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Zweites Kapitel

Erst nachdem Ariadne die Hälfte des Raums und eine große Anzahl von Maurelles Gästen zwischen sich und den englischen Fechtmeister gebracht hatte, drehte sie den Kopf, um zu ihm zurückzuschauen. Er war überhaupt nicht so gewesen, wie sie es erwartet hatte. Seine Manieren waren so formvollendet wie seine ganze Person, was von einer Kultiviertheit zeugte, die in keiner Weise mit dem Bild übereinstimmte, das sie sich von seinem Beruf gemacht hatte. Sein blauer Gehrock und seine grauen Hosen saßen tadellos, seine weiße Seidenweste fiel ins Auge, ohne irgendwie protzig zu wirken. Sein Haar hatte den Schimmer alter Goldmünzen. Seine Augenbrauen, die ein wenig dunkler waren als sein Haar, waren dicht, ohne buschig zu sein, während sein Gesicht glattrasiert war, sah man einmal von den Koteletten ab, wie sie zurzeit die meisten Gentlemen trugen. Seine schwarzen Stiefel waren spiegelblank, die Knöpfe seiner Kleidung und seine Uhrkette waren zwar sehr schlicht, aber auf Hochglanz poliert. Kurzum, er wirkte derart wie aus dem Ei gepellt, dass seine Erscheinung wie ein bewusster Versuch anmutete, unerwünschte Aufmerksamkeit von sich abzulenken. Vielleicht war das Ganze aber auch nichts als Fassade, hinter der er seine wahre Natur verbarg.

Dann waren da noch seine Augen, die blau wie das karibische Meer waren und die vor Intelligenz funkelten, in denen sich aber auch Spottlust andeutete. Gleichzeitig wirkte sein Blick jedoch abgeschirmt und zurückhaltend. Sie befürchtete, dass er zu viel von dem, was sie gedacht und empfunden hatte, bemerkt hatte, obwohl sie sich nicht vorzustellen vermochte, wie ihm das gelungen sein sollte. Kurz darauf war sein Gesicht völlig ausdruckslos geworden, bar jeden menschlichen Gefühls, obgleich es nach wie vor fesselnd wirkte wie das Antlitz eines mächtigen Engels, den Gott aus dem Himmel verstoßen hatte. Wenn sie daran zurückdachte, wie er sie gemustert hatte – mit einem Blick, der alle ihre Geheimnisse zu ergründen schien –, lief ihr ein Schauder über den Rücken, und es kam ihr so vor, als gäben ihre Knie nach.

Sie hatte sich an Gavin Blackford gewandt und ihm das Versprechen abgerungen, auf ihren Wunsch einzugehen. Die Würfel waren gefallen.

»Nun, ma chère, ist der englische Fechtmeister damit einverstanden?«, fragte Maurelle mit ihrer trägen, ziemlich schwülen Stimme, während sie mit ihren raschelnden Kleidern neben ihr haltmachte. Sie trug eine Abendrobe aus blassgoldenem, mit cremefarbener Spitze besetztem Taft und war mit vielen Zitrinen und Diamanten geschmückt. Ihr Haar war hochgebunden, was die vorspringenden Wangenknochen sehr betonte, die verhinderten, dass ihr Gesicht zu rund wirkte. Wie die cremeweißen Kamelien, die in ihrem Haar steckten, stand sie in voller Blüte und gab in ihrer kurvenreichen Üppigkeit eine majestätische Erscheinung ab. Sie war wie Ariadne Witwe, ein Status, der ihr ebenso wie dieser zusagte.

Ariadne lächelte matt. »Ja. Allerdings musste ich ihm erst gut zureden.«

»Erstaunlich. Ich hätte um jede beliebige Summe gewettet, dass er ablehnt.«

»Zunächst habe ich das auch angenommen.«

»Und was hat ihn umgestimmt?«

Ariadne betrachtete ihren Fächer und klappte ihn zusammen, damit man den Schaden, den sie angerichtet hatte, nicht sah. »Ich wünschte, das wüsste ich.«

Sie war sich sicher, dass es besser gewesen war, ihn erst aus der Ferne zu beobachten, um ihn besser einschätzen zu können, bevor sie Maurelle gebeten hatte, ihm vorgestellt zu werden. Deshalb hatte sie ihm gegenüber mehr von ihren Ansichten preisgegeben, als sie eigentlich vorgehabt hatte, vielleicht sogar mehr, als klug war. Sowohl Maurelle als auch Sascha nahmen an, dass es eine Laune von ihr sei, fechten zu lernen. Nur sie und Gavin Blackford kannten ihren eigentlichen Plan, er allerdings nur zum Teil.

»Ich möchte dich darauf hinweisen, dass er morgen Abend herkommt«, fuhr sie nach einer kurzen Pause fort.

»Du meinst, um mit dem Unterricht zu beginnen? So bald? Parbleu, du musst ja großen Eindruck auf ihn gemacht haben!«

»Was soll das heißen?«

»Er ist nicht nur äußerst wählerisch, was Schüler angeht, es gibt auch eine lange Warteliste mit Leuten, die ganz erpicht darauf sind, ihm auf der Fechtbahn gegenüberzutreten.«

Ariadne gestattete sich ein zynisches Lächeln. »Vielleicht liegt es am Reiz des Neuen.«

»Oder daran, dass er auf eine neuartige Weise der Entlohnung hofft«, erwiderte Maurelle, indem sie amüsiert die vollen Lippen kräuselte.

»Da wird er eine Enttäuschung erleben.«

»Ach, ich weiß nicht recht. Du bist Witwe, und er ist doch ein prachtvolles Mannsbild. Diese Fechtmeister sind alle von imposanter Gestalt, da sie viele Stunden auf der Fechtbahn verbringen. Ihre Schultern sind breiter, ihre Schenkel fester als die anderer Gentlemen. Und ich bin mir sicher, dass er ein Ausbund an Diskretion ist.«

»Ich ... habe keine Zeit für Spielchen dieser Art.« Ariadne gab sich alle Mühe, das heiße, prickelnde Gefühl zu ignorieren, dass sie bei dem Gedanken an Gavin Blackfords Erwartungen durchströmte. »Außerdem bist du es, die ins Gerede geraten wird, wenn bekannt wird, dass er regelmäßig herkommt.«

Maurelle legte den Kopf schräg, während der amüsierte Ausdruck aus ihren Augen wich. »Möglicherweise, aber nur zu Anfang. Danach dürften die Klatschmäuler auf eine wahrscheinlichere Erklärung verfallen.« Sie machte eine Pause. »Bist du völlig sicher, dass du weißt, was du tust, ma chère? Es mag ja angehen, sich die Haltung eines Bohemiens zuzulegen, aber um einer Laune willen seinen guten Ruf zu opfern, steht auf einem ganz anderen Blatt.«

Die Warnung war durchaus ernst gemeint. Ariadne wusste, dass Maurelle sich mit dem Problem bestens auskannte, da sie seit Jahren den schwierigen Balanceakt vollbrachte, ungebunden zu leben und gleichzeitig ihren guten Ruf zu wahren. Nachdem sie in jungen Jahren mit einem wesentlich älteren Mann verheiratet worden war, war ihr das Witwentum mehr als willkommen gewesen, und sie hatte sich geschworen, daran festzuhalten. Obwohl sie darauf achtete, nie zu sehr gegen die Konventionen zu verstoßen, hatte sie einen bunt gemischten Kreis von Freunden, den sie regelmäßig bei sich empfing. Vielen davon – darunter auch den maîtres d‘armes – war der Zugang zu den traditionsgebundeneren Häusern des aristokratischen New Orleans verwehrt. Es ging das Gerücht, dass sie sich mindestens einmal einen Fechtmeister zum Geliebten genommen hatte, doch offenbar hatte sie nicht zugelassen, dass dieses Arrangement sie aus ihrer ruhigen Lebensbahn brachte.

Ariadne und Maurelle hatten sich vor einiger Zeit in Paris kennengelernt. Maurelle hatte der Stadt ihren jährlichen Besuch abgestattet, um Verwandte aufzusuchen und ihren Kleiderschrank wieder aufzufüllen, während Ariadne gerade erst begonnen hatte, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, weil Jean Marc darauf bestand, der Mann, mit dem sie erst seit einem Jahr verheiratet war und der damals schon an der Schwindsucht litt, der er schließlich erliegen sollte. Die Wege der beiden Frauen hatten sich auf einer Soirée gekreuzt, und Maurelle hatte um die Erlaubnis gebeten, Ariadne aufsuchen zu dürfen.

Während jenes nachmittäglichen Besuchs hatte sie von Ariadne erfahren, dass deren Pflegebruder Francis Dorelle bei einem geselligen Beisammensein auf Maison Blanche, Ariadnes Plantage, in einem Duell getötet worden war. Diese tränenreiche Situation stellte den Beginn ihrer Bekanntschaft dar. Und wie sich herausstellte, hatten sie vieles miteinander gemein – beide stammten sie aus Louisiana, beide zogen sie es vor, unabhängig zu sein, beide waren sie in gewisser Weise Opfer arrangierter Heiraten mit älteren Männern. Rasch waren sie Freundinnen geworden und hatten füreinander oft als Anstandsdame fungiert.

Auch nachdem Jean Marc gestorben war und Ariadne sich aus der Gesellschaft zurückgezogen hatte, um die erforderliche zweijährige Trauerzeit einzuhalten, hatte Maurelle sie bei ihren Parisaufenthalten besucht, um ihr den neuesten Klatsch aus New Orleans mitzuteilen – welche Dame ein Kind zur Welt gebracht hatte, das ihrem Mann in keiner Weise ähnelte, welche Dame auf Befehl ihres Mannes eine Europareise machen musste, welcher Gentleman die neueste Ballerina aus dem Théatre d‘Orléans aushielt. Sie beschlossen, dass Ariadne, sobald die Trauerzeit vorüber und Jean Marcs Nachlass geregelt war, zu Maurelle reisen würde, um ein neues Leben zu beginnen.

Diese Aussicht hatte dafür gesorgt, dass Ariadne in der Zeit, die sie in schwarzen Kleidern hatte zubringen müssen, nicht den Verstand verlor. Paris war ihr öde und grau vorgekommen, und die Verwandten ihres Mannes hatten sie ihre Missbilligung spüren lassen. Es empörte sie, dass Ariadne das Vermögen geerbt hatte, das Jean Marc als Hauptinvestor eines internationalen Bankhauses zusammengetragen hatte. Sie habe ihn ungebührlich beeinflusst, behaupteten die Verwandten, und ihn dazu gebracht, dass Vermögen nicht seinen Brüdern und Schwestern, Neffen und Nichten zu hinterlassen, die ein größeres Anrecht darauf hatten. Sie sei viel zu jung und unerfahren, um allein über einen solchen Reichtum zu verfügen. Sie solle in Paris bleiben, wo sie von den klugen Ratschlägen von Jean Marcs Bruder, dem neuen Oberhaupt der Familie, profitieren könne und wo man vor allem die Möglichkeit hatte, darüber zu wachen, dass sie keine neue Verbindung einging, die nicht die Billigung der Familie fand. Welchen Zweck sollte es denn haben, wenn sie irgendwo anders hinging? Ihre Familie in Louisiana, ihre Eltern und ihr Bruder, waren doch nicht mehr am Leben, n‘est-ce pas? Sie hatte doch keinen Grund, an solch einen ungesunden, unzivilisierten Ort zurückzukehren.

Doch da hatten sie sich geirrt, in fast jeder Hinsicht.

»Mein guter Ruf?«, erwiderte sie mit ironischem Lächeln. »Wen sollte der kümmern? Abgesehen von dir natürlich, meine liebe Maurelle.«

»Dich, ma chère, wie du feststellen wirst, falls du ihn verlieren solltest.«

Es war lieb von Maurelle, dass sie sich solche Sorgen machte. Es beunruhigte Ariadne und rief Schuldgefühle in ihr hervor, dass sie ihre Freundin in etwas hineinziehen könnte, dass dieser missfiel. Maurelle hatte sich zunächst gesträubt, sie Gavin Blackford vorzustellen, da sie wusste, dass Ariadnes Pflegebruder durch seinen Degen zu Tode gekommen war. Sie hatte sich nur deswegen dazu bereit erklärt, weil sie die Hoffnung hegte, dass eine nähere Bekanntschaft vielleicht zu einer Verständigung führte.

»Soll ich mir einen anderen Ort für diesen Unterricht suchen?«, fragte Ariadne. »Ich könnte in ein Hotel oder in eine andere Unterkunft ziehen, wenn dir das angenehmer ist.«

»Red nicht solchen Unsinn.« Maurelle schloss sie fest in ihre nach Jasmin duftenden Arme. »Wo ich doch darauf brenne zu erleben, wie es mit dir und Monsieur Blackford weitergeht. Das verspricht die seit Jahren aufregendste saison de visites zu werden.«

Voller Dankbarkeit erwiderte Ariadne die Umarmung ihrer Freundin, obwohl sie nicht gänzlich zufrieden war. Sie hoffte bloß, dass die ganze Angelegenheit sich nicht aufregender gestalten würde, als ihnen beiden lieb war.

Kampf der Gefühle

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