Читать книгу Fachkräftemangel oder Machkräftemangel? - Jessica Lackner - Страница 10

Gegenwind und plötzliche Krankheitsausfälle statt Respekt

Оглавление

Natürlich haben wir nicht ewig im Freien gearbeitet. Schon ein Jahr später durften wir in einer Nacht- und Nebelaktion in die inzwischen fertigen Räume einziehen. Wir bekamen eine Ladenstraße mit beeindruckenden 200 Metern Verkaufsstand – von der Eisdiele über den Imbiss und das Strandcafé bis zur Pizzeria war endlich alles da. Auch ich durfte meinen Ideen freien Lauf lassen, bei der Konzeption mitwirken und von den Produkten bis zu den einzelnen Arbeitsprozessen überall mitentscheiden.

Als vom Wetter abhängiges Saisongeschäft standen wir alle unter enorm hohem Druck. Dazu kam: Ich wollte meinem überaus mächtigen Vater täglich beweisen, dass ich es auch draufhabe. Das war ein Kampf. An manchen Tagen dachte ich: So, heute habe ich alles richtig gemacht. Ich habe mit dem Team die Tresen mit den frischen Brötchen und saftigen Kuchen schön eingeräumt. Unser Mise en Place war unserer Ansicht nach perfekt vorbereitet und wir legten los und verkauften. Ich war morgens immer die Erste und abends die Letzte und hatte keinen freien Tag. Ich wollte als Vorbild vorangehen, in der Hoffnung, dadurch von meinem Team mehr Respekt und Anerkennung zu erhalten.

Doch immer wieder fegte mein Vater wie ein Tsunami brüllend durch die Läden. Kleine Kostprobe gefällig? Ob denn hier keiner sein Gehirn eingeschaltet hätte und niemand sehen würde, dass es fast keine Brezeln mehr gab und dass die Kühlschränke nachgefüllt werden müssten? Die Schilder könnte ja kein Mensch lesen, vor dem Eisladen stünde eine riesige Schlange und was ich denn hier für Idioten beschäftigte, die sich bewegten wie einarmige Banditen. Und so weiter und so fort.

Es gab immer Gegenwind. Jeden Tag. Das Team und ich fühlten uns nicht gut genug. Verzweiflung machte sich breit. Wir dachten: »Egal, was wir tun, es ist immer falsch.« Ich lag nachts wach und überlegte, warum er wohl am nächsten Tag wieder toben könnte; ich stellte mir einen Plan zusammen, der oft nicht funktionierte, da mein Vater doch immer irgendwas fand – wie die Nadel im Heuhaufen. Auch die Mitarbeiter litten sehr unter diesen Attacken, was dazu führte, dass sich einige regelmäßig krankmeldeten – natürlich immer pünktlich zum Wochenende mit Ausreden wie: »Ich habe Magen-Darm-Grippe« oder »Meine Oma feiert ihren 80. Geburtstag« (zum zweiten Mal, wohlgemerkt!). Es war einfach zermürbend.


Jeder weiß, wie fatal es ist, wenn plötzlich zu wenige Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Damals, während der Fußball-WM, fehlte es ohnehin an allen Ecken und Enden an gut ausgebildeten Fachkräften. Und es gab einfach zu wenige, die bei 30 Grad im Strandbad arbeiten und schwitzen wollten. Mir blieb also nichts anderes übrig, als erst mal selbst für zwei oder sogar drei zu arbeiten.

Fachkräftemangel oder Machkräftemangel?

Подняться наверх