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ОглавлениеInterview mit Hilde Emmerich:
„Kein Durchschnittskind“
An welche Anekdoten erinnern Sie sich, wenn Sie an Ihren Sohn als kleinen Jungen denken?
HE: In besonderer Erinnerung ist mir folgende Situation: Wir waren erst kurz zuvor in unser neues Haus in Sindelfingen umgezogen, das sich auf einem Hügel befindet. Damit die Kinder richtig spielen konnten, haben wir vieles begradigt – aber trotzdem kam es zu einem Unfall. Roland spielte Fußball, rannte den Garten hinunter und fiel über die Mauer. Er brach sich dabei das Handgelenk und musste ins Krankenhaus. Weil ihm später oft der Arm auskugelte, dachte ich lange Zeit, dass das vielleicht eine Folge des Sturzes war …
Wie war er als Kind?
HE: Roland war kein Durchschnittskind, wie ich finde. Er fiel schon im Kindergarten durch seine künstlerische Begabung auf und konnte wirklich toll zeichnen und malen. Während seiner Schulzeit half er auch einer Klassenkameradin, die Mode studieren wollte, indem er ihr für die Bewerbungsmappe alle Zeichnungen erstellte. Er hatte immer großartige Ideen und lief nie mit der Masse mit. Auch war er alles andere als ein Rowdy. Im Gegensatz zu seinem Bruder Andy hatte er auch keinen riesigen Freundeskreis, sondern verhielt sich eher zurückhaltend. Roland suchte seine Freunde genau aus. Allerdings war er schon sehr lebendig, unruhig und hatte immer was am Laufen. Als Kind ist er manchmal mit seinen Geschwistern und seiner Cousine Renate auf Friedhöfen herumgewandert und hat sich über die absurden Namen auf manchen Grabsteinen amüsiert. Renate erzählt immer, das sei gewesen wie bei Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Er hat später mit 15 oder 16 immer Grabsteine und Särge gemalt. An seinem 21. Geburstag ließ er sich schließlich in einem Sarg beerdigen. Er hat das damals im Geheimen zelebriert, auf einem angemieteten Gartengrundstück, mit engen Freunden. Mein Mann und ich wussten nichts davon. Als ich es später erfahren habe, war ich geschockt. Aber es hat wohl mit seinem schwarzen Humor zu tun, vielleicht auch mit Surrealismus, der ihm sehr gefiel. Was Roland vor allem war: Ein absoluter Bücherwurm. Ich kann mich erinnern, dass er z.B. schon als Steppke alles von Hermann Hesse gelesen hatte. Aber auch wenn Roland manchmal etwas eigen war, zu den Familien-Ausflügen ging er immer mit, selbst wenn er vielleicht das eine oder andere Mal gar nicht so viel Lust darauf hatte. Beispielsweise waren wir lange Zeit jeden Samstag auf der Teck, weil unser Sohn Wolfgang gerne Modellflugzeuge steigen ließ und später auch zum Segelflieger wurde. Im Übrigen erlebten wir viele klassische Familienurlaube, an die ich immer noch wundervolle Erinnerungen habe. Im Winter waren wir oft im Engadin Skifahren, im Sommer in Spanien, an der Costa Brava.
Wie haben Sie die ersten filmischen Gehversuche Ihres Sohnes erlebt?
HE: Wir konnten zuerst nicht so viel damit anfangen. Weil es halt so was ganz anderes war. Andererseits war auch beispielsweise mein Mann Hans sehr filmbegeistert. Er drehte viele Super-8-Filme. Immer wenn wir im Urlaub waren, rannte Hans mit der Kamera herum.
Lebhaft in Erinnerung sind mir die ersten Filme von Roland deshalb, weil ich oft für die ganze Crew kochen musste. Bereits bei seinem Studentenprojekt Franzmann wuselten hier viele herum. Ich machte ihnen Boeuf Stroganoff mit Spätzle und es schmeckte ihnen wunderbar. Bei Das Arche Noah Prinzip kochte ich Kartoffelsuppe mit Würstchen und brachte das Ganze in Kochtöpfen zum Drehort. Manchmal mussten wir hier auch 40 bis 50 Butterbrezeln schmieren. Natürlich haben viele hier zudem übernachtet, weil niemand von der Filmproduktion Geld besaß. Aber ich muss sagen, dass ich mich sehr gerne an diese Zeit zurückerinnere. Ich bin mit diesen Leuten wunderbar ausgekommen, es war ein Riesen-Spaß. Und ich habe mit vielen von ihnen heute noch Kontakt, weil sie sich regelmäßig bei mir melden. Das finde ich natürlich sehr erfreulich. Ich habe damals natürlich auch mitgekriegt, dass irgendwann mal das Geld ausging und mein Mann einspringen musste. Rolands Ideen waren immer phantastisch, aber sie kosteten eben auch Geld.
Wie haben Sie darauf reagiert, als Roland und Ute Ihnen erklärten, dass sie nach Amerika ziehen wollten?
HE: Die beiden hatten ja schon immer ein Faible für die USA und waren auch schon vorher mehrfach dort. Das war eine logische Konsequenz. Hier in Deutschland wurde Roland als „Spielbergle“ belächelt und hatte einfach ab einem bestimmten Moment keine Lust mehr, sich das anzuhören. Zumal er von Mario Kassar nach Moon 44 ein Angebot bekam, das er nur schwerlich hätte ausschlagen können. Und weil er bei all seinen Filmen mit Ute eng zusammengearbeitet hatte, war klar, dass auch sie mitgehen würde. Zuerst war es schwierig für mich, das zu akzeptieren, fast ein Schock. Schließlich sind es ja meine Kinder. Ich erinnere mich daran, dass Roland eines Abends seinen Vater aus den USA anrief und ihm erklärte, er habe ein lukratives Angebot bekommen. Mein Mann meinte zu ihm: „Es kann dir gar nichts Besseres passieren. Nimm das Angebot an!“ Mein Mann war lange Zeit für Roland ein enger Vertrauter, mit dem er alles besprechen konnte.
Es fällt auf, dass Ihr Sohn Sie in ganz vielen Interviews oder Ansprachen erwähnt. Schmeichelt das?
HE: Natürlich schmeichelt mir das. Ich bin auch wirklich stolz auf Roland und das, was er erreicht hat. Natürlich höre ich eher selten von ihm, meistens telefoniere ich mit Ute. Roland ist ständig im Stress und umringt von einem Tross von Leuten. Es ist etwas schwierig, sich mit ihm in Ruhe unterhalten zu können. Deswegen freue ich mich natürlich umso mehr, wenn er mich immer an Weihnachten besuchen kommt – sofern es ihm möglich ist. Er hat mich auch schon auf sein Schiff in Thailand mitgenommen, die Maid Marian II. Das war herrlich. Zusammen mit meinen fünf Enkeln. Einmal reservierte er mir eine Hotel-Suite in Bangkok, die so überwältigend groß war, dass ich dachte, ich könnte darin tanzen.