Читать книгу Rentadep - Jens Otto Holländer - Страница 8

Manny

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Manny war 34, schlank, hageres Gesicht, aber stark. Er schien nur aus Sehnen, Flechsen und Muskeln zu bestehen. Und er war seit 18 Jahren Heroinabhängig. Grüne Augen blitzten aus einem hageren Gesicht, Seit einigen Jahren war er im Methadon Programm. Seine eigentliche Leidenschaft galt den Benzos. Benzodiazepine, Beruhigungs- oder auch Schlafmittel, berühmtester Vertreter Valium mit seinem Wirkstoff Diazepam. Er hatte vier verschiedene Ärzte, die ihm das Zeug verschrieben.

Aber er war trotzdem unzufrieden mit seinem Leben und überlegte was er ändern könnte. Mittlerweile gab es seiner Meinung nach an jeder Ecke einen Laden von Rentadep. Auf der Szene in Rheydt und Mönchengladbach wurde viel über Rentadep und Euphorin geredet. Wie so oft fachsimpelten Menschen über etwas, dass sie selbst gar nicht kannten, geschweige denn nahmen. Es gab eine deutliche Trennung zwischen den gewöhnlichen Methadon/Polamidon Patienten und den Euphorin Empfängern, „Substies“ genannt. Die Euphorin Substies waren verpönt und galten als noch abhängiger. Streng genommen war das Quatsch, denn abhängig war abhängig, aber das sah man nicht so eng.

Die Substies hielten sich kaum noch auf der öffentlichen Szene auf, denn sie hatten tatsächlich viel weniger Beikonsum, als Substituierte mit den herkömmlichen Substanzen und sie waren, das musste man einfach anerkennen, in der Regel besser in die Gesellschaft integriert, dadurch dass sie gezwungen wurden tätig zu sein und sich von Rentadep für irgendetwas nicht gewerbliches vermitteln zu lassen. Den Rentadep Substituierten haftete daher das unverdiente Prädikat der Hochnäsigkeit an. Edelsubsties, wurde sarkastisch gesagt oder noch härter gehirngewaschene Fremdgesteuerte. Eigentlich sollte es so sein, dass Menschen, die ein Suchtproblem haben, mehr Verständnis für andere in gleicher Lage, haben sollten, doch dem war nicht so. Oft sind solcher Art belastete, unbarmherzig in der Beurteilung ihrer Leidensgenossen. Aber nicht immer. Es gibt immer Ausnahmen. Und eine solche Ausnahme war Sabine, die Leiterin der Beratungsstelle von Rentadep in Rheydt.

Manny hatte sich nie für das Rentadep Programm erwärmen können, das es nun schon 17 Jahre gab. Die ersten waren schon „in Rente“. Doch mit 35 Jahren hatte man die Altersgrenze erreicht, die für Neuaufnahmen galt und so war Manny nach etlichem Hin und Her Überlegen vor drei Wochen in eine Beratungsstelle in der Rheydter Straße gegangen.

Innen sah es aus, wie in jeder Beratungsstelle. Ein Wartezimmer, Toilette, drei oder vier Büros mit Beratern. Er wurde in ein Büro gebeten und nahm neben dem Schreibtisch, hinter dem Sabine, eine Rentadep Beraterin saß.

Sie lächelte ihn freundlich an.

„Hallo, ich bin Sabine, bin seit 14 Jahren dabei, nehme selbst Euphorin, was kann ich für Dich tun?“

„Hallo. Ich heiße Manny. Bin seit vielen Jahren drupp. Pillen und Schore(Heroin), das heißt ich bekomme seit paar Jahren Methadon. Ich überlege, ob ich nicht doch noch wechseln soll, bevor es zu spät ist.

Aber erstens bin ich gegenüber dem neuen Zeug misstrauisch und dann stößt mich die Zwangsarbeit ab.“

„OK. Vielleicht erzähle ich dir erst einmal etwas über Rentadep und dann kannst du in Ruhe weiter überlegen. Vielleicht hast du dann mehr Informationen, die dir eine Entscheidung leichter machen. Egal für was.-

Vor zwanzig Jahren kam eine Gruppe von fünf Freunden auf die Idee, die in ihren Augen mangelhafte Substitutionsmethode zu revolutionieren. Sie waren der Ansicht, dass erstens Methadon/Polamidon nur einen schlechten Ersatz für Heroin darstellen, was sich an dem massiven Beikonsum von allen möglichen Drogen, Substanzen und Alkohol, zeigt, den fast alle Substituierten haben und den starken Nebenwirkungen, die diese Mittel haben und zweitens wollten sie den Substituierten einen besseren sozialen Status in der Gesellschaft verschaffen. Raus aus der Ecke der nur ungern geduldeten. Dazu wurde dann Euphorin entwickelt, damit die Abhängigen wirklich einen echten Ersatz für Heroin haben, ohne große Nebenwirkungen und mit dem Kick, den viele von uns brauchen und zweitens durch die Vermittlung in Familien, oder auch zu Einzelpersonen, wollten sie den Substituierten eine Lebensgelegenheit bieten, in der sie bestätigt werden, sich auf Wunsch fortbilden können und nach Ablauf der vereinbarten Zeit zwei Prämien erhalten, um Altersarmut vorzubeugen. Diese Prämien werden nicht auf den Bezug von Sozialleistungen angerechnet.

Hast Du das verstanden? Gibt es Fragen?“

„Bist du mit Euphorin zufrieden?“

„In jedem Fall Manny, ich weiß, dass es blöde klingt, aber ich war vom ersten Moment an von Euphorin begeistert. Ich habe übelst gesoffen und kam da nicht von los und dann nahm ich Euphorin und es gelang mir. Ich bin seit 16 Jahren so gut wie trocken und ich bin vom krankhaften Trinken vollständig weg.“

„Was sind die Nachteile von Euphorin?“

„Hmmm. Wenn man aufhören will geht das nur im Krankenhaus. Ein ambulanter Entzug, mal so eben, ist nicht drin. Vielleicht die Tatsache, dass man kein anderes Opiat mehr will. Aber ist das ein Nachteil?“

„Wenn ich jetzt umsteigen wollte, wie würde das gehen?“

„Du müsstest hier zu einem unserer Ärzte zum Checkup. Dann wird ein Tag festgelegt. 24 Stunden nach der letzten Methadon Dosis bekommst du deine erste Dosis.“

„ Wie geht das? zeig mal.“

„Jeder Substie bekommt so ein Teil. Sieht aus wie eine E-Zigarette. Darauf ist der Kolben mit dem Euphorin Gas, zu Flüssigkeit komprimiert. Dreimal am Tag leuchtet ein grüner Punkt auf. Dann hast du 15 Minuten Zeit dir das Röhrchen in die Nase zu stecken, wie einen Nasenspray und tief zu inhalieren. Drei, viermal dann kommt nichts mehr. Dann dauert es acht Stunden bis zum nächsten.“

„ Schade dass man es nicht testen kann, denn ich bin unsicher.“

„Kein Problem. Du machst den Checkup, dein Arzt wird informiert und dann kannst du fünf Tage lang Euphorin probieren. Darf ich fragen, wieviel Methadon du bekommst?“

„180 mg.“

„Hast du sporadisch oder regelmäßig Beikonsum von irgendetwas?“

„Ab und an Schore. Und immer Pillen. Benzos. 2-10 Stück am Tag.“

Sabine nahm das zur Kenntnis, ohne irgendeine Wertung.

Das war vor drei Wochen gewesen. Er bekam den Arzttermin, wurde für tauglich befunden und hatte seit fünf Tagen Euphorin bekommen. Nun sollte er sich entscheiden. Wieder saß er bei Sabine.

„Wie ist es dir ergangen?“

„Ja, ganz gut. Ich verstehe jetzt, was die Leute an dem Zeug so toll finden. Es ist wirklich kein Vergleich zu Methadon. Aber der ganze Rattenschwanz, der mit dranhängt, schreckt mich ab. Mich auf Jahre hinaus zu entgeltloser Arbeit zu verpflichten… ich weiß nicht.“

„ Weißt du Manny, in deinem Alter ist die kürzeste Laufzeit zehn bis zwölf Jahre. Die sind so schnell vorbei. Viele von uns arbeiten nur halbtags. Wenn du keinen Außeneinsatz willst, kannst du dich für Jobs innerhalb von Rentadep bewerben. In einer Beratungsstelle, als Begleiter eines Teamleiters, im Fahrdienst der größeren Niederlassungen, es gibt etliche Möglichkeiten. Solltest du zu uns kommen, dann wird das alles einzeln mit dir besprochen, du füllst einen Fragebogen aus, auf welchem du genau festlegst, was du möchtest und was nicht.“

Manny war wirklich in der Zwickmühle. Die Vorstellung auf das tolle Feeling verzichten zu müssen und wieder Metha zu nehmen, war nicht erbaulich. Aber so war er wenigstens ein halbwegs freier Mensch. Wenn man bei Rentadep unterschrieb, dann verkaufte man sich mit Haut und Haar. Genau das sagte er Sabine.

„ Es tut mir leid, dass dir unser Programm offensichtlich nicht behagt. Vielleicht brauchst du auch einfach noch etwas Zeit. Vier Monate hast du noch. Und falls du danach meinst, du wolltest doch umsatteln, dann kommst du zu mir und ich sehe was ich machen kann. Solange du noch solche Zweifel hast, würde ich dir raten, nach deinem Gefühl zu handeln. Du bist ein gestandener Mann und keine 18.“

„Sabine ich bin dir sehr dankbar für deine offenen Worte. Ich werde nun zu meinem Doc gehen und ihm sagen, dass ich ab morgen früh wieder komme. Den Verdampfer gebe ich wie besprochen in meiner Apotheke ab. Einen Shot habe ich ja noch drin für heute Abend.“

„ Hier ist noch unser Kärtchen, machs gut.“

Als Manny sich später die Karte ansah las er in weiblicher Schrift, „Ich finde Dich süß“ und eine Telefonnummer. Er lächelte.

Rentadep

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