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KULTURELLE URSPRÜNGE

Es gab eine Zeit, in der es auch im mitteleuropäischen Raum selbstverständlich war, alles in der Natur als beseelt zu betrachten, sich mit Tier- und Pflanzengeistern in Verbindung zu setzen, Jahreskreisfeste zu feiern, Bräuche und Riten hochzuhalten und sich im stillen Zwiegespräch mit dem Heiligen auszutauschen. Man sprach mit seiner Kuh, mit den Ähren auf dem Feld, mit den Elementen, die jede Pflanze zum Wachstum benötigt, und mit den raunenden Fichten im Wald. Die Menschen ehrten die natürlichen Kräfte des Lebens mit Gebeten und Gesang, Musik und kleinen Opfergaben. Das Leben war reich und bunt und jedes Kind wusste: Alles hat eine Seele, und daher kann ich auch mit allem Kontakt aufnehmen, was eine Seele hat.

Ein solches Weltbild kennen wir heute nur noch von sogenannten Naturvölkern. Und doch ist diese uralte Sichtweise einer schamanischen Kultur unser Ursprung. Genau hier liegen unsere Wurzeln verborgen, nach denen sich heute so viele Menschen sehnen – die Wurzeln eines natürlichen Lebens und der innigen Verbundenheit mit der Natur, die uns in unserer entfremdeten und technokratischen Gesellschaft abhandengekommen zu sein scheinen.

HALT HABEN IM LEBEN

Vielleicht wünschen auch Sie sich einen Zugang zur Natur und zu sich selbst, der Sie wieder ganz im Hier und Jetzt ankommen lässt, der Sie Ihr Potenzial im Einklang mit Ihrer Seele leben lässt. Vielleicht spüren Sie instinktiv, dass Ihnen der Zugang zu Ihren Wurzeln ermöglichen wird, sich auf dieser Welt mehr zu Hause zu fühlen, Ihren Platz einzunehmen und in Ihre Kraft hineinzuwachsen.

Wie ein Baum, der hoch in den Himmel wachsen will, brauchen auch Sie tiefe und weitreichende Wurzeln, um in Ihrem Leben Halt zu haben. Diese Wurzeln können Sie in einer schamanisch geprägten Spiritualität entdecken: Hier werden Sie Ihren Vorfahren aus längst vergangenen Zeiten begegnen, deren Sicht der Dinge kennenlernen und das für Sie Gute und Brauchbare nach eingehender Prüfung in Ihren Alltag übernehmen können. Ebenso werden Sie die Verbindung zur Welt und ihren zahlreichen Wesen intensiver spüren. Und vor allem werden Sie sich selbst mit jedem Ritual, mit jeder Meditation, mit jeder schamanischen Reise besser kennenlernen. Sie werden wissen, wer Sie wirklich sind, und von diesem sicheren Standort aus die Welt in all ihren Facetten freudvoll erforschen können.

Das Buch, das Sie in Händen halten, begleitet Sie auf diesem Weg. Nach und nach lernen Sie unterschiedliche Methoden kennen – mit vielen gleich umsetzbaren Übungen sowie mit Erfahrungsberichten und Hintergrundwissen zu Ursprüngen und Traditionen. Der Schamanismus ist keine exotische Angelegenheit. Es braucht fürs Erste nur einen Perspektivwechsel. Sie können hier und jetzt damit beginnen.

DIE ERSTE SPIRITUALITÄT

Die Menschheit hat ihre Ursprünge im afrikanischen Raum. Dort lebten wir, jagten, sammelten und machten uns auf, dem Horizont entgegenzulaufen. Wir folgten den Tierherden, lebten in inniger Beziehung zur Natur und erhielten von ihr alles, was wir zum Leben brauchten. Wir waren gleichsam neugierige Kinder und wollten wissen, wie es in der Ferne aussieht, wie dieser Berg beschaffen war, wohin jener Fluss führte. Unsere nackten Füße berührten die Erde, brachten uns zunächst nach Norden, dann nach Westen und nach Osten. Wir konnten uns anpassen, konnten überall leben und zu Hause sein.

Gleichzeitig überlegten wir, was das große Gewölbe über uns sei, das tagsüber vom Licht der Sonne erfüllt war und nachts von Myriaden Sternen verziert wurde. Wir fragten uns, was nach dem Tod mit uns und was mit den Seelen der Tiere, die wir töteten, geschehen würde. Wir sahen riesige Tierherden, erlebten Gewitter und Stürme, das Meer und die Wüste, spürten den Wind und den Schnee, Feuer und Eis. Überall, so wurde uns schnell klar, war das Leben gegenwärtig. Alles war lebendig, alles hatte eine Seele, alles war beseelt. Und aus dieser Erkenntnis, diesem Ahnen der Zusammenhänge der Welt erwuchs die erste Form von Spiritualität: Der Schamanismus war geboren und er verbreitete sich in unterschiedlichen Ausprägungen.

Dieser spirituelle Weg war lange Zeit der einzige Weg, den Menschen kannten, bis sich dann viel später andere – spirituelle und religiöse – Wege entwickelten, die, so sinnvoll manches war, was sie lehrten, doch oftmals den Kontakt zur Welt der Natur verloren.

Während schamanische Strukturen in manchen Teilen der Welt verschwanden und durch neue Vorstellungen abgelöst wurden, hielten sie sich andernorts – wenn auch manchmal versteckt in Religionen – bis auf den heutigen Tag. Auch in Nord- und Mitteleuropa finden sich noch schamanische Vorstellungen und Praktiken im Volksbrauchtum. Als sich das Christentum durchsetzte und die alten Religionen verdrängte, blieben manche schamanischen Überlieferungen erhalten, beispielsweise bei Kräuterkundigen und Hebammen und überhaupt in dem, was von der Kirche gern als »Aberglaube« bezeichnet wird.

Nur wer wirklich in Kontakt ist mit den eigenen Wurzeln, kann Identität entwickeln und dann viel besser andere Kulturen verstehen.

DOÑA EUFEMIA CHOLAC CHICOL | MAYA-PRIESTERIN AUS GUATEMALA

GANZ ZUR WELT GEHÖREN

Ehrfurcht vor den Kräften der Natur war all diesen alten Wegen eigen, und ich bin überzeugt, dass diese Ehrfurcht heute wieder gebraucht wird. Zum einen, um der Zerstörung dieser Welt entgegenzuwirken, zum anderen aber auch, um den Menschen an seiner Seele gesunden zu lassen, sodass er sich wieder dieser Welt zugehörig fühlt und ganz und heil werden kann.


ÜBUNG
Spürbar Teil von allem sein

Es gibt eine Sache, die immer bei Ihnen ist und die Sie mit allen Lebewesen verbindet: Ihr Atem. Sie atmen frische Luft ein, die von den Meeren und den Bäumen gereinigt wurde – Luft, die schon durch Milliarden menschliche und tierische Lungen geatmet wurde und immer wieder geatmet werden wird. So sind Sie Teil eines riesigen Kreislaufs.

Eine sehr gute Übung, sich dies bewusst zu machen, ist es, ganz präsent den eigenen Atem wahrzunehmen. Wählen Sie für diese Übung einen Ort, an dem Sie sich wohlfühlen und zur Ruhe kommen können. Das kann Ihr Wohnzimmer genauso gut wie ein Platz in der Natur sein.

 Setzen Sie sich möglichst aufrecht hin. Atmen Sie ein und aus.

 Beobachten Sie Ihren Atem eine Weile.

 Beginnen Sie dann zu visualisieren, dass Sie sich die Luft mit allen Wesen teilen und so mit der ganzen Welt verbunden sind.

Diese Übung können Sie machen, solange und sooft Sie möchten.

Wer wachsen will, braucht starke Wurzeln

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