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22. Kapitel Ich verlasse England und fahre auf das Atlantische Meer hinaus. — Frankreich, Cherbourg
ОглавлениеIch begab mich nun bald wieder auf Deck, von wo aus ich die Abfahrt des Schiffes erleben wollte.
Das ging nämlich recht eigenartig vor sich.
Als ich oben auf Deck ankam, begegnete ich meinem guten Freund. Herrn Garfield, wieder.
„Jetzt fahren wir ab“, sagte er.
„Ja“, erwiderte ich, „das wollte ich mir gerade ansehen.“
Wir gingen beide zusammen auf das höchste Vorderdeck hinauf, denn von dort aus konnten wir am besten alles beobachten, was da vor sich ging.
Alle Einzelheiten wurden mir von Herrn Garfield auf das beste erklärt. Er kannte ja alles genau
Es handle sich da zunächst nur um dieses Eine, sagte mir Herr Garfield, nämlich das riesengroße Schiff in eine solche Lage zu bringen, daß es aus eigener Kraft den Hafen verlassen könne.
Das Schiff lag nämlich mit der einen Seite dicht gegen das Bollwerk des langgestreckten Hafenufers vertäut.
Bevor es sich bewegen konnte, war es notwendig, den Vorderteil des Schiffes vom Lande so weit loszulösen, bis er genau nach dem freien Meere hin gerichtet sei.
Um aber den großen Schiffskörper in die richtige Lage bringen zu können, befestigte man ungewöhnlich dicke Taue vorn am Schiff. Die anderen Enden der Taue wurden an mehrere schwere Schleppdampfer festgemacht. Diese letzteren sollten nun versuchen, den Vorderteil der „Berengaria“ durch kräftiges Ziehen vom Bollwerk zu entfernen.
Diese schweren, ungemein stark gebauten Hafendampfer sahen wie wahre Ungeheuer aus.
Herr Garfield sagte mir, man nenne sie in der englischen Sprache „tuggers“ oder „tug-boats“. — Das heißt „Zieher“ oder „Zieh-Boote“. Ihre Maschinen sind von ungewöhnlicher Stärke.
Diese sogenannten „tuggers“ — es waren mehrere, die gleichzeitig zogen — arbeiteten eine Zeitlang alle zusammen, schienen aber zuerst nichts ausrichten zu können.
Trotz allem Ziehen blieb das gewaltige Schiff an der langen Ufermauer liegen.
Nach einiger Zeit aber fing doch schließlich der enorm große Koloß an, langsam nachzugeben.
Die kleinen „tuggers“ keuchten und strengten sich mit aller Kraft an. Nach härtester Arbeit brachten es die kleinen Ungeheuer fertig, den Widerstand des starken Riesen endgültig zu brechen …
Das mächtige Schiff ließ sich in die richtige Lage bringen. Der Vorderteil wandte sich schließlich genau nach dem offenen Meere hin. Jetzt verließen die kleinen, aber starken Zieh-Boote das große Schiff, und gleich darauf fingen die mitten im Schiffskörper liegenden riesigen Schiffsmaschinen ihre Arbeit an.
Das ganze Schiff zitterte und bebte eine Zeitlang, dann aber glitt es ruhig dahin und zog hinaus auf das freie Meer.
Unsere Reise von Europa nach Amerika durch die endlose Wasserfläche des Atlantischen Meeres hatte begonnen, und bald lagen England und die Stadt Southampton in der Ferne hinter uns.
Nur einmal sollten wir auf dieser Fahrt einen kurzen Halt machen, nämlich bei der französischen Stadt Cherbourg. Denn dort sollten mehrere hundert neue französische Passagiere und auch eine Menge Waren und Frachtgüter für Amerika aufgenommen werden.
„Wissen Sie, ob wir lange in Cherbourg bleiben werden?“ fragte ich Herrn Garfield.
„In Cherbourg“, erwiderte er, „werden wir nur einige Stunden bleiben.“
„Dort werden wohl die neuen französischen Passagiere aufgenommen werden?“
„Nein, die französischen Passagiere werden uns auf zwei Dampfern entgegengebracht werden. Sie werden auf offenem Meer von der „Berengaria“ an Bord genommen.“
„Werden uns auch die Waren und Frachtgüter auf offenem Meer draußen entgegengebracht?“
„Nein. Wenn die französischen Passagiere aufgenommen sind, dann fahren wir in den Hafen hinein und nehmen Frachtgut entgegen für Amerika.“
„Ist das alles, was wir in Cherbourg zu tun haben?“
„Ja, das ist alles. Wenn wir die Waren aufgenommen haben, setzen wir unsere Reise nach Amerika fort.“
Jetzt wußte ich Bescheid.
Wir blieben noch eine gute Weile oben auf dem hohen Deck, um weiter miteinander zu plaudern.
Er teilte mir viele nützliche und interessante Einzelheiten über Leben und Gebräuche in Nordamerika mit, wo ich mich nun jetzt einige Monate aufhalten wollte.
Dann machte mich auch Herr Garfield auf die Tagesordnung der „Berengaria“ aufmerksam und lud mich ein, alle meine Mahlzeiten zusammen mit ihm einzunehmen. Das nahm ich gern an, denn einen angenehmeren und edleren Reisegefährten hätte ich nicht leicht finden können.
Er wählte dann für uns beide in dem großen „Dining-room“ der „Berengaria“ einen kleinen Tisch aus.
Dort nahmen wir dann immer unsere Mahlzeiten ein. Und er sorgte die ganze Reise hindurch dafür, daß mir nie etwas fehlte.
Unterdessen schwamm unser Schiff mit großer Schnelligkeit vorwärts, auf Frankreich zu.
Bald machte mich Herr Garfield darauf aufmerksam, daß die zwei französischen Dampfer mit den Passagieren aus Frankreich nun erscheinen würden.
Jetzt war aber die Küste Frankreichs schon sichtbar geworden. — Von den vorgeschobenen Felsenfestungen der Stadt wurden einige kräftige Kanonenschüsse abgefeuert, und kurz darnach erschienen zwei Dampfer mit französischen Amerikafahrern.
Sofort hielt unser Schiff, und die zwei mit Passagieren gefüllten Dampfer legten sich an unsere Seite.
Durch geschicktes Manöverieren gelang es in kürzester Zeit, die französischen Reisenden auf bequeme Weise in unser Schiff aufzunehmen. Hernach fuhr die „Berengaria“ in den Cherbourger Hafen hinein. Hier legte sie sich dicht an eines der vielen Hafenbollwerke.
Dort entdeckte ich bald einen ganzen Berg von Frachtgütern, welche wir nach Amerika bringen sollten.
Das Einladen dieser Güter in die „Berengaria“ begann sofort.
Flinke französische Arbeiter, worunter viele junge Leute waren, brachten die zahlreichen Kisten, Kasten und Säcke herbei. Alles wurde dann mit Hilfe von mächtigen Maschinen in die weiten Lasträume des Schiffes befördert. Bald war der Berg am Kai von den enorm großen Lasträumen der „Berengaria“ verschlungen.
Als Dank für die sorgfältige Arbeit warfen einige englische und amerikanische Passagiere den flinken Arbeitern glänzende Münzen aller Art zum Kai hinunter.
Ein wahrer Goldregen ergoß sich über die braven Leute …
Die Jüngeren unter ihnen fingen sie mit Geschick auf und steckten sie in ihre Taschen.
Das Zeichen zur Abfahrt wurde gegeben, die mächtigen Schiffsmaschinen liefen an, das große Schiff bebte und zitterte wieder unter der Wucht des Antriebs, dann glitt die „Berengaria“ sanft und ruhig aus dem Hafen hinaus.
Als sie das offene Meer erreicht hatte, wurde vom Kapitän der Befehl gegeben: „Mit voller Kraft“, und nun eilte unser schwimmender Palast mit erstaunlicher Schnelligkeit majestätisch durch die Wassermassen des Atlantischen Meeres auf die „Neue Welt“ zu — diese wundervolle Neue Welt, welche um das Jahr 1000 von Leif Eiriksson — dessen Standbild in Boston zu sehen ist — zum erstenmal entdeckt wurde und den Namen „Markland“ erhielt — welche dann aber wieder verloren ging und vier Jahrhunderte später von Christoph Kolumbus zum zweitenmal entdeckt wurde und den endgültigen Namen Amerika erhielt.
In diese neue Zauberwelt sollte ich nach fünf Tagen einziehen!