Читать книгу Fachkräftemangel oder Machkräftemangel? - Jessica Lackner - Страница 8
2. Meine Geschichte
ОглавлениеAls kleines Mädchen habe ich immer gesagt, dass ich später auf keinen Fall den gleichen Beruf ausüben möchte wie meine Eltern. Sie haben nach der Wende in Berlin einen Imbiss gekauft – die »Spinner-Brücke«, heute Deutschlands bekanntester und erfolgreichster Biker-Treff. Alles dort roch nach Fett – Zeitungen, Geld, das Auto, von der Kleidung gar nicht zu reden. Sogar bei uns zu Hause war dieser intensive Geruch noch da.
Ein Imbiss und dann noch für Biker – das war damals gesellschaftlich nicht gerade hoch angesehen. Ab und zu habe ich das auch in der Schule gespürt. »Das ist ja kein richtiger Beruf.« »Wenn du wirklich etwas werden willst, musst du studieren.« In diesem Geist wurden viele meiner Mitschüler erzogen – auch ihre Eltern haben mich oft spüren lassen, was sie von der Imbissbude hielten. Manchmal habe ich mich deswegen sogar für meine Eltern geschämt und sie mussten mich schon eine Ecke früher rauslassen, wenn sie mich zur Schule brachten. Heute hingegen haben die Eltern meiner ehemaligen Mitschüler großen Respekt vor dem, was ich beruflich erreicht habe!
In den Sommerferien durfte ich dann ab und zu bei meinen Eltern aushelfen. Anfangs war ich noch so klein, dass ich nicht einmal über den Tresen schauen konnte, und zog mir Rollschuhe an, um die Getränke rauszugeben. Bis ich mir dann eine Tasse kochend heißen Kaffee über den Schuh schüttete und eine Riesenbrandblase bekam. Das war es dann erst mal …
Ein paar Wochen später (ich war acht) hatte ich meinen ersten eigenen Verkaufsstand mit Eis, Süßigkeiten und ein paar Merchandise-Produkten. Wenn ich mir etwas wünschte, wie etwa neue Schuhe, durfte ich mir das Geld auch schon selbst verdienen. Mein Vater sagte immer: »Verdienen kommt von dienen.« So bin ich groß geworden, das hat mich geprägt und dafür bin ich heute sehr dankbar.
Dennoch wollte ich später unbedingt etwas anderes machen als meine Eltern, das war klar. Etwas, das mit mehr gesellschaftlicher Anerkennung verbunden war. Ich wollte anders sein und etwas verändern. Nur wie?
Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, ins Hotelfach einzusteigen, also in die gehobene Gastronomie. Und wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog ich das schon damals durch, auch wenn ich erst 14 war. Von diesem Zeitpunkt an zählte für mich nichts anderes mehr. Ich brauchte kein Abitur und keine Fremdsprachen, Mathe, Physik und Chemie schon gar nicht. Ich wollte auch nicht studieren. Das war in meinen Augen alles nur Zeitverschwendung. Ich wollte sofort anfangen und nicht weiter auf die staatliche Schule gehen.
Meine Eltern konnte ich zum Glück von dieser Idee überzeugen, und so bekam ich die einmalige Chance, mit 15 Jahren auf die Tourismusschule Klessheim bei Salzburg, eine der renommiertesten Hotelfachschulen Österreichs, zu wechseln. Ein Traum wurde wahr, die lästigen Schulfächer fielen weg (na ja, nicht ganz, Mathe gab es schon noch und das Abitur machte ich dann auch), und so konnte ich mich voll und ganz auf meinen Wunschberuf konzentrieren. Ich meldete mich gleich direkt selbst von der alten Schule in Berlin ab.
Es war für mich etwas ganz Besonderes, auf diese Schule gehen zu dürfen. Mit meiner schicken Schuluniform fühlte ich mich richtig gut. Ich gehörte jetzt zur Elite – dachte ich. Doch ich merkte schnell, dass auch dort nur mit Wasser und Fett gekocht wurde. Das Ambiente, das Äußere – der Rahmen –, war zwar ein anderes als in der Imbissbude in Berlin, erwies sich jedoch auch nur als eine schönere Verpackung. Und das muss nicht immer gleich besser sein, denn letztendlich müssen wir überall etwas tun. Von nix kommt eben nix.
Nach den Lehrjahren an der Schule in Salzburg wollte ich noch ein Traineeprogramm in einem Hotel absolvieren, um anschließend endlich die Welt bereisen zu können. Ich war »stolz wie Bolle«, als ich bei der Hotelkette der amerikanischen Prinzessin in München anfangen durfte. Allerdings war der Weg dahin nicht ganz so leicht. Allein auf das Bewerbungsgespräch mussten meine Freundin und ich damals vier Stunden in der Lobby warten. Gestriegelt mit weißer Bluse, Blazer und Rock saßen wir da und ich fühlte mich alles andere als wohl in diesem Outfit. Aber ich wollte diesen Job unbedingt!
Dass ich diese Zeit im teuren München ohne die finanzielle Unterstützung meiner Eltern niemals überstanden hätte, war für mich damals zweitrangig. Hauptsache, in meinem Lebenslauf stand später, dass ich im Hilton gearbeitet hatte, das machte sich gut und öffnete mir vielleicht andere Türen. So war damals meine Einstellung … bis zum Jahre 2006.