Читать книгу Chroniken von Chaos und Ordnung. Band 2: Telos Malakin. Prüfung - J.H. Praßl - Страница 15

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Ei Kuhm

Thorn zeigte nach Nordwesten. Telos und Bargh folgten seinem Fingerzeig, konnten aber nichts erkennen.

„Ja und?“, meinte Telos leicht gereizt und kniff die Augen fester zusammen.

Thorn lehnte sich mit dem Rücken gegen die Reling und rollte seine Karte zusammen.

„Eine Rauchsäule.“ Er steckte seine Aufzeichnungen zurück in die lederne Rolle und fügte desinteressiert hinzu: „Müsste von der anderen Seite der Insel kommen.“

Es war der siebte Tag nach Doral Corons Besuch. Davor war eine Trideade verstrichen, ohne dass etwas Außergewöhnliches geschehen war und jeder Tag glich dem Tag davor. Erst nachdem sie das anbarische Schiff erspäht hatten, das direkt auf sie zusteuerte, kam die ersehnte Abwechslung. Zunächst war Telos nervös geworden, weil er eine anbarische Flagge für ein schlechtes Omen hielt. Aber zu seiner und vorallem Thorns Verblüffung kam ans Licht, dass Anbar ein Verbündeter Al’Jebals war, sodass sich der anbarische Kaptitän letztlich als Handelspartner herausstellte und nicht als Feind. Zu Barghs Leidwesen gab es keine epische Seeschlacht, sondern lediglich ein diplomatisches Gespräch. Am Ende hatten sie ihre Vorratskammern aufgestockt und Doral Coron wurde zum Besitzer einer neuen Seekarte. Darüber hinaus berichtete der Kapitän der Buckelwal, dass er mit seinem Schiff die nördlichen Kabugna-Inseln umfahren hatte, wobei er ein Schiff der Güldenmaidklasse in einer Bucht vor Anker liegen sah. Allerdings konnte er nicht mit näheren Beschreibungen dienen, da er sich aufgrund der Wilden, die jenes Gebiet besiedelten von der Bucht ferngehalten hatte.

Jetzt starrten sie alle über das Wasser auf die grünen Flecken in der Ferne und fragten sich, was es mit der Rauchsäule auf sich hatte, die offenbar nur Thorn erkennen konnte.

Telos’ Aufzeichnungen nach musste es sich bei der Insel vor ihnen um eine der nördlichsten Kabugna-Inseln handeln.

„Wunderbar. Dort wird das Schiff sein, von welchem Doral Coron gesprochen hat. Möglicherweise wurde es in Brand gesetzt“, bemerkte Telos.

Thorn sah ihn an, als wäre er schwer von Begriff.

„Ich bezweifle, dass wir den Rauch eines brennenden Schiffes über eine solche Distanz hinweg sehen würden, Telos. Eher wahrscheinlich ist, dass es sich um einen Vulkan handelt.“

„Natürlich.“ Telos rieb sich angespannt die Stirn. „Gut, dann würde ich vorschlagen, wir umrunden die Insel und suchen weiter nach den Schiffen.“ Er entfernte sich raschen Schrittes, um den Kapitän von der Kursänderung zu unterrichten.

Bargh war immer noch weit über die Reling gebeugt und starrte in die Richtung, in die Thorn gezeigt hatte: „Verdammt“, fluchte er leise. „Ich seh’ nur Wasser und einen grünen Fleck!“

„Das liegt vermutlich daran, dass du die falsche Insel beobachtest“, antwortete Thorn ungerührt. Bargh bedachte ihn mit einem schwer zu deutenden Blick, drehte sich abrupt um und marschierte erhobenen Hauptes über das Achterdeck. Dort angekommen begann er Kommandos zu brüllen, woraufhin sich sämtliche Seekämpfer an ihre Plätze begaben.

Die Rauchsäule war mit bloßem Auge tatsächlich kaum auszumachen. Aber nachdem sie die Insel zum Teil umrundet hatten, zeichnete sich der Kraterberg eines einzelnen Vulkans vom Firmament ab, der still vor sich hinqualmte. Offenbar war er erst vor kurzem aktiv gewesen.

Wenig später konnten Chara und Thorn in einer Bucht drei Masten erkennen, die vor dem Hintergrund eines endlosen Meers aus Vegetation in den Himmel ragten.

„Ein Schiff der Güldenmaidklasse“, stellte Chara fest und Thorn nickte bestätigend.

Beunruhigend still und reglos lag das Gefährt in den seichten Gewässern vor der Insel. Die Segel waren eingeholt. Kein Mann war an Deck zu sehen.

„Am Strand! Seht ihr? Am Strand!“, verschaffte sich Bargh brüllend Gehör.

Chara schwenkte ihren Blick vom Güldenmaidsegler zur Insel. Hunderte Eingeborene hatten sich am Ufer gesammelt und harrten des herannahenden Schiffes – Frauen, Kinder, aber vor allem Männer.

Da erspähte Chara noch etwas – einen schlanken, sich ob der sanften Wellen windenden Schatten auf der Wasseroberfläche. Verursacht wurde er von einem weiteren Mast, der nicht zu jenem Schiff gehörte, das sie schon von weitem gesehen hatten. Dieser Mast war der Hauptmast eines Schiffes, das auf dem Grund des Meeres lag.

„Zwei Expeditionsschiffe … das war es, wovon Al’Jebal gesprochen hat, richtig?“, fragte Chara.

„Wenn ich mich recht entsinne, ja“, gab Thorn zurück.

„Na gut, wir haben beide gefunden.“

„Und wo ist deren Besatzung?“, fragte Thorn unbehaglich.

„Das würde mich auch interessieren.“

Charas Augen wanderten zurück zum Strand, während die Aphrodia zwischen den aus dem Wasser stakenden Masten des Schiffwracks und den noch schwimmenden Segler manövrierte.

„Alle Mann auf Gefechtsstation!“, schmetterte Bargh und rannte zu Chara und Thorn aufs Vordeck. Telos drängte sich mit pikiertem Blick an den Matrosen vorbei, die mit dem Laden der Ballisten beschäftigt waren.

„Meinst du nicht, wir täten gut daran, nicht so offensichtlich kampfbereit auszusehen?“, herrschte er Bargh an, als er zu den anderen stieß.

„Wie sieht man denn unoffensichtlich kampfbereit aus?“, entgegnete Bargh verdattert.

„Keine Ballisten. Und die Waffen unter den Kleidern verborgen … oder was weiß ich.“ Telos blickte unzufrieden über das Deck zu den Matrosen, die bereits Stellung bezogen hatten. Diejenigen, die keine spezielle Position innehatten, umfassten kampfbereit ihre Waffen. Ein Blick zurück zum Strand signalisierte, dass die Eingeborenen neben den unheilvollen Tätowierungen, die ihre Gesichter verunstalteten, ein allgemein feindseliges Bild vermittelten. Auch sie waren bewaffnet und die Art ihrer Waffen kannten sie bereits vom Stamm der Huat. Die Wilden trugen Speere und Keulen und es war anzunehmen, dass sie auch Blasrohre und ähnlich primitive Fernkampfwaffen mit sich führten.

„Andererseits“, überlegte Telos laut, „scheint mir die Besetzung der Ballisten und des Katapults eine doch recht sinnvolle Vorkehrung zu sein.“

Bargh lächelte zufrieden.

„Katapult bereit?!“, schrie er über die Köpfe der Matrosen hinweg.

„Bereit!“, kam die Antwort prompt.

„Ballisten zur Insel ausrichten!“, folgte Telos’ Kommando.

Das Schiff neigte sich zur Seite, drehte träge seinen gewaltigen Rumpf und richtete sich längsseits zum Strand hin aus. Danach stand es still.

Als sich die Ballisten der Insel zuwandten, kam Bewegung in die Reihen der Eingeborenen. Die Frauen traten, ihre Sprösslinge an den Händen mit sich ziehend, hinter die Reihen bewaffneter Männer.

Bargh tippte mit dem Finger auf Telos’ Schulter und fragte vorsichtig: „Sollten wir das andere Schiff nicht sicherheitshalber versenken?“ Seine Augen glänzten in Aussicht auf ein paar prächtige Schüsse freudig.

„Keineswegs.“

„Es wäre allerdings angebracht, das Schiff zu inspizieren, meinst du nicht, Telos?“, mischte sich Thorn ein.

Telos runzelte nachdenklich die Stirn.

„Ich gehe!“, sagte Chara unerwartet und Telos bedachte sie mit einem verblüfften Blick.

„Willst du ein Beiboot benutzen, um auf das andere Schiff zu kommen?“, fragte er.

„Genau das“, antwortete Chara, „und Thorn soll mich begleiten, wenn es gestattet ist.“

Telos beruhigte sich. „Meinetwegen. Dann macht die Boote klar und bestimmt ein paar Matrosen, die euch begleiten.“

Thorn sah Chara hinterher, die sich unter Deck begab, um sich zu bewaffnen.

„Bei dem Gedanken, mit der Assassinin auf das andere Schiff zu wechseln, ist mir nicht wohl zumute“, erklärte er. „Falls wir dort Feindkontakt haben, wäre mir ein vertrauensvollerer Beistand lieber.“

„Deine Feinde sind auch Charas Feinde – zumindest im Moment“, entkräftete Telos sein Argument.

Bargh setzte gerade dazu an, dass es vielleicht doch sicherer wäre, das Schiff mit Drachenspeichelgeschossen zu befeuern, da tapste Osmosis auf die Gruppe zu und hielt sich, von ihrer Seekrankheit immer noch geschwächt, am Arm des Priesters fest:

„Wo sind wir … wie lange habe ich geschlafen?“, fragte sie. Sie war etwas bleich um die Nase, wirkte aber halbwegs gesund. Bargh vergaß sofort seine Vision von krachenden Geschossen und versetzte ihr einen freundschaftlichen Hieb auf den Rücken, der sie beträchtlich schwanken ließ: „Ich würde mal sagen, eine halbe Ewigkeit!“, sagte er.

Telos schilderte ihr so kurz es ging die momentane Lage und wandte sich wieder Thorn zu: „Also dann, ich würde sagen, ihr macht euch jetzt auf den Weg. Passt auf euch auf! Keiner weiß, was hier tatsächlich vorgefallen ist!“

Der kahle, tätowierte Schädel des Stammesschamanen drehte sich zur Seite, als er das Wort an den Stammessprecher richtete.

Ei khum“, flüsterte er leise und wiederholte damit, was er seit drei Trideaden jeden Abend, wenn er sich mit dem Rat des Stammes versammelte, zum Besten gab. Doch diesmal klang seine Stimme nicht unheilvoll. Vielmehr schwang in seinen Worten eine knisternde Anspannung mit, die den Eindruck erweckte, als würde er der Dinge interessiert harren, die da kommen sollten. Der Ulli-Bra nickte nur und blickte wieder über das Wasser hinweg auf das Schiff, das seit einiger Zeit in der Bucht vor Anker lag.

Der alte Schamane legte die dürren, faltigen Fingerkuppen auf seine Brust und schloss die Augen. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen, als er mit eindringlichem Flüstern hinzufügte:

„Siki pfin rida la ei. Siki pfin rida ka tri ida di pfini. Ada pfin rida.“

Chroniken von Chaos und Ordnung. Band 2: Telos Malakin. Prüfung

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