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Zentrale

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Knapp 20 Autominuten von Reutlingen/Pfullingen entfernt, oben auf der Schwäbischen Alb, im sogenannten Sonnenbühl, einer Gemarkung von drei Ortschaften, befand sich die europäische Zentrale von Rentadep.

Abseits von Erpfingen, auf dem Gelände eines früheren Aussiedlerhofes stand, umsäumt von einer unscheinbaren, doch ungesehen kaum zu überwindenden Umzäunung, ein flach erscheinendes 8 Stockwerke umfassendes Gebäude.

Der Grund, warum sich alle anliegenden Landwirte und Bewohner schnell wieder beruhigt hatten, war dem Umstand geschuldet, dass sechs der acht Stockwerke in den Untergrund gegraben worden waren und man gar nicht sehen konnte, welch riesiger ,umgedreht pyramidenförmiger Komplex hier stand, bzw in der Erde versenkt worden war. Maßgeblich beteiligt, am Entwurf des neuen Gebäudes, war Architekt, Mitgründer und Vorstandsmitglied von Rentadep Markus „Sammy“ Sehmann. Während der Ausschachtung waren Sichtschutz Bauzäune aufgestellt, das Gelände nachts beleuchtet und streng bewacht worden. Als nach einigen Monaten die Zäune entfernt wurden, sah man lediglich einen, relativ kleinen, zweistöckigen, entfernt an eine stumpfe Pyramide erinnernden Rohbau, der sich harmonisch in die Landschaft einfügte und der so gar nichts mehr mit der über 100m langen und breiten Baugrube, die insgesamt rund 40 m tief gegraben worden war. Aufmerksame Beobachter hätten sich gefragt, wohin die endlose Reihe von Betontransportern, ihre Fracht entladen hatte. In die unterirdischen sechs Stockwerke, die unter anderem, ein topaktuelles Gentechnik und Chemielabor und gut belüftete Räumlichkeiten nebst Computern, u.a.für Gensequentierung enthielten. Rentadep hatte sich, unterhalb des üblichen Fokus, zu einer ernstzunehmenden Biotech Firma entwickelt.

Seit ihrer Entwicklung waren die sogenannten DNS Scheren stets weiter entwickelt worden. Wer Geld genug hatte, konnte sich schon einen Nachwuchs kreieren, der Erbkrankheiten, oder die Disposition dazu, ausschloss. Im Grunde, so dachte Jo Volland, lief es darauf raus, dass irgendwann nur noch zu wählen war, ob weiblicher Urin nach Channel Nr 5 roch und der Schweiß der Männer nach Agua Brava oder Boss.

Das Gelände, weitläufig mit einem drei Meter hohen Zaun umgeben, war gesichert wie ein Hochsicherheitstrakt. Kameras, Bewegungsmelder, Temperaturfühler, Infrarot-Nachtsichtgeräte, akustische Überwachung, es fehlte nichts, was dem neusten Stand der Sicherheitstechnik entsprach. In bestimmte Bereiche des Gebäudes, wie z.B. Teile des Labortraktes, kam man nur nach einem Augenscan. Außen bemerkte man nur den Zaun, der sich dem Gelände anpasste und durch seinen Camouflage Anstrich relativ unauffällig wirkte.

Jo Volland, 42, stellvertretender Geschäftsführer von Rentadep, fuhr rechts ran, sah in den Rückspiegel.

Weit und breit kein anderes Fahrzeug.

Er holte ein 3 cm langes, fingerdickes Glasröhrchen aus der Innentasche seines Jacketts, schüttete vorsichtig etwas Kokain auf seine dunkelgrüne Rolex, bugsierte das Platinröhrchen in die Nase und schnupfte die Portion ins linke Nasenloch. Wie immer, wenn er länger nicht geschnupft hatte, musste er plötzlich kacken. Er unterdrückte das Bedürfnis und wiederholte das Zeremoniell. Dann, um dem Ganzen etwas mehr Substanz zu verleihen, entnahm er einem zweiten Glaskolben mit rotem Korkverschluss, etwas Heroin und schickte es auf den Weg.

„Wer braucht Euphorin?“ sagte er mit leicht betäubtem Rachen. Er startete Pink Floyds Shine on your crazy diamond. Das Wageninnere mit seinen 32 Surroundboxen, sowie sein Hirn, wurden geflutet mit angenehmen Inputs.

Sehr angenehm.

„Remember when you were young“, sang er laut mit und fuhr, immer noch der einzige bewegliche Punkt weit und breit, auf die Straße zurück und in Richtung des Firmengeländes von Rentadep. Über ihm, aber ungehört kreiste ein Mäusebussard und rief in die klare Luft.

Obwohl abseits gelegen, konnte man in 30 Minuten zwei Autobahnen erreichen. In München war man in 2, Stuttgart Flughafen 1, Frankfurt knapp 3 Stunden. Wichtige Besucher kamen per Helikopter und landeten auf dem Dach des zweiten Stockwerks. Durch die Burg Lichtenstein, das Schloss Hohenzollern, der Bären- und Nebelhöhlen, alles touristische Ziele dieser Gegend, waren Autos mit Kennzeichen aus ganz Deutschland nichts Ungewöhnliches, vor allem in Ferienzeiten. Die Anwohner hatten sich daran gewöhnt, dass täglich Fremde in Erpfingen, Genkingen und Undingen unterwegs waren. Doch kaum einer der Gäste von Rentadep, hielt in einer der drei Ortschaften und es gab nie Ärger. Die Älbler, nach außen genauso rau wie die Landschaft, die sie hervorbrachte, dachten sich ihren Teil, und waren gegenüber Fremden sehr verschwiegen. Optimal.

Jo Volland steuerte den neuen Mercedes E8 zur Pforte von Rentadep.

Ein Pförtner salutierte und öffnete die Schranke. Jo gefiel das. Sollten die ruhig salutieren. Der Mann an der Pforte hatte Dreck an seinen Sicherheitsschuhen. Aufgeputscht vom Koks, in Sicherheit gehüllt vom Heroin und genervt von der Aussicht auf den Arbeitstag fragte er den Security Mann:

„ Wie heißen sie? Gefällt Ihnen Ihr Job?“

„ Lindner ist mein Name. Guten Morgen Herr Volland, Selbstverständlich.“

„Dann zeigen Sie das auch. Indem sie saubere Schuhe tragen. Sie sind hier der erste Repräsentant von Rentdep. Verstanden?“

„ Ja Herr Volland. Es tut mir leid“ Jo Volland sah das betretene Gesicht, wie er seinen Stolz herunterschluckte, für einen Job, der so inhaltslos und öde war, dass ihn nur Leute machen wollten, die nichts Besseres mehr finden würden.

Und solche Leute sichern die Firma?

Jo sprach ein kurzes Memo auf seine Smartphone.

Der Wagen fuhr lautlos rüber zum Wachhaus, wo ihm ein Angestellter wortlos die Schranke öffnete. Der Wagen glitt fast lautlos voran, lediglich die Reifen knirschen, als er von der Zufahrt auf den immer noch nicht geteerten Parkplatz einbog. Die Elektromotoren hatten zweifellos ihre Vorteile.

Vor allem wenn man ein Modell fuhr, das einem 560 PS Verbrennungsmotor entsprach.

Er parkte, lief rüber zum Eingangsbereich, scannte sein rechtes Auge ein und die zwei Türen glitten auf, während eine warme weibliche Stimme feststellte.

„Hallo Jo Volland, Rentadep begrüßt sie. Ihre Anwesenheit wurde zum heutigen Datum um 9.37 Uhr eingeloggt. Rentadep wünscht Ihnen einen profitablen gesunden Arbeitstag. Wünschen sie einen Schnellcheck?“

„Nein“.

Jo hätte am liebsten umgedreht.

Wie hasste er dieses blödsinnige Arbeitszeiterfassungssystem. Hätte er den Check zugelassen, so hätte die Stimme sich über seinen Hauttonus und Turgor ausgelassen und ein Glas Wasser empfohlen, sein Übergewicht angemahnt, verkrampfte Schultern erwähnt und die verengten Pupillen hinterfragt usw. Aber die Leitung bestand darauf. Dabei war er Bestandteil der Firmenleitung. Fünf gesättigte, verkommene Vorstandsmitglieder, um den Vorsitzenden Kowalski, mit dem, wenn man ihn etwas kannte, naheliegenden Spitzname Asshole.

Von hier wurde europaweit Rentadep gesteuert. Und geplant.

Jo Volland lief zum Lift und drückte auf das dritte UG.

Im Wartebereich und im Lift selbst, sollte eine Farborgel, die Psyche der Gäste positiv beeinflussen. Ihn nervte es.

Kein Wunder, dass die Schwaben so erfinderisch sind und gerne tüfteln, bei dem Klima, dachte er, während ein Kamilleduft den Lift erfüllte.

Jo war insgeheim ein Dichter, ohne den Denker, bzw. er wäre gerne einer.

Während er nach unten fuhr dachte er nach:

-ist Kunst Zeit/Systemabhängig?

Würde man Kunst von heute in 1000 Jahren als solche erkennen?

Sollte Kunst nicht das herrschende Syst. Zu entlarven suchen?

Nachdenklich wie er war, kam ihm Charlotte in den Sinn. Er dachte daran hinter ihr zu stehen und ihr langsam den Rock hoch zu schieben. Durch das dünne Futter seiner Anzughose begann er abwesend seinen Schwanz zu streicheln… Was mache ich mir solche Gedanken? Denken nicht nur Männer mit zu wenig Sex über so etwas nach?

Sein Schwanz wurde langsam hart. Ihm wurde bewusst was er tat und er hörte auf, sich zu befummeln. Leicht verlegen.

Der Lift hielt und Jo, mit einer halben Latte in der Hose, entschied sich anders, steckte den Schlüssel in die Expressvorrichtung und fuhr 5 Stockwerke hoch, in den zweiten Stock.

Fünf Minuten später saß er an seinem Schreibtisch.

Tageslicht gab es genug, denn sein Büro, Südseite, war nach Süden und Westen nach oben komplett verglast. Ein langer Balkon zog sich um die Ecke herum, im Sommer konnte man eine Markise ausfahren und es war herrlich dort zu sitzen. Man sah in diese Richtung kilometerweit keine menschliche Behausung. Trochtelfingen, Luftlinie 7 km lag in einem Tal und war nicht zu sehen. Ein ovaler Tisch, mit 12 bequemen Sesseln schuf eine Atmosphäre, die einen Hauch von Dominanz zuließ, je nachdem, wie man die Teilnehmer platzierte.

Die Aussicht auf die karge Landschaft war nicht sonderlich erbauend. Doch im Sommer, der Sommer auf der Alb konnte herrlich sein, aber er blieb nur wenige Wochen, stets unterbrochen von regnerischen kühlen Tagen und im Winter bei Eis und Schnee hatte die Landschaft durchaus ihren Reiz.

Apropos Schnee. Das Kokain rief nach mehr. Und ein klein wenig H, wer sagt da schon nein?

Braunes, afghanisches Heroin, unten im Labor von einem findigen Chemiker acetylisiert und chemisch verfeinert von Heroinbase zu Herionhydrochlorid, eignete sich nun, blütenweiß, hervorragend zum Schnupfen. Es schmolz geradezu in der Nase. Extra für ihn war ein minimaler Bananengeschmack beigefügt. Für den Affen, schmunzelte Jo.

Generationen von Junkies, auf der Suche und um aus minderwertigem, mit allem Möglichen verstrecktem Heroingemisch den maximalen Effekt zu erzielen, spritzen sich Heroin. Die Folge waren unfreiwillige Überdosierungen, Abszesse, rasende Kopfschmerzen, Nierenschmerzen, Organschäden usw.

Jo zog eine Schublade hervor, die in alten Zeiten Stifte beherbergt hatte. Er hatte das Fach durch eine dünne schwarze Marmorplatte ersetzt. Während er, mit geradezu meditierenden Bewegungen ein Häufchen Kokain, mit einem anderen Häufchen Heroin vermischte und mit einer Rasierklinge, in einer Goldhalterung, das Gemisch kleinhackte, dachte er nach.

Er konnte es einfach nicht fassen. Das Memo, welches offensichtlich nicht für ihn bestimmt worden war, hatte ihn gehörig aufgerüttelt. Zwischen zwei Akten, in einem Stapel von ausgedruckten mails hatte er die Zeilen gefunden. Wo kam das her? War es ein Zufall oderwollte jemand, dass er es las?

Er blickte einfach nicht durch. Er konnte es einfach nicht glauben. Dabei hatte ihr genialer Plan so vielversprechend begonnen und alle Erwartungen übertroffen. Zuerst hatten sie Euphorin entwickelt und er die dazu passende Hardware, den Verdampfer. Euphorin war besser als Heroin und zehnmal besser als Methadon/Polamidon oder Buprenorphin. Die Leute rissen sich darum, in ein Rentadep Euphorin Programm zu kommen. So war es relativ einfach, ihnen einen Vertrag aufzudrücken, durch den sie sich für die Dauer der Euphorinsubstitution, maximal 20 Jahre, zur Vermittlung zu lohnfreier, nicht gewerblicher Arbeit, verpflichteten.

Rentadep, ursprünglich als Hilfsorganisation für Opiat abhängige Menschen gedacht, war offensichtlich aus dem Ruder gelaufen. Oder, um es anders auszudrücken: Wenn seine ersten Vermutungen stimmten, hatte sich Rentadep, zur am meisten menschenverachtenden Organisation Europas seit dem Dritten Reich vor hundert Jahren entwickelt. Ohne Selbstmordattentate, ohne Bomben, ohne Waffen, ohne Ideologie oder Religion, wurden Menschen abhängig gemacht, eine Zeit lang benutzt und dann eliminiert. Doch das konnte nicht wahr sein. Bleib mal ruhig, sagte er sich. Wir leben im freien Deutschland und der Zweite Weltkrieg ist über 100 Jahre vorbei. Jetzt galt es cool zu bleiben und in Ruhe ein paar Erkundigungen einzuholen. Jo Volland verdankte der Firma, die er mitgestaltet hatte, sehr viel. An dem Euphorin Patent und an dem Verdampfer, den er maßgeblich entwickelt hatte, wurden Millionen verdient, denn Euphorin wurde auch außerhalb von Deutschland zur Substitution verwendet. Hier in Deutschland verdiente man indirekt an Euphorin, man vergab es nur innerhalb des Programmes. Ein Teil davon floss auf sein Konto. Das warf man nicht über Bord und wurde illoyal.

Die Idee kam ihnen, als Jo und Andreas über die mittlerweile gängige Praxis in den USA sprachen, den Strafvollzug zu privatisieren, was in Europa aus ethischen Gründen bisher abgelehnt wurde. Ein Knast der Profit abwerfen musste, kam schnell in Versuchung dies auf Kosten seiner Insassen zu tun. Aus dem Gespräch, der Diskussion entstand eine lebhafte Debatte, bis Jo irgendwann fragte: warum privatisieren wir nicht Abhängige und ihre Betreuung?Als sie, er und seine Clique, alle geboren kurz vor, am oder nach dem Millenium, vor 17 Jahren die Idee zu Rentadep entwickelten, war ursprünglich die Idee gewesen, den rund 95.000 Menschen die sich in Deutschland in einem Substitutionsprogramm befanden, damals noch mit Methadon, eine Möglichkeit zu geben, sich zu bilden, sozial einzubringen, aus dem Status des nutzlosen, kriminellen, bei der Bevölkerung oft als schmarotzend empfundenen, Status des Drogeninvaliden, raus zu kommen. Durch Vermittlung in Familien, oder für gemeinnützige Arbeiten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, war per Gesetz jeder Substituierte, der Euphorin wollte, verpflichtet worden, sich vermitteln zu lassen. Give and take. Die zweite Neuerung, das Benzin des Rentadepmotors war, ihnen eine Ersatzdroge zu bieten, die mehr war als der miese Heroinersatz Methadon und ein paar andere Substitute. Das sogenannte craving, das Verlangen nach der Droge, galt es zu befriedigen. Bisherige Ersatzmittel hatten zwar zuverlässig jegliche Entzugssymptomatik unterdrückt, brachten aber für den Gebraucher keinerlei gutes Gefühl. Ganz im Gegenteil. Heftige Nebenwirkungen, wie extremes Schwitzen, Schlafstörungen u.v.m. Jahrzehntelang hatte quasi jeder Methadonpatient daher Beikonsum von Drogen, die sie ja ersetzen sollte, von Alkohol und Tabletten.

Das wollten sie endlich ändern. Daher hatten sie sich zusammengesetzt und innerhalb weniger Monate Euphorin entwickelt. In Windeseile waren die Genehmigungsverfahren durchlaufen und es sprach sich bei den Abhängigen herum, was für ein super Stoff Euphorin war. Bei Rentadep glühten die Telefondrähte. Euphorin hatte ganz klare Vorteile: Missbrauch war aufgrund des Verdampfers ausgeschlossen, Handel oder Diebstahl zwecklos, denn die Verdampfer konnten nur vom Eigentümer genutzt werden und es war besser und reiner als jedes Straßenheroin. Die ursprüngliche Idee von Drogensubstitution, der harm reduction, der Schadensminimierung, wurde durch Euphorin ideal umgesetzt. Man inhalierte den Dampf. Keine Abszesse, keine Schleimhautschäden, keine erkrankten Bronchien oder Lungen. Keine Überdosen, kein ungewollter Tod.

Ab dann war das Programm ein Erfolg. Die Leute willigten in den Vertrag ein, ohne mit der Wimper zu zucken.

Euphorin war, wie der Name ahnen lässt, ein stark euphorisch wirkendes Opiat, im Vergleich mit Heroin oder Methadon wenig dämpfend und kaum mehr atemdepressiv, der Hauptgefahr bei Opiaten, mit einer Wirkdauer von 8 Stunden.

Mit Euphorin kam die dazu passende Konsum Hardware. Es wurde mittels Dampf in Nase oder Mund gesprüht. Das Gerät, das einer E-Zigarette glich, hatte unten einen Akkuträger, auf den ein kleiner Tank mit derm Euphoringas, was zur Flüssigkeit komprimiert wurde, aufgeschraubt war. Auf diesem saß ein Plastikröhrchen, welches man in Nase oder auch in den Mund/Rachen halten konnte.

Dreimal am Tag leuchtete ein kleiner Punkt grün auf und man hatte 15 Minuten Zeit, die Dosis zu konsumieren. Per Daumenabdruckscan wurde der Verdampfer freigeschaltet.

Manipulationen am Gerät wurden drakonisch bestraft, versuchte man an das Euphorin zu gelangen und öffnete den Tank zischte es kurz und das Euphorin dehnte sich zu Gas aus und war weg. Solche Versuche wurden mit kaltem Entzug oder der Beendigung des Programmes geahndet. Nachdem einige, eine bittere Erfahrung gemacht hatten, sprach sich das rum und nun versuchte es keiner mehr.

Euphorin hatte auch erhebliche Nachteile, doch darüber wurde geschwiegen.

Es machte sehr schnell abhängig. Psychisch und physisch.

Es machte extrem abhängig.

Der Kontrollverlust, der jede Abhängigkeit kennzeichnet, war irreparabel.

Einmal auf Euphorin bedeutet immer Euphorin.

Für 99,98 % der Abhängigen.

Zuverlässiger als jede politische Ideologie und Religion.

Der Entzug war dermaßen derbe, dass er nur noch in Vollnarkose vollzogen wurde.

Zum Entzug kam der Patient in Vollnarkose und man spritzte einen hochpotenten Opiatblocker. Der Körper machte eine Erfahrung, die einen Menschen über die Grenze des Erträglichen brachte. Nach dem Erwachen fühlten sich die Probanden zwei Wochen mehr tot als lebendig. Die Rückfallquote lag bei 99,8%.

Damit war Rentadep und ihr Zugpferd Euphorin in kurzer Zeit in ganz Deutschland und dann in fast ganz Europa auf der Erfolgspur. Bei Rentadep wusste man auch, dass Drogenabhängige keine Fürsprecher oder gar Lobby hatten, keiner brauchte und wollte sie.

Kein Mensch mochte Drogensüchtige. Außer Rentadep. Durch das Rentadep Programm verpflichteten sich die Süchtigen je nach Eintrittsalter für maximal 20 Jahre, waren weg von der Straße, hatten keinen Beikonsum außer THC und der war mittlerweile legal. Sie wurden in bescheidenem Rahmen ein nützlicher Teil der Gesellschaft. Fünf Jahre nach Beendigung des Programmes, also nach maximal 25 Jahren, bekamen sie eine Prämie, die sich nach einem Punktesystem richtete, dass wiederum von ihren Tätigkeiten und den genutzten Möglichkeiten der Weiterbildung, abhing. Nach spätestens 20 Jahren wurden sie offiziell aus dem Programm entlassen, erhielten auf Wunsch einen Entgiftungsversuch bezahlt und für den Rest ihrer Zeit Euphorin. Im Falle des Rückfalls. Von Tausend Teilnehmern blieben dann 1-3 Personen clean.

Der Rest ihrer Zeit betrug, wie Jo Volland nun gelesen hatte, maximal noch 120 Monate..

„Shit.“ Er drückte auf die Sprechverbindung. „Christine? Bitte kommen Sie rein.“

Christine, eine gut erhaltene Mittfünfzigerin mit Seitenscheitel Pagenkopf und in dunklem Rock mit weißer Seidenbluse und hohen, aber nicht zu hohen Absätzen betrat das ca.70m² große Büro.

„Stellen Sie mir mal die Akten und Zahlen vom geplanten Aktiengang mit den aktuellen Zahlen zusammen. Die Zahlen für die Börsenaufsicht und unser internen Berechnungen. Die Orginale, keinen PC Ausdruck, die habe ich selbst. Und, Christine, ich wäre nicht böse, wenn das unter uns bliebe.“

„ Haben Sie sonst noch einen Wunsch?“

„ Ähem..Das war alles“. Warum fragt mich meine Frau das nie?

Rentadep

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