Читать книгу Kampf der Gefühle - Jennifer Blake - Страница 11

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Siebtes Kapitel

»Praktisch, höchst praktisch«, stellte Gavin, lässig eine Augenbraue hochziehend, fest, als er das Ensemble in Augenschein nahm, in dem Ariadne zu ihrer zweiten Fechtstunde erschienen war, »überdies provokativ. Ist es als Ablenkung gedacht, oder soll es Ihre Entschlossenheit unter Beweis stellen?«

»Der Sinn der Sache ist lediglich, dass ich mich ungezwungener zu bewegen vermag. Und eine Reduzierung der Unterröcke haben Sie ja selbst vorgeschlagen.«

Sie schloss die Tür des langgestreckten garçonnière-Zimmers und trat auf ihn zu, wobei sie sich ihrer Aufmachung bewusster war, als ihr lieb war. Sie trug eine einfache Musselinbluse, die man über den Kopf ziehen musste und die weit aufklaffte, sofern man die einander überlappenden Teile des Ausschnitts nicht gut unter dem Gürtel befestigte. Die Ärmel hatte sie in Nachahmung des maître d‘armes bis zu den Ellbogen hochgekrempelt, damit ihre behandschuhten Händen nicht behindert waren, während sie das durch ihren Rock aus gelbbraunem Köper verlaufende Zugband, das normalerweise dazu diente, den Saum anzuheben, damit er nicht in Pfützen geriet, dazu benutzt hatte, den Rock bis über die Knöchel ihrer in weichen ledernen Halbstiefeln steckenden Füße zu ziehen. Ihren schweren Unterrock mit seiner Einlage aus gewebtem Pferdehaar hatte sie weggelassen und sich mit einem einzigen Unterrock begnügt, was der Sittsamkeit zumindest Genüge tat. Wenn Monsieur Blackford schon die Zurschaustellung von Handgelenken und Fußknöcheln für provokativ hielt, dann war sie äußerst gespannt, wie er auf das Ensemble reagieren würde, das sie am Tag zuvor in Auftrag gegeben hatte.

Nicht dass es irgendeine Rolle spielte, was er dachte. Es war bloß so, dass es von Nutzen sein konnte, wie er sie sah und was er von ihr hielt.

Gleichwohl machte das Feuer, das sie in den dunkelblauen Tiefen seiner Augen bemerkte, sie so verlegen, dass es ihr schwerfiel, sich zwanglos zu bewegen. Ihr war nur allzu bewusst, dass ihre Taille von keinerlei Korsett umschlossen wurde und nur die raffinierte Abnähung ihres Mieders ihre Brüste stützte, so dass diese sich bewegten, wenn sie ging, und gegen den Stoff rieben, was ein prickelndes Gefühl in den empfindlichen Spitzen hervorrief. Dass sie und der Fechtmeister abermals allein waren, durch zahlreiche Räume von Maurelle und ihren Gästen getrennt, stand ihr ebenfalls deutlich vor Augen.

Sie hätte darauf bestehen sollen, dass die Zofe Adele anwesend war. Der Gedanke war ihr zwar durch den Kopf gegangen, doch sie hatte ihn wieder verworfen. Aus Stolz widerstrebte es ihr, einen Dritten dabeizuhaben. Zumindest war das zum Teil der Grund. Schließlich war sie in diesem Sport ein Neuling, so dass sie sich naturgemäß ziemlich unbeholfen anstellte. Außerdem war sie kein junges Mädchen mehr, das ständig Aufsicht brauchte, und sie hielt es für besser, keinen Präzedenzfall zu schaffen. Irgendwann konnte der Zeitpunkt kommen, da sie es aus völlig anderen Gründen vorziehen würde, keinen Dritten dabeizuhaben.

»Das nenne ich wohlüberlegt«, sagte er, während er beobachtete, wie sie auf ihn zukam. »Nun, wenn Sie der Luftzug nicht stört – gegen den Anblick habe ich nicht das Geringste einzuwenden.«

Sie presste die Lippen aufeinander. Mochte er sie ansehen, so viel er wollte. Sie würde es ihm sogar gleichtun, damit er mitbekam, wie wenig ihr das ausmachte. Er hatte sich auf das Treffen wieder auf die Art und Weise vorbereitet, die sie nachgeahmt hatte, und stand in Hemdsärmeln vor ihr, während das Licht der Kerzen die dunkelgoldenen Wellen seines Haars aufschimmern ließ und tanzende Flammen in seinen Augen hervorrief. Der einzige Unterschied zu neulich bestand darin, dass er heute Abend Hosen trug, die mit einem Steg unter seinen Stiefeln aus weichem Leder befestigt waren. Letztere hatten dünne Sohlen, die es ihm zweifellos gestatten würden, sich mit größerer Leichtigkeit auf der Fechtbahn hin und her zu bewegen.

»Wollen wir anfangen?«, fragte sie, um sich sogleich zu räuspern, da ihre Stimme aus unerfindlichen Gründen heiser klang. »Sicher werden Sie froh sein, wenn Sie die Sache hinter sich haben, damit Sie den Rest des Abends genießen können.«

»Da täuschen Sie sich. Der heutige Abend ist mein raison d‘être, mein einziger Trost, und ich habe vor, ihn möglichst in die Länge zu ziehen. Zweifeln Sie etwa daran?«

»Offen gestanden, ja«, erwiderte sie. »Oder beabsichtigen Sie, mich nicht im Handumdrehen zu entwaffnen?«

»Das verdrießt Sie offenbar immer noch. Leidenschaft ohne Umgangsformen geht beim Fechten nicht an. Sie müssen Ihre Emotionen unter Kontrolle halten, madame, sonst werden Sie von ihnen überwältigt.«

Als ihr klar wurde, was er meinte, stieg Beklommenheit in ihr auf. Hatten seine Worte einen versteckten Hintersinn? Möglich war es, denn er war ja nicht dumm. Aber im Grunde konnte das nicht sein. Er konnte nichts von ihrem eigentlichen Plan wissen.

»Ich werde mich bemühen, daran zu denken«, sagte sie schließlich.

»Dann sollten wir uns jetzt bewaffnen.«

Er drehte sich dem Beistelltisch zu, auf dem neben dem Degenkasten Brustschutzvorrichtungen und Fechtmasken bereitlagen. Nachdem er ihr den kleineren, etwas kürzeren Brustschutz gereicht hatte, zeigte er ihr, wie man ihn festschnallte und wie man die mit einem Drahtgitter versehene Maske aufsetzte. Dann trat er zurück, um selbst ebenfalls Brustschutz und Maske anzulegen.

Während sie an den Metallverschlüssen des Brustschutzes nestelte, beobachtete sie ihn verstohlen. Hinter der Maske verborgen, wirkte er wie ein ganz anderer Mensch, fand sie. Die Vorrichtung beraubte ihn seiner Persönlichkeit, weil sie das Mienenspiel kaschierte, in dem sich seine jeweilige Stimmung ausdrückte. Seine Augen waren zu einem blauen Schimmer geworden, einem spöttischen Funkeln, das ihr, aber auch diesen Vorbereitungen oder sogar ihm selbst gelten mochte.

Auch er beobachtete sie offenbar, denn er nahm seine Maske wieder ab, kam zu ihr und zog seine Handschuhe aus, die er sich unter den Arm klemmte. »Gestatten Sie«, sagte er, schob ihre Hände beiseite und machte die Schnalle, mit der sie sich abgemüht hatte, mit raschen, geschickten Bewegungen fest.

»Danke«, sagte sie mit leicht zittriger Stimme. Er war ihr so nahe, viel zu nahe. Sein warmer männlicher Duft, in den sich der Geruch gestärkten Leinens mischte, hüllte sie förmlich ein.

»Widerstrebende Dankbarkeit«, stellte er in mildem Ton fest, »ist oft schlimmer als gar keine. Atmen Sie durch.«

Sie runzelte die Stirn, doch dann wurde ihr bewusst, dass er überprüfen wollte, wie der Brustschutz saß. Dieser war, wie sie bemerkte, als sie den Blick senkte, weiß und mit Daunen gefüllt, zweifellos damit man das Blut besser sah, wenn man versehentlich von einem Hieb aufgeritzt wurde. Sie füllte die Lungen mit Luft, um zu demonstrieren, dass sie in der Lage war, ohne besondere Anstrengung zu atmen.

Die gepolsterte Schutzvorrichtung hob sich. Er streckte die Arme aus, um sie zurechtzuziehen. Dabei streiften die Knöchel seiner Hände auf schockierend intime Weise ihren Bauch. Sie atmete noch tiefer durch, während in ihrem Innern ein warmes Gefühl entstand, das sich in ihrem Unterleib zusammenzog.

Ihre Blicke trafen sich. Er schaute nachdenklich drein, obwohl in den saphirblauen Tiefen seiner Augen noch etwas anderes lauerte, etwas, das er strikt unter Kontrolle hielt. Der Moment dehnte sich aus und wurde lediglich durch das Flackern einer Kerzenflamme sowie das Rattern einer Kutsche unterbrochen, die auf der Straße jenseits der Fenster vorüberfuhr. Auf fast schmerzliche Weise kam ihr seine ganze kraftvolle Männlichkeit zu Bewusstsein. Sie wollte von ihm wegtreten, schaffte es jedoch nicht, sich zu rühren. Es gelang ihr noch nicht einmal, irgendetwas zu sagen.

Sein Blick huschte nach unten, um dort zu verweilen. Als sie seinem Blick folgte, bemerkte sie, dass beim Zurechtrücken ihres Brustschutzes die Öffnung ihrer Bluse weiter nach unten gezogen worden war, so dass die oberen Kurven ihrer Brüste zu sehen waren. Etwas in seinem Gesicht ließ die Hitze in ihrem Unterleib auflodern und bewirkte, dass ihr die Röte ins Gesicht schoss. Gleichwohl weigerte sie sich, ihre Entblößung einzugestehen, indem sie Anstalten machte, sich zu bedecken.

Abrupt ließ er sie los und wandte sich ab, um seine Maske wieder aufzusetzen. Nachdem er seine Handschuhe angezogen hatte, nahm er sein Florett vom Tisch und trat auf die Fechtbahn.

Langsam folgte sie ihm, derweil sie die Finger spreizte und das Leder ihrer Handschuhe fester nach unten drückte. Sie hatte angenommen, die Handschuhe würden sie vor zufälligen Berührungen schützen, doch das war ein Irrtum gewesen. Die Frage, die sie jetzt beschäftigte, war, ob die Hilfe des Fechtmeisters gerade eben unvermeidlich gewesen oder ob sie vorsätzlich erfolgt war. Sie hatte den Eindruck, dass er nichts ohne Grund tat. Welchen Anlass konnte er haben, sie zu berühren, es sei denn, dass er sie aus der Fassung bringen wollte?

Das mit Leder umwickelte Heft des Floretts und die Metallglocke fühlten sich kalt an, als sie die Waffe aufnahm, die schwerer war, als sie es in Erinnerung hatte. Sie ließ sich jedoch nichts anmerken und begab sich ebenso gelassen wie der ihr gegenüberstehende Mann zu ihrem Platz auf der Fechtbahn. Doch irgendwo in ihrem Hinterkopf regten sich erste Zweifel. War es möglich, dass sie falsch kalkuliert hatte?

Als sie sich dem Fechtmeister zuwandte, hob und senkte er grüßend seine Klinge, während seine Augen hinter der Maske wachsam funkelten. Nachdem sie es ihm nachgetan hatte, ließ sie die Spitze ihres Floretts auf der Fechtbahn ruhen und wartete ab.

»Wir werden mit einer Reihe von leichten Schlägen gegen die Spitzen unserer Klingen beginnen«, sagte er, »Schlägen, die so sanft sind wie das Seufzen eines Liebenden und so zaghaft wie ein erster Kuss. Das Ganze soll eine vorsichtige Erkundung der Absichten und Neigungen des anderen sein, kein Angriff. Haben Sie verstanden?«

»Ich glaube schon.«

»Gut«, erwiderte er mit einer Stimme, die geschmeidig wie Honig war, um sogleich fortzufahren: »En garde.«

Sie streckte den Arm aus, um die Spitze seines Floretts mit der des ihren zu kreuzen. Sobald die Klingen einander berührt hatten, gab er das Startzeichen. Mehrere Sekunden lang tauschten sie Schlägen von der Art aus, wie er sie beschrieben hatte. Maßvoll und zurückhaltend, im gleichmäßigen Rhythmus eines Metronoms, klirrten ihre Klingen aufeinander. Dann machte er unversehens einen Ausfall, bei dem ihr Florett so zur Seite gedrückt wurde, dass die Spitze des seinen ihren Brustschutz berührte.

»Touché«, sagte sie, ihn mit festem Blick ansehend.

»Ausgezeichnet«, meinte er nickend. »Es ist immer eine Frage der Ehre, einen Treffer einzugestehen. Ein Fechter sollte einen Treffer, den er bei seinem Gegner gelandet hat, niemals selbst ansagen, denn das ist überheblich. Ebenso wenig sollte er sich nach einem erkundigen, den sein Gegner nicht eingestanden hat. Falls Sie einen Treffer ansagen sollten, den ich nicht für gültig halte, werde ich pas de touché erwidern, kein Treffer.«

»Verstehe.«

»Lassen Sie uns fortfahren. Diesmal machen Sie einen Ausfall.«

Sie tat, wie er ihr geheißen hatte, doch ihr Stoß wurde sofort von ihm pariert, so dass sie wieder in Verteidigungsstellung gehen musste. Wieder und wieder führten sie ihre Bewegungen aus, wieder und wieder schlugen ihre Klingen klirrend gegeneinander, bis er unvermittelt erneut zum Angriff überging und sie abermals spürte, wie die stumpfe Spitze seines Floretts gegen ihren Brustschutz prallte.

»Touché«, presste sie zwischen den Zähnen hervor.

»Exzellent. Und noch einmal.« Er wartete, bis sie ihr Florett gehoben hatte, um dann sogleich fortzufahren: »Fechten, müssen Sie wissen, kann wie ein lautloses Gespräch sein, eines, bei dem Sie Ihren Gegner besser kennenlernen. Sie spüren die Stärke seines Handgelenks, seine Willenskraft, das Ausmaß seiner Ausbildung, seine körperliche Verfassung, spüren, ob er sich für unbesiegbar oder lediglich für geschickt hält. All diese Dinge können sich auf das Ende einer phrase d‘armes auswirken.«

»Ja, verstehe.« Soweit sie es beurteilen konnte, war seine körperliche Verfassung superb, seine Stärke enorm. Zumindest brachte das beunruhigend gut funktionierende Spiel seiner Muskeln sie zu diesem Schluss. Das Ausmaß seiner Ausbildung vermochte sie nicht abzuschätzen, aber sie nahm an, dass er in keiner Weise an seiner Unbesiegbarkeit zweifelte. Die Nonchalance, mit der er den zwischen ihnen stattfindenden Waffengang im Griff hatte, war mehr als ärgerlich.

»Oder betrachten Sie das Ganze einmal wie einen Flirt«, fuhr er fort. »So wie Sie einem Verehrer nicht alle Ihre Empfindungen offenbaren würden, so gilt es auch beim Fechten als schlechte Strategie, dem Gegner diesen Vorteil zu gewähren. Sie müssen etwas von sich selbst in Reserve halten, damit er gezwungen ist, hin und her zu überlegen, damit ihm Zweifel kommen und er den Eindruck hat, keine Chance zu haben.«

Das Bild, das er heraufbeschwor, war beunruhigend. Gleichzeitig bewirkte ein irgendwie zärtlicher Unterton im Timbre seiner tiefen Stimme, dass ihr ein Schauder über den Arm lief. Sie hielt es für besser, der Sache ein Ende zu machen. »Und wenn er zu stürmisch wird?«

Er stieß ein Lachen aus. »Dann ist es Ihnen gestattet, ihm einen Klaps zu versetzen, um ihn in seine Schranken zu weisen.«

»Und dieser Methode bedienen Sie sich, um jungen Männern beizubringen, wie sie sich selbst verteidigen können.«

»Keineswegs. Bei denen sind die Instruktionen wesentlich direkter.«

»Warum machen Sie dann bei mir eine Ausnahme?«

»Meinen Sie, das sei herablassend? Oder finden Sie es beleidigend, dass ich das Ganze mit einem Flirt verglichen habe?«

Sie hätte viel darum gegeben, wenn sie sein Gesicht hätte sehen können. Es war frustrierend, nicht feststellen zu können, ob er wirklich mit ihr flirtete oder sie lediglich aufzog. »Weder, noch«, antwortete sie. »Ich versuche nur, den Stellenwert der Unterrichtsstunde zu ergründen.«

»In Ordnung«, gab er mit gelassener Stimme zurück. Kurz darauf berührte er sie wieder mit der Florettspitze, die direkt auf ihrer gepolsterten Brustwarze landete. Er trat zurück, musterte sie eindringlich und nickte.

Dann machten sie weiter.

Jetzt gab er endlose Ausführungen darüber zum Besten, wie man einen Ausfall machte, wie man parierte, wie man zum Gegenangriff überging. Er wies sie darauf hin, was an ihrer Haltung und ihren Bewegungen zu verbessern sei, und unterlief mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks ihre Abwehr, um ihr mit leichter, geschickter Hand einen Treffer zu versetzen.

Es war zum Verrücktwerden.

Ihr rechter Arm brannte wie Feuer. Ihre Lungen arbeiteten wie ein Blasebalg, und die Innenseite ihrer Maske wurde vom Dunst ihres Atems glitschig. Am liebsten hätte sie aufgegeben, doch das ließen ihre Sturheit und ihr Stolz nicht zu. Überdies sorgte die Unbändigkeit des Hasses, den sie für den ihr gegenüberstehenden Mann empfand, dafür, dass sie wieder und wieder das Florett hob.

»Sie möchten also gern Boadicea spielen und Ihren Feind tot zu Ihren Füßen sehen«, sagte er, nachdem sie eine Weile schweigend miteinander gekämpft hatten. »Was hat dieser Mann denn getan, dass es Sie so sehr danach verlangt, sein Blut zu vergießen?«

»Das geht Sie nichts an«, stieß sie atemlos und mit hämmerndem Herzen hervor.

»Obwohl ich dabei behilflich bin, die Waffe zu schmieden, die ihm zum Verhängnis werden soll?«

»So etwas machen Sie ... tagtäglich. Was kommt es da

... auf einen mehr an?« »Eine gute Frage, über die ich bei anderer Gelegenheit gern ausführlicher diskutieren würde. Im Moment bewegt mich eher die Sorge, dass Ihr Feind Sie leblos zurücklassen oder Ihnen das Gesicht oder die Brust aufschlitzen könnte. Wo bliebe dann die Glorie der Gerechtigkeit? Beziehungsweise meine Absolution?« »Ich möchte hoffen ... Absolution ist nicht erforderlich.« Die Tatsache, dass er in keiner Weise angestrengt, geschweige denn erschöpft wirkte, machte sie immer wütender.

»Oh, ein Ziel, aufs innigste zu wünschen. Aber ist diese Hoffnung auch gerechtfertigt?«

Seinen Worten folgte zwangsläufig ein weiterer Treffer, der diesmal genau in der Gegend ihres hämmernden Herzens landete.

Wie eine Flamme loderte ihre Wut auf, als sie zurücktrat, um die nach einem Treffer übliche Pause einzulegen. »Dafür müssen Sie sorgen«, sagte sie in scharfem Ton.

»Sich ohne einen Anhaltspunkt auf etwas vorzubereiten ist töricht. Es wäre nützlich zu wissen, was Sie antreibt.«

»Nichts, was Sie verstehen würden.«

»Versuchen Sie es trotzdem zu erklären. Vielleicht erleben Sie ja eine Überraschung mit mir.«

Obwohl seine Worte scherzhaft klangen, hatte seine ganze Körperhaltung, selbst die Art und Weise, wie er sein Florett hielt, etwas Herausforderndes. Er wartete, dass sie etwas sagte, und strahlte dabei ein derartiges Selbstbewusstsein aus, schien sich derart sicher zu sein, dass nichts, was sie tat oder von sich gab, ihm etwas anhaben konnte, dass sie ihn am liebsten auf der Stelle umgebracht hätte. Ganz plötzlich verspürte sie auch den Wunsch, dass er die Antwort auf seine Frage erfuhr.

»Er hat meinen Bruder getötet.«

»Getötet?«

»Er hat ihn in einem Duell niedergestochen, das so ungleich war, dass es sich eigentlich um Mord handelte.«

Er stand völlig reglos da. Sein Blick schien das Gitter ihrer Maske zu durchdringen. Im Raum war es so still, dass man hören konnte, wie der Regen aus den Dachrinnen des Hauses in den Hof klatschte. »Ungleich«, sagte er schließlich. »Das lässt darauf schließen, dass der Mörder über großes Können verfügt. Trotzdem erwarten Sie, Erfolg zu haben, wo Ihr Bruder gescheitert ist.«

»So ist es.«

»Dann gürten Sie Ihre Lenden und schärfen Sie Ihre Klinge, meine Kriegerkönigin, denn Sie werden alles nötig haben, was ich Ihnen beibringen kann. Das heißt, falls er sich Ihnen überhaupt zum Kampf stellt.«

Er nahm an, dass sie besiegt werden würde. Das Bedürfnis, ihn eines Besseren zu belehren, veranlasste sie, ihn in dem Moment, da er das Startsignal gab, zu attackieren. Mühelos wehrte er ihren Ausfall ab, ohne den Versuch zu unternehmen, ihre Deckung zu durchbrechen.

Wozu er durchaus in der Lage gewesen wäre, wie sie wusste. Dieser Umstand brachte sie noch mehr auf als die Treffer, die er ständig bei ihr gelandet hatte. Obwohl ihre Wut zunahm, ließen ihre Kräfte immer stärker nach, so dass ihre Stöße zusehends ungeschickter wurden. Trotzdem beendete er die Sache nicht, sondern ließ sie gewähren und gestattete ihr, blindwütig auf ihn einzuschlagen, bis sie nur noch keuchend zu atmen vermochte.

Gerade als sie zu einem letzten verzweifelten Ausfall ansetzte, ging der Knoten des Bands auf, mit dem sie ihren Rock gerafft hatte. Der Saum ihres Rocks sackte nach unten, die Spitze ihres Halbstiefels verfing sich im Stoff, und Ariadne stolperte. Vor ihren Augen blitzte Stahl auf, zischte an ihr vorbei und streifte ihren Arm, während sie fiel. Mit einem leisen Schrei ließ sie ihr Florett fallen und streckte die Hand aus, um ihren Sturz abzufangen.

Starke Hände fingen sie auf, packten sie mit festem Griff und ließen sie auf die Fechtbahn nieder. Benommen, wie sie war, gestattete sie das im ersten Moment und war sogar dankbar dafür. Dann rappelte sie sich jedoch auf die Knie hoch und versuchte, sich dem Griff Gavin Blackfords zu entwinden, der vor ihr kniete.

»Halten Sie still«, sagte er in befehlendem Ton. »Lassen Sie mich nachsehen, wo ich Sie verletzt habe.«

Erst in dem Moment wurde ihr bewusst, dass er ihren Arm direkt oberhalb der Handschuhmanschette festhielt, derweil juwelengleiche Blutstropfen zwischen seinen Fingern hervorquollen. Sie erstarrte und sah ihn bestürzt an.

Er langte nach oben und nahm seine Fechtmaske ab, als sei sie ihm im Weg. Nachdem er sie hatte fallen lassen, wandte er sich ihrem Handschuh zu und streifte ihr das weiche Leder vorsichtig von der Hand. Dann lockerte er seinen Griff um ihr Handgelenk, um den Schaden, den er angerichtet hatte, in Augenschein zu nehmen.

Statt auf ihren Arm zu blicken, betrachtete Ariadne den Mann, der ihn festhielt. Sein Gesicht war kreidebleich, was die Knochen stärker hervortreten und seine Augenhöhlen tiefer wirken ließ, so dass das glitzernde Blau seiner Augen halb verborgen war. Sein Haar war stellenweise vom Band seiner Fechtmaske eingedrückt und hing ihm in goldenen, schweißfeuchten Strähnen im Nacken. Obwohl das Atmen ihm Mühe zu bereiten schien, hielt er ihren Arm mit ruhigem Griff fest.

Nachdem er mit gedämpfter Stimme einen deftigen Fluch ausgestoßen hatte, beugte er sich von ihr weg, um mit seiner freien Hand seinen Gehrock vom Beistelltisch zu angeln. Er nahm ein zusammengelegtes Taschentuch aus der Innentasche und schüttelte es aus. Dann breitete er es über seinem Schenkel aus, faltete es geschickt mit einer Hand und presste es rasch auf die Wunde. Anschließend legte er ihr Handgelenk auf sein gebeugtes Knie, ließ sie los, wickelte ihr das Taschentuch um den Arm und verknotete es sorgfältig.

»Der Schnitt geht nicht sehr tief, und eine Arterie ist, glaube ich, auch nicht verletzt worden«, sagte er, wobei seine Wimpern seinen Blick verschatteten, »aber es wird wahrscheinlich wehtun.«

»Das macht mir nichts aus.«

»Aber mir. Auch wenn ich gelegentlich tölpelhaft sein mag, gehört es nicht zu meiner Art, meine Schüler zu verstümmeln.«

»Es war ja nicht Ihre Schuld«, erwiderte sie, weil sie fair sein wollte und die Zerknirschung in seiner Stimme sie seltsam aufwühlte.

»Nein?« Er sah sie mit düsterer Miene an. »Meine Zunge ist nur zu oft mein Ruin. Ich hatte vor, die Notwendigkeit, seinen Zorn im Zaum zu halten, zu demonstrieren. Stattdessen wird mir meine Fehlbarkeit vor Augen geführt. Wieder einmal.«

»Sie konnten doch nicht wissen, dass ich stolpern würde.«

»Ich hätte aber die Möglichkeit voraussehen müssen. Zumindest werden Sie jetzt verstehen, warum diese Beschäftigung für Frauen ungeeignet ist. Narben stehen dem schönen Geschlecht nicht.«

»Die Wunde wird heilen«, gab sie gelassen zurück.

»Gewiss, und ein Ärmel wird das, was zurückbleibt, parfaitement verbergen. Aber was soll die Wunde, die meine Seele erhalten hat, kaschieren oder heilen?«

Plötzlich empfand sie es als unerträglich, dass die Maske ihren Blick behinderte. Sie wollte, sie musste sehen, was die Qual verursachte, die in seiner Stimme mitschwang. Außerdem schien das Drahtgeflecht sie beim Atmen zu stören. Das musste der Grund für das Schwindelgefühl sein, das sie befallen hatte, das Schwächegefühl, das ihren Arm, der immer noch auf seinem Knie lag, erzittern ließ.

Sie langte mit ihrer freien Hand nach oben, um die Maske abzunehmen. Während der Fechtübungen hatten sich ihre Haarnadeln gelockert, so dass sich ihre Haare im Band der Maske verfingen, um sich anschließend über ihren Brustschutz zu ergießen, während ihr zahllose Haarnadeln in den Schoß regneten.

In dem Moment flog die Tür des Zimmers auf, und ein Mann trat ein. Abrupt machte er halt, als sei er in eine Degenspitze gerannt.

»Das also soll eine Fechtstunde sein, ja?«, fragte Sascha mit argwohngetränkter Stimme. »Ich kann mich nicht erinnern, dass mein eigener Unterricht so romantisch war.«

Kampf der Gefühle

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