996. Somit dürften die Zeitungen wie auch die Flugblätter mit ihren eher knappen Texten für die Festigung des AN von geringerer Bedeutung gewesen sein.
Erst am Ende der Zwanzigerjahre des 19. Jh. zeichneten sich eingreifende Änderungen im Zeitungswesen ab. Es liess sich nun, wie R. de Graaf festhält, eine politische und gesellschaftliche Bewusstwerdung in der Berichterstattung feststellen, oppositionelle Zeitungen kamen auf. Sie kündigten die Entstehung der Massenpresse an, die mit neuen Inhalten das traditionelle Muster herkömmlicher Stadtzeitungen durchbrach. Die Zeitungen übernahmen nun neue Funktionen, sie fingen an, kritische Analysen zu veröffentlichen und sich an ein breiteres Publikum zu richten. So sollte die Presse grössere Bevölkerungsschichten mit dem AN vertraut machten, vgl. 3.1.2.2.1.