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Viertes Kapitel

Ihr Gesicht, ihr Gesicht ...

Gavin erstickte fast vor Lachen, als er versuchte, seine Belustigung zu unterdrücken. Seine sich so eisig und überlegen gebende Schülerin hätte nicht entsetzter dreinblicken können, wenn sie entdeckt hätte, dass er eine Giftschlange in der Hose hatte. Er war sicher, dass sie das vorgezogen hätte.

Gleichwohl hatte sie ihren Ausfall gut ausgeführt. Sie hatte ihn völlig überrumpelt, was seit seinen ersten Versuchen auf der Fechtbahn niemand mehr geschafft hatte. Sie war ausgezeichnet in Form gewesen, vor allem wenn man das Handicap in Betracht zog, das sich aus ihren Unterröcken, ihrem Korsett und den lächerlich eng anliegenden Ärmeln ergab, die, wie es die gegenwärtige Mode vorschrieb, eine Frau zu einem hilflosen, fragilen Wesen machten. Es war durchaus möglich, dass sie ihrem maître Ehre machen würde.

Nicht dass das etwas war, worauf er es anlegte. Von dem Moment an, da er die garçonnière betrat, hatte er vorgehabt, sie von ihrem Ziel, das Fechten zu erlernen, abzubringen. Jetzt freilich war er eher geneigt, diese Treffen fortzusetzen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal etwas so Unterhaltsames erlebt hatte. Und wenn er ehrlich sein sollte, so fragte er sich, was wohl erforderlich sein würde, um die Dame dazu zu bringen, ihn bereitwillig, ja, vielleicht sogar mit Vergnügen anzufassen.

Sein Sinneswandel war nicht zum geringen Teil auf das leidenschaftliche Aufblitzen zurückzuführen, das er in ihren Augen wahrgenommen und das seine Neugier geweckt hatte. Er hatte ganz entschieden den Eindruck, dass es ihr nichts ausgemacht hätte, ihn zu entmannen. In Anbetracht ihrer unnahbaren Haltung war das ein interessanter neuer Aspekt, den auszutesten er nicht abgeneigt war, wenn sich eine entsprechende Situation ergab.

Nachdem er seinem Gesicht einen gebührend ernsten Ausdruck verliehen hatte, wandte er sich wieder seiner Schülerin zu. »Verzeihen Sie, Madame Faucher. Mein Sinn für das Lächerliche geht manchmal mit mir durch.«

»Wollen Sie damit sagen, dass ich ...«

»Nein, nein, Sie verstehen mich falsch«, beruhigte er sie. »Heftigkeit beim Angriff ist eine gute Sache, setzt aber der Vollständigkeit halber eine Waffe voraus. Vielleicht sollten wir uns doch der Florette bedienen.«

»Ist das Ihr Ernst?«

»Ja«, antwortete er und trat zum Tisch, auf dem die im Kerzenlicht funkelnden Florette lagen. Nachdem er aufs Geratewohl eines ausgesucht hatte, reichte er es ihr, indem er das Heft über sein Handgelenk legte und sich verneigte.

Die Dame sah ihn nachdenklich an, als frage sie sich, was er im Schilde führe. Das konnte er ihr schwerlich verübeln, da er es selbst nicht genau wusste. Sie weiter auf die Probe zu stellen war vielleicht nur ein Vorwand, um den Unterricht zu verlängern. Aber das spielte keine Rolle. Er würde es trotzdem machen. Ein Kampf mit gekreuzten Klingen brachte die wahre Natur derjenigen, die darin verwickelt waren, zum Vorschein. Wenn sie fertig waren, würde er so gut wie alles über die junge Witwe Faucher wissen.

Sie hob das Kinn, als nehme sie die Herausforderung an, die sie in seinen Augen sah. Dann nahm sie das Florett an sich und trat voller Misstrauen rasch zurück. Er kam nicht umhin, das zu billigen. Sie hatte mehr Verstand, als sie wusste.

Statt sein eigenes Florett aufzunehmen, griff Gavin nach den Knöpfen seines zweireihigen Gehrocks und machte sie auf. Anschließend schlüpfte er aus dem eng anliegenden Kleidungsstück und warf es beiseite. Er nahm seine Uhr und die dazugehörige Kette aus der Westentasche, um beides auf den Tisch zu legen. Um es sich bequemer zu machen, hätte er es dabei belassen können, aber das passte ihm nicht. Er wusste, dass sie ihn beobachtete, denn aus den Augenwinkeln nahm er ihr angespanntes, blasses Gesicht wahr. Gemächlich machte er seine Westenknöpfe aus gedrehtem Glas auf und legte auch dieses Kleidungsstück ab. Es war natürlich ein Fauxpas, dass sich ein Gentleman in Hemdsärmeln vor einer Dame präsentierte, und er rechnete fast damit, dass sie sich abwandte, Protest bekundete, vielleicht sogar das Zimmer verließ. Sie tat jedoch nichts dergleichen, sondern stand lediglich mit angespanntem Gesichtsausdruck da und wartete.

Sein Impuls, festzustellen, ob er sie aus der Fassung zu bringen vermochte, war zweifellos niederträchtig. Während ein reuiges Lächeln seine Lippen umspielte, langte er nach seinem Halstuch aus weißer Seide, zog es auf und nahm es ab. Dann öffnete er in aller Ruhe die obersten beiden Knöpfe seines Hemdes.

»Unkonventionell, wie ich zugeben muss«, sagte er, als er sich daranmachte, die Manschetten seiner Ärmel zurückzuschlagen, und bemerkte, wie sich ihre Unterlippe kräuselte, »aber in der Regel fechte ich nicht in Abendkleidung.«

»Nur wenn die Ehre es verlangt, das ist mir schon klar. Lassen Sie sich von meiner Anwesenheit nicht stören.«

»Oh, das tue ich auch nicht, da dies ja wohl kaum eine gesellschaftliche Situation ist.«

»Genau.«

Das erinnerte ihn daran – falls er einer solchen Erinnerung bedurfte –, dass es für sie keine gemeinsame gesellschaftliche Basis gab. Dergleichen war auch nicht erforderlich. Nachdem er seine andere Manschette zurückgeschlagen hatte, nahm er sein Florett in die Hand und begab sich auf die Fechtbahn.

»Dies«, sagte er, mit der stumpfen Spitze seiner Klinge gegen das Segeltuch unter ihren Füßen klopfend, »ist im Moment unsere Welt. Wenn einer von uns von der Fechtbahn heruntertritt, ist der Kampf zu Ende, und derjenige, der die Bahn verlassen hat, hat verloren. Wenn Sie aufgeben wollen, brauchen Sie nur ein einziges Wort zu sagen, nämlich halt. Wenn ich Sie mit meinem Florett berühre, müssen Sie den Treffer bestätigen, indem Sie touché rufen. Ich werde es natürlich ebenso machen. Wir beginnen mit der Begrüßung. Danach nehmen wir die Ausgangsposition ein, die ich Ihnen gezeigt habe. Wenn ich den Befehl dazu gebe, heben wir unsere Waffen und kreuzen sie an der Spitze. Dann gebe ich das Startsignal. In dieser ersten Stunde wird Ihre Aufgabe lediglich darin bestehen, mich zu berühren. Dabei darf nur auf Stellen oberhalb der Gürtellinie gezielt werden.« Er machte eine Pause. »Und ich werde natürlich ebenfalls versuchen, Sie zu berühren. Aber ... nur oberhalb der Gürtellinie.«

Als ihr die Anspielung klar wurde, sah sie ihn mit einem Blick an, der so heiß wie die Feuer der Hölle brannte, während sich ihre Wangen mit glühender Röte überzogen. Das stellte ihn zufrieden. Wenn sie sich über ihn ärgerte, so würde das vielleicht die Befangenheit ausgleichen, die sie aufgrund ihres mangelnden Könnens empfand, und eventuell dazu führen, dass sie davon abließ, ihre natürlichen Instinkte zu zügeln.

Er hatte weder den üblichen Brustschutz noch Masken mitgebracht, da er nicht damit gerechnet hatte, schon heute Abend dafür Verwendung zu finden. Ihm schoss der Gedanke durch den Kopf, dass dieser Einführungskampf, diese phrase d‘armes, ohne derlei Dinge etwas von einem Duell hatte. Doch das machte nichts. Er hatte nicht die Absicht, der Dame auch nur ein Haar zu krümmen. Dass sie es schaffen könnte, ihn zu berühren, war so unwahrscheinlich, dass er es kaum in Betracht zog.

»Fertig?«, fragte er, indem er eine seiner Augenbrauen hochzog.

Sie nickte und umklammerte ihr Florett, als wolle sie es erwürgen.

»Gut.« Zischend ließ er sein Florett durch die Luft fahren, um es vors Gesicht zu halten und anschließend einen weiten Bogen zu beschreiben, während er sich auf ironische Weise vor ihr verbeugte. »Sie müssen mich ebenfalls begrüßen!«

Mit zusammengekniffenen Augen ahmte sie sein Tun nach. Er hatte den Eindruck, als zitterten ihre Lippen ein wenig, doch sie presste sie aufeinander und stand wartend da.

»En garde.«

Er hob seine Klinge. Sie streckte den Arm nach oben, schaffte es aber nicht ganz, sein Florett zu berühren, weil ihre Ärmel sie behinderten. Um ihr entgegenzukommen, ließ er die Spitze seiner Waffe ein Stück nach unten sinken.

Ein frustrierter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. Mit ihrer freien Hand langte sie nach dem engen grauen Ärmel und zog daran, um es sich bequemer zu machen, was jedoch nicht viel brachte. Stirnrunzelnd versuchte sie mehrmals, den Arm höher zu heben.

Es hatte den Anschein, als werde die gegenwärtige Mode ihr eine Niederlage bereiten. Gavin gab die Stellung, die er eingenommen hatte, auf.

»Warten Sie. Bitte«, sagte sie, ohne ihn unmittelbar anzusehen. Sie grub ihre Finger wie Krallen in den Stoff des Ärmels und zerrte daran, bis die Naht an der Schulter ein wenig nachgab. Sie zog von neuem, um die Naht gänzlich zu zerreißen. Dann streifte sie den engen Stoffschlauch vom Arm und warf ihn hinter sich. Als sie sich Gavin wieder zuwandte, spielte ein kühles Lächeln um ihre Lippen.

Gavin stand wie angewurzelt da und starrte die nackte Haut des Arms an, der aus ihrem zerfetzten Armloch ragte. Er hatte sich gefragt, ob der Rest ihres Körpers wohl denselben Perlmuttschimmer hatte wie ihr Hals und ihr Busen. Jetzt wusste er, dass das der Fall war, und die nonchalante Weise, in der sie ihren Arm seinem Blick darbot – so, als spiele es überhaupt keine Rolle, dass er ihn sah –, brachte sein Blut in Wallung. Wie es wohl sein würde, zuzusehen, wenn sie Schicht um Schicht ihrer Kleidung ablegte, um schließlich in nackter, strahlender Pracht dazustehen? Würde sie ihn davor warnen, sie zu berühren, oder ihn zu sich winken?

»En garde?«

Sie wartete darauf, dass sein Fechtarm in die Höhe ging. Wenn er Glück hatte, würde sie nicht bemerken, dass ein anderer Teil seiner Anatomie bereits diesen Zustand erreicht hatte. Es war ein großer Irrtum gewesen, seinen Gehrock abzulegen, hinter dem dieser Zustand verborgen geblieben wäre. Das musste er sich unbedingt merken, falls er noch einmal versuchen sollte, sie aus der Fassung zu bringen.

Nickend hob er sein Florett, um das der Dame an der Spitze zu kreuzen. Sie schien ihre Klinge ruhig in der Hand zu halten, gleichsam als hätte die kurze Unterbrechung ihr Selbstbewusstsein gestärkt. Umso besser für sie, dachte er wohlwollend.

»Fangen Sie an«, sagte er, ihr ermunternd zunickend.

Sie ging gezielt auf sein Herz los. Lippen und Zähne aufeinandergepresst, griff sie ihn mit aller Kraft und mörderischem Blick an. Ohne zunächst vorsichtig die Klinge mit ihm zu kreuzen, ohne zu erkunden, über welche Fähigkeiten er verfügte oder was er vorhatte, machte sie sofort einen Ausfall gegen sein Herz, der ihr fast gelungen wäre.

Er parierte den Stoß, bevor sein Gehirn in Gang kam. Nachdem er die Spitze ihres Floretts zur Seite geschlagen hatte, verteidigte er sich, indem er derart auf ihre Klinge einschlug, dass orangefarbene Funken auf den Fußboden regneten. Danach gab es nur eins zu tun, und er tat es mit erbarmungsloser Kompetenz. Er ging zum Gegenangriff über, fing ihre Klinge ab und drückte dagegen.

Sie schrie auf. Das Florett flog ihr in hohem Bogen aus der Hand, um anschließend mit dumpfem Klang auf dem Fußboden aufzuschlagen und davonzurollen.

»Was in Gottes Namen glauben Sie da eigentlich zu machen?« Er warf seine Klinge auf den Tisch, bevor er sich ihr zudrehte.

Sie rieb sich das Handgelenk, ihr Gesicht war totenbleich. »Fechten«, antwortete sie mit gepresster Stimme.

»Mir kam‘s eher so vor, als wollten Sie einen Mord begehen.«

»Ist das nicht der Sinn der Sache?«, erwiderte sie.

»Das ist kein Duell, und ich bin nicht Ihr Feind. Sie sind hier, um zu lernen, wie Sie sich selbst verteidigen können. Indem Sie blindwütig um sich schlagen und stechen, schaffen Sie das nicht.« Er machte eine Pause und nickte in Richtung ihres Handgelenks. »Habe ich Ihnen wehgetan?«

»Es ist nur ein wenig taub.« Nachdem sie die Hand ausgeschüttelt hatte, ließ sie die Arme sinken und sah ihn an. »Vielleicht wäre es besser aufzuhören.«

Sie war wütend, weil er sie entwaffnet hatte. Das überraschte ihn in keiner Weise. Trotzdem hatte er nicht erwartet, dass sie so leicht aufgeben würde. »Wie Sie wünschen«, sagte er und machte sich daran, seine Manschetten nach unten zu krempeln. »Betrachten Sie den Unterricht des heutigen Abends als Experiment, für das ich kein Honorar verlange.«

»Und was ist mit morgen Abend?«

Seine Finger hielten inne. »Sie wollen weitermachen?«

»Selbstverständlich. Ich habe gemeint, dass wir mit unserm Waffengang aufhören, nicht mit dem Unterricht.«

Sie verachtete ihn und schien seine Methoden zu missbilligen. Soweit er es beurteilen konnte, war sie nicht hier, weil sie auf eine leidenschaftliche Affäre hoffte, weil es sie wie gewisse andere Frauen reizte, sich einem Mann hinzugeben, der Blut an den Händen hatte. Er hatte getan, was in seiner Macht stand, um sie von ihrem Plan abzubringen, und er war der Ansicht, dass ihr das Ganze zutiefst zuwider war. Trotzdem schlug sie ein weiteres Treffen vor.

Was wollte sie von ihm? Dass etwas dahintersteckte, war ihm klar. Er sollte sich weigern, auf ihr Spielchen einzugehen, worin auch immer dieses bestehen mochte.

O ja, er sollte sich weigern, aber was würde ihm das bringen? So aufgekratzt und fasziniert, wie er sich im Moment fühlte, konnte es durchaus sein, dass er ihr bereitwillig geben würde, was sie von ihm wollte.

»Es wäre besser, einen Tag auszusetzen, bis Ihre Muskeln sich an die Übungen gewöhnt haben. Deshalb werde ich mich übermorgen wieder hier einfinden, madame. Und Sie? Werden Sie mich gewappnet mit Zorn erwarten – und mit nicht ganz so vielen Unterröcken?«

»Warten Sie‘s ab«, entgegnete sie, ohne zu lächeln. »Sie werden schon sehen.«

Gavin neigte den Kopf. Genau das hatte er auch vor, so kindisch, dumm und selbstsüchtig es unter diesen Umständen auch sein mochte.

Und nichts würde ihn davon abhalten.

Kampf der Gefühle

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