Читать книгу Kampf der Gefühle - Jennifer Blake - Страница 9

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Fünftes Kapitel

»Mon cher! Wie früh Sie auf sind! Haben Sie schon etwas gegessen? Möchten Sie einen Kaffee? Solon, eine Tasse für Monsieur Blackford.«

Gavin musterte Maurelle mit einem ironischen Lächeln, denn es war bereits Mittag. Gleichwohl vermochte er den kecken Anblick, den Maurelle en déshabille bot, voll zu goutieren. Um ihr Haar war ein weicher orientalischer Turban geschlungen, wie sie in dieser Saison Mode waren, während ihre üppigen Formen von einer exotischen blouse volante, einer Art weitem Kittel, aus rotbrauner und goldener Seide umflossen wurden. »Ich hoffe, ich störe Sie nicht, chère madame«, sagte er in schmeichlerischem Ton. »Die Zeit ist ein tückisches Ding. Ich dachte, es sei schon später, da ich im Laufe des Vormittags bereits ein halbes Dutzend Schüler empfangen habe.«

»Was für eine Energie und Ausdauer Sie doch haben! Und das an einem grauen Tag wie diesem, wo man so lange wie möglich im Bett bleiben sollte.« Sie schüttelte sich, während sie zusah, wie ihr Butler eine Tasse für Gavin hinstellte und gleichzeitig heißen Kaffee und heiße Milch einschenkte. »Vor allem wenn es am Abend zuvor so spät geworden ist. Das ist wirklich sehr unzivilisiert von Ihnen, mon cher. Stärken Sie sich mit einem Brötchen und erzählen Sie mir, was mir die Ehre Ihres Besuchs verschafft.«

Gavin lehnte das Brötchen ab, trank jedoch einen Schluck Milchkaffee, bevor er Maurelles Frage indirekt beantwortete. »Weilt Madame Faucher noch im Bett?«

»Aber nein! Sie ist fast so erpicht auf Morgenlicht und Regen wie Sie. Wie mir berichtet wurde, ist sie zusammen mit meiner Zofe Adele ausgegangen, um verschiedene Geschäfte aufzusuchen. Ihre eigene Zofe ist nämlich in Paris geblieben, weil sie überzeugt war, dass sie hier von Wilden massakriert werden würde. Ich meine mich zu erinnern, dass die liebe Ariadne etwas von einem Ensemble sagte, das sich für den Fechtunterricht eignet. Allerdings war ich schon halb eingeschlafen, als sie mir davon erzählte. Wollten Sie sie sprechen?«

»Ja, wenn es keine Umstände macht«, erwiderte er, »obwohl es mir recht gelegen kommt, mit Ihnen allein reden zu können. Haben Sie eine Ahnung, warum sie irgendeinem armen Teufel den Garaus machen und ihn aufspießen will?«

Maurelle, die gerade mit wohlwollendem Lächeln sein blassgelbes, mit einer Nadel aus Türkis befestigtes Halstuch betrachtete, sah ihn bestürzt an. »Wie kommen Sie denn darauf?«

»Weil sie statt seiner mich attackiert hat. Es macht mir nichts aus, in der Hitze des Gefechts den einen oder anderen Treffer abzubekommen, ich würde es aber vorziehen, mich darauf einstellen zu können.«

»Hat sie Sie etwa verletzt?«

»Nein, aber versucht hat sie es. Vielleicht können Sie mir verraten, wie klug oder unklug es ist, ihr zu helfen.«

»Sie kann doch nicht angenommen haben, dass sie es schaffen würde, Sie zu überwinden.«

»Falls sie es doch getan haben sollte, dann tut sie es jetzt nicht mehr.« Er machte eine Pause und runzelte die Stirn, weil er außerstande war, zu sagen, was genau in Ariadne Fauchers Kopf vor sich ging. Nach ihrem kurzen Kampf hätte sie ihm nicht mehr ein solches Rätsel sein dürfen. Es verdross ihn, dass er es nicht geschafft hatte herauszufinden, was sie antrieb oder wie weit sie gehen würde, um ihr Ziel zu erreichen. Die Heftigkeit, mit der sie auf ihn losgegangen war, hatte ihn derart überrascht, dass er keinen klaren Gedanken hatte fassen können. Das ärgerte ihn besonders. »Sollte ich also meinen Brustschutz lieber verkehrt herum tragen?«

Maurelle strich sich mit der Hand über die Schläfe. »Drücken Sie sich bitte so früh am Morgen nicht derart unklar aus, mon cher, denn dem bin ich nicht gewachsen. Wenn Sie damit meinen, ob sie die Verrücktheit besäße, jemanden in den Rücken zu stechen, dann lautet die Antwort ganz entschieden nein. Sie ist völlig normal.«

»Aber von unbändiger Wut erfüllt. Warum?«

»Das weiß ich nicht. Mir gegenüber hat sie diesen Fechtunterricht als Laune hingestellt, als Versuch, eine Mode ins Leben zu rufen.«

Gavin lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah Maurelle aufmerksam an, die seinem Blick jedoch auswich. Er hätte schwören können, dass sie um den Mund herum blass geworden war. »Und wenn Sie vermuteten, dass mehr dahintersteckt, würden Sie es mir nicht verraten.«

»Aber, mon cher!«

»Oder?«

»Ganz gewiss nicht ohne ihre Erlaubnis. Ich bemühe mich nämlich, meinen Freunden gegenüber loyal zu sein.« Nachdem sie ihren Turban so zurechtgerückt hatte, dass er vorteilhafter saß, langte sie nach einem Brötchen.

Das war, wie er zugeben musste, in der Tat der Fall. Maurelle liebte Klatsch und Tratsch über alles, hielt sich bei solchen Dingen jedoch an einen persönlichen Ehrenkodex, der so strikt war wie der, den die Fechtmeister befolgten. »Sie müssen die Dame schon seit einiger Zeit kennen, wenn sie Ihnen so lieb und teuer ist.«

»Seit etlichen Jahren. Wir haben uns in Paris kennengelernt, bei einem meiner Aufenthalte dort.«

»Ihr Akzent ist aber nicht pariserisch.«

»Ihre Familie stammt aus Louisiana, von irgendwo flussaufwärts, glaube ich. Als wir miteinander bekannt wurden, hatte sie gerade das Oberhaupt einer Bankiersfamilie geheiratet, die in Frankreich einiges Ansehen genießt. Ihre Eltern waren hierher zurückgekehrt, und da sie in Paris niemanden kannte, ja, selbst ihren Ehemann kaum kannte, fühlte sie sich einsam.«

»Eine arrangierte Ehe, wenn ich es recht verstehe.«

»Und eine exzellente Verbindung, obwohl ihr Mann an Schwindsucht litt. Jean Marc Faucher war ein entfernter Verwandter ihres Vaters, ein freundlicher, sanfter Mensch von hoher Intelligenz und großer Bildung. Möglicherweise hoffte er, noch ein Kind zeugen zu können, aber das hat nicht sollen sein.«

»Das hört sich kaum nach einem Mann an, der seine Frau dazu bringt, eine Abneigung gegen Männer zu fassen.«

»Ganz gewiss nicht.«

»Was ist mit ihrem Vater? Hat er sie gezwungen, in die Heirat einzuwilligen?«

Ein ironisches Lächeln umspielte Maurelles Lippen. »Was sind Sie doch für ein Romantiker, mon cher. Aber leider muss ich Ihnen sagen, dass Ariadne ihren Vater angebetet hat. Sie war stets darauf bedacht, ihm wirklich alles recht zu machen, und hatte nicht das Geringste gegen die Heirat einzuwenden. Um die Wahrheit zu sagen, war sie ...«

»Was?«, hakte er nach, als sie verstummte, derweil ein verlegener Ausdruck über ihr Gesicht huschte.

»Sie war in keiner Weise anderweitig gebunden und freute sich sehr darüber, in Frankreich leben zu können.«

»Nachdem es hier einen Skandal gegeben hatte?«

»Nichts dergleichen! Sie hat still und zurückgezogen auf dem Lande gelebt.«

»Schwer vorstellbar«, erwiderte er, an die soignierte Dame zurückdenkend, die er an jenem ersten Abend kennengelernt hatte.

»So ist es aber, das versichere ich Ihnen. Wenn Sie es unbedingt wissen wollen, ihre Eltern sind mit ihr ins Ausland gereist, weil sie meinten, sie sei zu zurückhaltend.«

»Zurückhaltend im Sinne von bleich und verzweifelt, weil sie sich nach einer verlorenen Liebe sehnte?« Er legte den Kopf schräg und wartete gespannt, ob Maurelle auf diese Bemerkung eingehen würde.

»Eher nach ihrem Bruder, dem sie sehr nahestand. Er hatte sie zu Hause zurückgelassen und war in die Stadt gekommen, um sich ein wenig gesellschaftlichen Schliff anzueignen.«

»Hier im Vieux Carré, meinen Sie.«

Sie nickte. »So sieht also ihre Lebensgeschichte aus, mon ami, so langweilig sie auch sein mag. Ich kann deshalb nur vermuten, dass Sie ihr den Gebrauch des Floretts irgendwie falsch erklärt haben. Oder dass Ihre eigensinnige Art sie so aufgebracht hat, dass ihre Gefühle mit ihr durchgegangen sind.«

»Mag sein«, räumte er in nachdenklichem Ton ein.

Maurelle zog bedeutungsvoll die Augenbrauen in die Höhe. »Was haben Sie denn gemacht?«

»Nichts, woran ich mich erinnern könnte, was somit bedeutet, dass ich das, was zwischen uns vorgefallen ist, vielleicht wiederholen muss, um es dann herauszufinden.«

»Monsieur Blackford!«

»Oh, machen Sie sich keine Sorgen, chère madame. Bei mir wird sie so sicher sein wie in Abrahams Schoß.«

Während sie ihn betrachtete, erschien ein merkwürdiger Ausdruck in ihren schönen Augen, der sich aus Genugtuung, Missbilligung und Faszination zusammensetzte. »Sie sind épris«, stellte sie mit weicher Stimme fest. »Wer hätte das gedacht? Unzählige Damen haben schon um Ihre Aufmerksamkeit geworben, und was stachelt Ihr Interesse an? Eine, der nur am Fechten gelegen ist – worin zweifellos ihr Reiz besteht, das heißt, in der Tatsache, dass sie keine Verwendung für Sie hat, die über Ihre Sachkenntnisse hinausginge. Wenn wir das gewusst hätten, hätten Sie sich mit der Unterweisung weiblicher Schüler ein Vermögen verdienen können.«

»Oder auch nicht«, gab er in trockenem Ton zurück. »Eine Schülerin halte ich für mehr als genug.«

»Sie streiten also nicht ab, dass Sie sehr von ihr angetan sind?«

»Natürlich streite ich es ab, was auch immer mir das nutzen mag. Neugier war schon immer mein Ruin, und jetzt, da ich aus meinem ennuí erwacht bin, stelle ich fest, dass Sie mir auf der Spur sind. Da muss ich sofort kapitulieren und hinnehmen, was auf mich zukommt.«

»Besonders wenn es sich um die betreffende Dame handelt. Verstehe«, erwiderte sie, irritiert von seiner leichtfertigen Art. »Nein, in der Hinsicht werde ich Ihnen nicht helfen. Ariadne hat auch ohne die Einmischung eines dreisten englischen Draufgängers schon genug Kummer gehabt.«

»Sie meinen, außer dem Dahinscheiden ihres Ehemanns?«

Maurelle neigte bejahend den Kopf. »Sowohl ihre Eltern als auch ihr Bruder sind gestorben.«

»Ach ja, das hat sie mir bereits erzählt. Eine wahre Epidemie des Unglücks, wie es scheint«, sagte er, um fast ohne Pause fortzufahren: »Dann ist sie jetzt also alleinstehend.«

»In gewisser Weise.«

Seine Gastgeberin zögerte, zuckte dann aber die Achseln, als sei das, was sie noch hatte hinzufügen wollen, zu unwichtig. Gavin ließ die Sache ebenfalls auf sich beruhen. Nachdem er sich erhoben hatte, ging er zu einem Beistelltisch, auf den Solon seinen Hut und seinen Stock gelegt hatte. »Aber immerhin hat sie Sie, madame. Und ich werde mein Möglichstes tun, um zu verhindern, dass jenes missratene Exemplar von Mann, das sich ihren Zorn zugezogen hat, ihr etwas zuleide tut. Das wird, wie ich Ihnen versichere, mein einziger Beitrag dazu sein, dass ihr Aufenthalt sich nützlich gestaltet und zur bleibenden Erinnerung wird.«

»Ach ja?«, murmelte Madame Maurelle Herriot und starrte ihm nachdenklich hinterher, nachdem er sich über ihre Hand gebeugt und aus dem Frühstückszimmer in die Galerie getreten war, die den Innenhof säumte, wo nach wie vor der Regen niederprasselte. »Tatsächlich?«

Obwohl Gavin die gemurmelte Bemerkung hörte, machte er sich nicht die Mühe zurückzublicken, geschweige denn eine Antwort zu geben.

Kampf der Gefühle

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