Читать книгу Im ersten Gang geht’s immer rauf - Jens F. Meyer - Страница 5

Wir haben Visionen. Wir haben keine Ahnung. Es ist vollbracht.

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Die Idee, mit einem Renault 4 durch Frankreich zu reisen, kam uns in einem dunklen, ewig dauernden Winter. Draußen wehte ein eisiger Wind ums Haus, drinnen träumten wir von strahlendem Sonnenschein, blauem Himmel, malerischen Landschaften und hinreißenden Dörfern. Wir saßen in der Küche und führten die „Man müsste eigentlich mal …“-Unterhaltung. Dabei überkam uns der Wunsch, einfach alles hinzuschmeißen – und mit einem alten „Vierer“ durch das Land der Trikolore zu cruisen, bereit anzuhalten, um der französischen Lebensart in Form von salzbutterverwöhnten Croissants, fulminanten Mehr-Gänge-Menüs und edlen Getränken in urigen Bars und bildschönen Restaurants zu huldigen. Ja, so war das damals in der Küche bei Kerzenschein – und dieser Gedanke ließ uns danach nie wieder los.


Reisevorbereitung mit Karte, Atlas, Büchern

Die Schwärmerei hatte zwei Gründe: der erste R4 und der zweite R4. Zu Beginn der Studentenzeit hatten sie wackere Dienste geleistet. In unserer Erinnerung war das ein tolles Auto, mit dem komplette Umzüge tadellos erledigt werden konnten. Ein riesiger Kofferraum, Platz für vier Personen, diverse Tiere und eine Schwiegermutter. Günstig in der Anschaffung und im Unterhalt, verbrauchsarm und so viel praktischer als ein VW-Käfer. Der R4 – er war einfach perfekt! Wir stellten uns an jenem Abend in der Küche also genau vor, wie es sein würde, wenn wir unsere Idee in die Tat umsetzten, vergaßen dabei jedoch großzügig einige Details. Denn erstens hatten wir keine „Quatrelle“ (so nennen die Franzosen ihren R4). Zweitens wollten wir nicht in einer heruntergerittenen Schleuder umherreisen. Und drittens hatten wir grundsätzlich keine Ahnung von Autos, woran sich bis heute wenig geändert hat. Wir wussten lediglich, wie man so einen Wagen lenkt und wo das Gaspedal sitzt, aber damit waren unsere Kenntnisse weitestgehend erschöpft. Ach, und einen sicheren Stellplatz für den Oldtimer hätten wir nur gehabt, wenn unser einziges anderes Auto dafür Wind und Wetter trotzen müsse. Die Vorstellung, das über zwanzig Jahre alte Fiat Punto Cabrio auf diese Weise zu degradieren, hätte fast dazu geführt, den R4-Plan aufzugeben. Weil wir aber erst ganz am Anfang, sozusagen in der Ur-Suppe unserer Idee schwammen, wurde auch dieses Hindernis beiseite gewischt.

Die nächsten zwei Jahre gingen ins Land; wir schauten auf einschlägigen Internetseiten und Foren nach gut erhaltenen Quatrelles. Zeitgleich kamen mehrere Bücher über diese Ikone auf den Markt, es war geradezu unheimlich, aber wir werteten es als gutes Zeichen … Letztendlich mussten wir uns dennoch überwinden, beim ersten Händler anzurufen. Im Überschwang trifft man bisweilen ja Entscheidungen, die dann nicht mehr rückgängig zu machen sind.

Die Preise für (fast) rost- und beulenfreie R4 stiegen langsam, aber stetig an. Wir waren uns darüber einig, wie viel Geld wir ausgeben wollten und was die Quatrelle bieten sollte: nicht über 8000 Euro und mit Kopfstützen! Selbstverständlich war auch die Farbgebung essenziell. Am liebsten wäre uns das stylishe Andalusisch-Orange der Siebzigerjahre gewesen, das ab Werk unter der Nummer 318 abgerufen wird. Oder Touareg-Blau (464). Gerne auch Salat-Grün (hieß wirklich so – Nummer 913!). Allesamt strahlende, schöne, auffällige Kolorationen. Aber nichts tat sich. Die Wochen und Monate gingen ins Land, wir sondierten den Markt, und eigentlich war das Thema fast unter einem Haufen von Ausreden und bedauernden Erleichterungsargumenten schon erledigt, als plötzlich doch noch Schwung in die Angelegenheit kam. Denn ganz in der Nähe, rund siebzig Kilometer entfernt, stand ein Exemplar zum Ansehen und Probefahren bereit. Jetzt oder nie! Es gab keine Ausflüchte mehr. Wir riefen den Händler an, vereinbarten einen Termin. Die Probefahrt unternahmen wir an einem Freitag, der Verkehr war dicht gedrängt, der Regen fiel sanft, die Straße schimmerte verheißungsvoll, und das Thermometer zeigte null Grad Celsius. Genau die richtigen Voraussetzungen, um ein altes Auto ohne Bremskraftverstärker und ohne Servolenkung zu testen. Der frohgemute Verkäufer fragte, ob wir uns mit der Revolverschaltung auskennen. „Selbstverständlich!“ Wir taten empört. Warum sollte sich die Erinnerung daran nach fast fünfunddreißig Jahren nicht schlagartig wieder einstellen? Ist doch wie Rad fahren.

Knarrend öffnete sich die Fahrertür. Kaum dass wir Platz genommen hatten, spürten wir die strammen Polsterfedern im butterweichen Sitz unterm Hinterteil. Egal, noch kurz den seltsamen Schaltknüppel ausprobiert, und schon rollten wir vom Hof. Krachend ging der erste Gang rein, aber immerhin: Er ging rein, und eine Oma flüchtete auf den Gehsteig. Der Lüftungsmotor bot winselnd seine bescheidenen Dienste an, die aber nicht ausreichten, um die beschlagene Scheibe freizublasen. Durch den herausgezogenen Choke laut röhrend, brausten wir die Straße entlang. Nicht schlecht – fast einhundert Kilometer pro Stunde schienen nicht das Problem zu sein. Blöd nur, wenn man in die Eisen gehen muss – so ganz ohne Bremskraftverstärker ist das ein Ereignis, das den ganzen Körpereinsatz fordert. Aber irgendwie funktionierte das alles ganz passabel; wir waren unterwegs und kamen unserem Traum ein Stück näher.

Es wurde dämmrig, wir mussten zurück. Die Straße war schnurgerade, es gab nur die Möglichkeit, im nächsten Feldweg zu drehen. Blinker setzen, mit Verve hineinfahren und zurück – aber wie ging das jetzt noch mal mit dem Rückwärtsgang? Wir zogen, drückten und schoben die Schaltstange, kuppelten kräftig, nichts tat sich. Mittlerweile waren wir von zarten, blauen Wölkchen eingehüllt, der Auspuff wusste, was zu tun war. Uns überfiel die Sorge, dass entweder die Feuerwehr zwecks Buschfeuerlöscheinsatz anrücken musste oder dass wir fünfzehn Kilometer in strömendem Regen zurückzulaufen hatten, und alles nur, weil wir das Rätsel um den Rückwärtsgang nicht lösten. Doch der Geistesblitz zündete noch rechtzeitig: Schaltstange auf Leerlauf schieben, dann das Gestänge kräftig nach rechts legen und rausziehen in Richtung des vierten Gangs. Das Auto bewegte sich nach hinten. Erleichtert knatterten wir zurück zum Händler; der besorgt schauende Verkäufer empfing uns aufgrund der schon weit vorangeschrittenen Zeit sichtlich beunruhigt, aber irgendwie auch erleichtert. Ob denn alles funktioniert habe, fragte er. Nonchalant winkten wir ab, „alles überhaupt kein Problem“, aber der Wagen sei noch nicht der richtige. Er tröstete uns: Es komme bestimmt bald wieder ein besseres Modell rein. „Allerdings“, sprach er im leisen Tremolo und mit mahnendem Tonfall, „seien die Preise auf dem Weg nach oben!“

Der nächste Winter kam und ging, und wir waren nach wie vor noch ohne R4. Sollten wir das Ganze lassen? Dasselbe Autohaus lockte uns erneut aus der Reserve, diesmal mit einer Savane TL für 10.750 Euro. Nach einigem Hin und Her wollten wir uns den Wagen anschauen. Wir kamen um 11 Uhr beim Autohändler an. Um 12:30 Uhr waren wir stolze Besitzer eines Renault 4 TL Savane! Ohne Kopfstützen und in einem dezenten Beige, das verdächtig nach formender Damenunterwäsche aussah und sich als Farbton „Alpaga“ (Nummer 109) entpuppen sollte. Von wegen Andalusisch-Orange und Salat-Grün …

Wir hatten unseren R4! Das gute Stück musste nur noch auf unseren Hof rollen, damit wir die nächste Stufe der Vorfreude zünden konnten. Ein Mitarbeiter des Autohauses nutzte die Möglichkeit, uns den Wagen auf dem Hänger für schlappe fünfzig Euro bis vor die Haustür zu bringen. Am Morgen vor der Ankunft war die Garage aufgeräumt und gefegt, das Cabrio musste vorerst draußen stehen, und wir freuten uns, als unser Oldtimer-Schatz geliefert wurde. Unglaublich, so ein schönes Auto – unser Auto! Die nächsten Tage verbrachten wir nach der Arbeit in der Garage, saßen in den weichen Sitzen, saugten den Duft von nahezu dreißig Jahren Interieur ein und schmiedeten Pläne. Teppichmatten wurden ausgemessen und gekettelt, das schmale Armaturenbrett gewienert, und es machte sich mildes Erstaunen über das nahe Zusammensitzen breit. Apropos breit: Dies war kein Fahrzeug für Menschen mit starken Knochen. Sollten wir die Reise wahrmachen, würden wir in Frankreich mit dem Schlemmen wohl besser etwas aufpassen müssen, ansonsten gingen die Türen nicht mehr zu.


Alles original 1989 – nur die Kopfstützen sind neu.

Wir haben ihm keinen Namen gegeben. Namen für Autos sind albern. Es würde den Renault 4 und uns nicht glücklicher machen, wenn er Waldemar oder Jean-Didier heißen würde. Zumal dieser automobile Charmeur nach französischer Lesart sowieso eine Madame ist. „La Quatrelle“, wie er, pardon: sie, zwischen Dunkerque und Perpignan genannt wird, könnte also ebenso gut auf Undine oder Emanuelle hören. Aber nichts von alledem haben wir getan, wir nennen unser Schätzchen einfach nur R4, Quatrelle oder Savane, weil es eine Savane TL ist, die wir an einem Ort aufgetan haben, der nicht unfranzösischer hätte sein können: bei einem Volvo-Händler im Industriegebiet einer niedersächsischen Kleinstadt. Baujahr 1989, 43.500 Kilometer „auf der Uhr“, 34 Pferdestärken und knapp unter eintausend Kubikzentimeter Leistung. Alles original, kein Rost – aber leider ohne Kopfstützen; der einzige Luxus, den wir im Laufe des Aufpolsterns der Sitze vorn später noch einbauen lassen haben. Wir waren vom ersten Moment an verzaubert. Zwischen anderen in die Jahre gekommenen Fahrzeugen strahlte diese Savane TL, obgleich als beigefarbene Variante nicht gerade ein leuchtendes Beispiel mutiger Farbgebung, aus der Masse hervor. Für uns ist dieser Klassiker keine Sie und kein Er, für uns ist es ein Auto, nicht mehr und nicht weniger als ein Auto – DAS Auto! Eine Stilikone.

Manche Menschen nennen den Renault 4, der als erstes Modell der Régie Nationale des Usines Renault mit Frontantrieb ausgestattet wurde und dessen erstes Exemplar im Sommer 1961 aus dem Werk in Paris Richtung Freiheit rollte, unscheinbar, andere heißen ihn langweilig. Für uns hingegen ist das drollige erste Großserienfahrzeug der Marke mit dem Rhombus, von dem innerhalb von 31 Jahren über acht Millionen Exemplare gebaut wurden, das beste Gefährt, das wir uns vorstellen können, weil es sich, wie sich bald zeigen wird, im Laufe dieser Reise durch Frankreich zu einem Gefährten und Türöffner mausert. Es hat Charakter, und Autos mit Charakter haben eben auch Macken, das sollte nicht außer Acht gelassen werden. Wer einen Renault 4 fährt, muss bereit sein, Kompromisse einzugehen. Wenn’s regnet und kühl ist, beschlagen die Scheiben. Beschlagen die Scheiben, wird der Regulierhebel für den Wasserumlauf im Heizungs-Wärmetauscher auf Rot (also warm) und das Gebläse auf volle Pulle gestellt, um dem Dunst beizukommen. Der Ventilator arbeitet dann ungefähr so geräuscharm wie die Turboprops einer Antonow An-22. Dazu kommen sehr kurze Wischer, deren Blätter rüde über die Windschutzscheibe hüpfen, was den Lärmpegel noch erhöht – abgesehen vom grundsätzlich fehlenden Schallschutz in dieser kühnen Kiste. Alle, die in einem R4 sitzen, wünschen sich also immer schönes Wetter, zumal es passieren kann, dass sich im Fußraum ein Teich bildet, weil das Wasser auf nicht identifizierbaren Wegen auch von unten kommt. Aber weil Petrus darauf keine Garantie geben kann, liegt das Anti-Beschlag-Tuch in der Konsole vor den Schienbeinen des Beifahrers bereit, um seinen Dienst von Zeit zu Zeit anzutreten, wie früher. Gibt’s tatsächlich auch noch ganz normal zu kaufen …

Rost – den hat er nicht, unser „Vierer“. Ein ungeschweißtes Original! Worin bekanntlich die wichtigste Voraussetzung, einen Renault aus den Achtzigerjahren für 9300 Euro zu kaufen, als erfüllt gilt. Wo doch die meisten R4 schon korrodierten, wenn sie drei- bis fünfmal durch den Regen fahren mussten. Insofern ein Superkauf.

Und der Zollstock lügt nicht: fünfzig Zentimeter Ladekantenhöhe und ein ebener Boden! Wo die SUV-Fraktion sich einen Bruch nach dem nächsten hebt, wenn sie den Supermarkteinkauf hinten rein hieven muss, stört hier nichts, kein Wulst, keine Kerbe. Wenn man zu zweit ins Blaue fährt, einfach mal so, in Gesellschaft von Baguette, gesalzener Butter und einer Demi Bouteille Côtes du Rhône, sitzt man sogar sehr passabel dort hinten, nahe am Picknickkorb. Kissen unterm Hinterteil, Arm in Arm und knutschend, fertig ist das Glück. Und ein Ausbund an Zuverlässigkeit ist er, der R4 – genau diesen Plan verfolgte Renault ja auch, als der Prototyp des Schnuckelchens als Antwort auf den überaus beliebten 2CV von Citroën auf schmale Räder gestellt wurde. Mitte der Fünfzigerjahre hatten die Planungen Fahrt aufgenommen, Anfang der Sechziger wurden die ersten Quatrelles dann der Presse bei Ausfahrten in der Camargue über unbefestigte Pisten präsentiert, um die Robustheit zu dokumentieren. Der R4 ist gebaut worden, damit den Bauern kein Hühnerei beim Transport über die Feldwege und zum Wochenmarkt zerbrach. Bei aller Liebe sollten die viel zu weichen Sitze nicht mit gutem Federungskomfort verwechselt werden. Gott weiß, wie viele Bauern ihre Eier wirklich ohne Schaden geschaukelt haben. Aber sie hatten ihren Spaß. Zum Beispiel mit der Revolverschaltung, die wie ein alter Saurierknochen aus dem Armaturenbrett ragt. Und mit dem Platzangebot: Bei komplett umgelegter Rückbank – nur zwei Schrauben müssen gelöst werden – ergibt sich ein ebener Ladeboden, der groß genug ist für drei Ballen Stroh. Lange her, egal, jedenfalls schwor Renault Schotter, Stock und Stein, dass dieses Auto mehr Leistung, Komfort und Vielseitigkeit bot als die Ente. Der Plan ging auf.

Vom Butterklumpen zum Jeans-Auto

Projekt 112 – unter diesem Namen begann die Produktion des Renault 4. Die erste „Quatrelle“, wie der Kleinwagen von den Franzosen liebevoll bezeichnet wird, lief offiziell am 3. August 1961 vom Band. Rund vier Wochen vorher war die Produktion der Régie Nationale des Usines Renault auf der Seine-Insel Séguin in Paris-Billancourt vom 4CV, dem sogenannten „Crèmeschnittchen“ oder „Motte de Beurre“ (Butterklumpen), auf den R4 umgestellt worden. Was auch bedeutete, von Heck- auf Frontantrieb zu wechseln. Ein Husarenstück von Renault. Die Erfolgsgeschichte ließ nicht lange auf sich warten, denn der geräumige Kleinwagen war „praktisch und klassisch wie eine Bluejeans“, so der damalige Renault-Generaldirektor Pierre Dreyfus, der 1956 die Weichen für diesen Coup gestellt hatte. Bis 1992 wurde der Fünftürer 8.135.424 Mal gebaut. Damit gehört der R4 zu den erfolgreichsten Autos aller Zeiten.

Natürlich sind wir froh, ein topfittes Exemplar gefunden zu haben, das von unten übrigens dicht hält, denn zu viele Exemplare sind im Laufe der Jahre im Nullkommanichts kläglich weggerostet; die Hohlprofile des Plattformrahmens korrodierten zunächst weitgehend unbemerkt von innen, um eines schlimmen Tages durchzubrechen. Für die schlampige Hohlraumversiegelung hat Renault von ernst zu nehmenden Autozeitungen und unzähligen Kunden mehr als nur einmal eins auf den Deckel gekriegt. Wir haben deshalb Folgendes getan: Wir haben das Ding sofort nach dem Kauf mit „Mike Sanders“, so heißt ein öliges Zaubermittel, das den Oldtimer frisch halten soll und in jede noch so kleine Ecke fließt, in einer Fachwerkstatt bis in die tiefsten Tiefen der Karosserie versiegeln lassen. Ein Kompromiss fügt sich zum nächsten, manchmal rappelt’s in der Kiste, was nicht bedeutet, dass der R4 eine Klapperkiste ist. Dieses Modell wäre ja nicht über drei Jahrzehnte lang gebaut worden, wenn nicht die Vorteile überwögen. Für Fans sind sie bekannt: vier Türen, große Heckklappe, kleiner, kräftiger und kultivierter Motor und einige andere Stärken. Aber obwohl die Entwicklung des Erfolgsmodells schon so lange her ist, hat noch niemand jemals zuvor darüber geschrieben, dass unter der Rückbank Platz für Schuhe ist! – Das wäre hiermit erledigt. Fünf Paar sind drin. Keine Stiefeletten, aber Halbschuhe, Sandalen, Pumps, Pumps und Pumps. Das mag nur eine Nuance sein im Gesamtpaket, aber sie soll exemplarisch dafür stehen, wie clever der hier vorhandene Raum genutzt werden kann. Ein Auto, in dem genug Schuhe für Madame unterkommen, ist ein gutes Auto. Auch für Monsieur.

Wir sind keine Schrauber. Wenn also im Handbuch „Jetzt helfe ich mir selbst“ (Dieter Korp) steht, dass „der Thermostat, der neben der Wasserpumpe in einem Metallstutzen steckt, der gleichzeitig den Anschluss für das kurze Schlauchstück zum Kühler bildet“, dann müssen wir lange und gründlich in den Motorraum schauen und mit dem Finger der Beschreibung nachgehen. Wenn die Rede davon ist, die hintere Bremstrommel abzubauen, wo eine versplintete Nabenmutter zum Vorschein kommt, die entsplintet und abgeschraubt werden muss, um die Unterlegscheibe herauszunehmen und die Bremsbacken nach innen zu stellen, dann müssen wir zuallererst ganz schrecklich lachen, denn dies ist für uns schlicht nicht möglich; es übersteigt unser technisches Verständnis und unsere handwerklichen Möglichkeiten um ein Vielfaches. Wir sind in der Lage, Flüssigkeiten zu prüfen, Glühbirnen auszutauschen und bei einer Panne den Reifen zu wechseln, aber viel mehr können wir nicht. Wir haben uns dieses Auto deshalb relativ teuer in einem Topzustand gekauft, um einfach drauflos fahren zu können, anstatt in der eigenen Garage erst noch jahrelang Radkästen auszubauen, Steuergehäusedeckel zu kontrollieren, zu entrosten, zu kitten, zu verdrahten, zu verkabeln. Das ist nicht unsere Welt. Im Bekanntenkreis halten das einige bis heute für eine ziemlich abstruse Idee. „Ihr seid verrückt geworden. Was macht ihr denn, wenn ihr eine Panne habt“, haben sie gesagt, und wir gaben ihnen zu verstehen, dass wir im Falle eines Falles das tun, was wir auch bei einem anderen Auto tun würden: Hilfe anfordern, wenn wir uns selbst nicht helfen können. Es gibt da dieses zauberhafte Beispiel des kaputten Leuchtmittels in einem Mittelklassewagen, gehobener Standard, linke Front. Um die bescheuerte Birne auswechseln zu können, muss die gesamte Frontschürze abgenommen werden. Ist dies geschehen, droht sogar erfahrenen Kfz-Mechanikern, dass sie sich die Finger stauchen. Fällt bei dieser im Spaltmaß auf Nanometer getrimmten hypermodernen Droschke unterwegs in Frankreich das Licht aus, schaut das Auto düster und der Fahrer dumm aus der Wäsche. Fällt es beim R4 aus, bemühen wir einfach nur den Kreuzschlitzschraubenzieher oder in Ermangelung dessen auch ein olles Taschenmesser und erledigen ruckzuck, wofür der Mittelklassewagen des 21. Jahrhunderts in die Werkstatt gefahren werden muss.Wer also hat das größere Risiko?

Und nein, wir fühlen uns nicht unsicher! Es ist eine schiere Blechbüchse, das stimmt. Sie hat keine Airbags, das stimmt auch. Es gibt weder Spurhalteassistent noch Antiblockiersystem, da sind kein Müdigkeitswarner und kein elektronisches Stabilitätsprogramm eingebaut, es fehlt an Ambiente-Beleuchtung, Lenkradheizung und Lendenwirbelstütze. Je länger die Aufzählung aller möglichen technischen Raffinessen heutiger Automobile wird, desto mehr verneigen wir uns vor unseren Eltern, die mit dem Volkswagen an die Ostsee und im Goggomobil über den Brenner geheizt sind, während wir Kinder hinten saßen und bei Tempo vierundachtzig den Rausch der Geschwindigkeit genossen. Uns fällt wirklich kein guter Grund mehr ein, um nicht mit der Quatrelle nach Frankreich zu fahren, und uns blutete das Herz zu erfahren, dass zwischen Anfang 2009 und Mitte 2010 laut Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle 54 wackere Renault 4 in Deutschland zugunsten der Umweltprämie abgewrackt wurden! Eine schreckliche Tat. Es kann ja sein, dass in dem einen oder anderen Fall nichts mehr zu retten war, aber die Erfahrung ist eigentlich eine andere.

Schande!

Und das ist der Grund, weshalb ein Funken Melancholie auf Reisen immer über uns glimmt. Wie schön waren doch die Zeiten dieses Autos. Über 8,1 Millionen Renault 4 wurden gebaut, als Limousine, als Kastenwagen in kurzer und in langer Variante, als „Plein-Air“-Cabrio, Pick-up und sogar mit Allrad-Antrieb für Jäger und Rallyepistenpiloten. 695 Kilogramm beträgt das Leergewicht einer normalen Quatrelle, während das zulässige Gesamtgewicht bei 1070 Kilogramm liegt. Das bedeutet, dass der Wagen eine Zuladung schluckt, die locker halb so schwer sein darf wie sein eigenes Gewicht. Der Plattformrahmen mit vorderen und hinteren Längsträgern dürfte daran seinen Anteil haben. 3668 Millimeter ist der R4 kurz, aber lang genug, um darin eine Reise zu unternehmen, die an Merkwürdigkeiten und Abenteuern nicht zu überbieten ist – schon mal gar nicht im Mutterland dieser munteren Möhre mit ihrem knusprigen Fahrgeräusch aus vier Töpfen und 34 Pferdestärken. Ein erlesenes Erlebnis – im wahren Wortsinn für alle, die hier und jetzt auf dem Rücksitz Platz nehmen. Machen Sie sich’s bequem.

Allons-y, Quatrelle, allons-y!

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Im ersten Gang geht’s immer rauf

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