Читать книгу Roland Emmerich - Jo Müller - Страница 19

Оглавление

Interview mit Roland Emmerich:

„Keine Angst, etwas nachzumachen“

Wie kommt man als Regisseur in einem Land, das vom hochintellektuellen Autorenkino dominiert wird, dazu, phantastisches Kino zu kreieren?

RE: Das muss man natürlich im Kontext sehen. Die ganzen Autorenfilme, die in Deutschland gedreht wurden, sind als Antwort auf eine ziemlich verkorkste Kinoindustrie zu sehen, die eigentlich nur noch Heimatfilme, ein paar Karl-May-Adaptionen oder Edgar-Wallace-Streifen auf den Markt gebracht hatte. Jetzt, in den 1980er Jahren, hat sich einiges geändert. Die Autorenfilmer haben es nie geschafft, das große Publikum zu erreichen. Anders als etwa die französischen Regisseure konnten sie nicht von ihren Werken leben. Vor einigen Jahren wurde hierzulande der Unterhaltungsfilm wiederentdeckt und alle haben geschrien: „Wir machen jetzt Unterhaltungskino.“ Gemacht hat es allerdings kaum einer. Deshalb sehen sich die meisten Kino-Zuschauer auch heute lieber amerikanische als deutsche Filme an. Durch Leute wie Günther Rohrbach und Bernd Eichinger, die Das Boot beziehungsweise Die unendliche Geschichte produziert haben, ist bei mir und anderen einfach das Interesse entstanden, Filme zu inszenieren, die einem internationalen Standard genügen, die kommerziell angelegt und unterhaltend sind. Ich bin nach wie vor ein begeisterter Kino-Zuschauer.

Man hat den Eindruck, dass deutsche Regisseure am liebsten Dialogfilme inszenieren, die Kamera aufstellen und drauflosfilmen. Bei Ihnen scheint das anders zu sein. Das Arche Noah Prinzip war ein Unterhaltungsfilm, der seine Wirkung vor allem durch eindrucksvolle Bilder erzielte. Was sind Ihre Kino-Vorbilder?

RE: Ich komme tatsächlich mehr von der visuellen Seite. Film bedeutet nämlich, dass man die Kamera nicht nur aufstellt, sondern viele Fahrten macht. Man braucht beim Dreh wesentlich mehr Einstellungen, als man später überhaupt verwendet. Am Schneidetisch wird der Film montiert und sowohl Geschwindigkeit als auch Rhythmus werden festgelegt. Wenn zum Beispiel bei Joey ein Kind in eine bestimmte Richtung blickt und etwas Schreckliches passiert, dann schneide ich nicht nur eine Großaufnahme des Gesichts ein, sondern mache eine Kamerafahrt aus Untersicht. Ich versuche durch Bewegungen, die eine Kamera auszuführen imstande ist, so etwas wie eine Grund-Dramatik zu erzeugen.

Zu meinen Vorbildern: Ich bin ein echter Anhänger des letzten Hollywood-Kinojahrzehnts, über das hierzulande so viel gelästert wird. Ich finde das, was die Filmemacher in den vergangenen zehn Jahren in Hollywood inszeniert haben, einfach exzellent. Alien zum Beispiel ist einer meiner absoluten Lieblingsfilme, weil er rein visuell aufgezogen, total gestylt ist. Da stimmt einfach alles: ein unheimlich gutes Produktions-Design, eine wahnsinnig tolle Kamera, perfekte Schauspieler und eine sehr gute Inszenierung. Die Story ist sehr einfach gehalten und rein auf die visuellen Effekte und Bewegungen des Films abgestimmt – perfekt! Ich glaube, meine Vorbilder und mein Geschmack decken sich so ziemlich mit den in letzter Zeit erfolgreichen Filmen.

In Das Arche Noah Prinzip zitieren Sie viel. Es gibt zahlreiche Anspielungen auf Spielberg-, Lucas- und Kubrick-Filme. Mögen Sie solche cineastischen Anspielungen?

RE: Ich zitiere unheimlich gern. Es ist eine Möglichkeit, die Arbeit dieser Regisseure zu würdigen und auf die Filmemacher anzuspielen, die jene Art von Kino geprägt haben, das ich in Zukunft machen möchte. Außerdem macht es riesigen Spaß, Zitate zu bringen. Das ist dann auch der Charakter, der Filmen wie Das Arche Noah Prinzip zu eigen ist. Wenn jemand einen solche Film sieht, sollte er im besten Falle denken: „Mensch, der ist auf dem Weg, irgendwann großes Science-Fiction-Kino zu machen.“ Übrigens: Bei Joey habe ich noch viel, viel mehr zitiert, das ist ein Film, der nur aus Film-Zitaten besteht.

Die Story von Joey mutet an wie eine Mixtur aus Spielbergs E.T. und dem von ihm produzierten Poltergeist. Ist Spielberg Ihr Vorbild?

RE: Ich finde einfach drei oder vier seiner Filme sehr gut. Vor allem Unheimliche Begegnung der dritten Art hat mir sehr gefallen. Sehr schön fand ich aber auch E.T., Sugarland Express oder Der weiße Hai. Letzteren finde ich deswegen so toll, weil er einer der am erstaunlichsten montierten Filme aller Zeiten ist. Steven Spielberg dreht sehr gut und verwendet viele komplizierte Kamerafahrten. Eine Sache, die ich auch sehr liebe.

Fasziniert Sie die Hollywood’sche Synthetik-Welt à la Krieg der Sterne? Den Roboter R2D2 sieht man als Spielzeug sowohl in Das Arche Noah Prinzip als auch in Joey.

RE: Total! In Joey spielt zum Beispiel ein kleiner Roboter mit, der allerlei Kapriolen macht. Ich wollte einfach mal einen Film drehen, in dem ich eigene Sehgewohnheiten verarbeite und den ich mir selbst im Kino gerne anschauen würde. Angst davor, dass es da und dort mal Ähnlichkeiten zu anderen Filmen gibt, habe ich überhaupt nicht. Grundsätzlich glaube ich, dass wir in Deutschland einfach zu viel Angst haben, etwas nachzumachen. Dabei sind viele amerikanische Kino-Hits im Grunde genommen Remakes anderer Filme. Francis Ford Coppola hat vor wenigen Jahren Der schwarze Hengst produziert. Die Drehbuchautorin Melissa Mathison schrieb auch E.T. Beide Filme erzählen aber eigentlich die gleiche Geschichte, nur ist bei E.T. aus dem Pferd ein Außerirdischer geworden. Man versucht heutzutage einfach, gängige Sujets witziger und aktueller zu gestalten. Früher hatten wir Cinderella oder Peter Pan, heute eben etwas anderes. Die neuen Figuren sehen vielleicht ein bisschen hässlicher aus, sind aber genauso liebenswert. Die meisten neuen Geschichten sind letztlich nur Varianten altbekannter Plots. Ich glaube, dass nichts neu erfunden, sondern nur neu erzählt wird. Und hier in Deutschland denkt überhaupt niemand darüber nach.

Sie sprechen jetzt ziemlich viel vom Unterhaltungskino. Was halten Sie von der Behauptung des US-Kultregisseurs John Carpenter, dass Filme sich nicht für Botschaften eigneten?

RE: Carpenter inszeniert eben solche Filme und überlegt sich erst danach, wie er untermauern kann, was er da gedreht hat. Ich glaube, das ist schlichtweg Blödsinn. Die Brücke von Bernhard Wicki hat eine Botschaft, gleiches gilt für The Day After. Letzteren finde ich persönlich zwar nicht gut, aber er hat eine Botschaft.

Sie sind eine Art Allround-Talent: Sie führen Regie und haben auch Creatures von Joey modelliert. Sicher kontrollieren Sie auch den Schnitt?

RE: Hoffentlich diesmal weniger als bei Das Arche Noah Prinzip. Ich wusste damals nicht so recht, wie ich den Film schneiden sollte. Ich glaube, dass ich langsam richtig verschrien bin, weil ich mich überall einmische. Zum Beispiel gefällt mir momentan die Arbeit unserer Spezial-Effekt-Techniker überhaupt nicht …

Sie haben sicher inzwischen einiges an technischem Know-how dazugelernt.

RE: Auf alle Fälle. Ich habe meinen ersten abendfüllenden Spielfilm gemacht und arbeite jetzt an meinem zweiten. Das Arche Noah Prinzip war mein Abschlussfilm auf der Hochschule für Fernsehen und Film in München. Das war damit nicht einmal mein erster frei produzierter Spielfilm. Joey ist – wenn Sie es genau nehmen – eigentlich mein Erstling.

Gab es bei Joey ähnlich wie bei Das Arche Noah Prinzip technische Pannen?

RE: Was soll’s da für technische Pannen gegeben haben?

Ich habe gehört, Sie hätten mit den Kameras Schwierigkeiten gehabt.

RE: Ja, wir hatten Schwierigkeiten mit der Schärfe, aber die hat jeder, der in Cinemascope dreht. Dieses Format benötigt, besonders wenn man mit Visual Effects arbeitet, die später hineinkopiert werden, sehr viel Licht. Bei Joey haben wir im Döffinger Steinbruch zwei Häuser aufgebaut und nachts gedreht, wofür wir Unmengen an Scheinwerfern benötigten. Ich glaube, nur selten wurde in Deutschland ein Film mit so viel Licht gedreht. Und so etwas kann einen Film natürlich wahnsinnig verteuern.

Wie kommt jemand aus bürgerlichem Haus dazu, Filme zu machen?

RE: Weil ich ein absoluter Film-Freak bin, das ist der einzige Grund. Ich mag Kino einfach. Es macht Spaß, ins Kino zu gehen. Und irgendwann will man so was auch selber machen. Erst stellt man sich das natürlich wahnsinnig toll vor und bemerkt erst dann, dass es harte Arbeit ist. Aber am Ende werden Sie total infiziert.

Wie hoch ist das Budget von Joey?

RE: Das sage ich nicht. Ich finde es grundsätzlich nicht gut – das ist auch so eine deutsche Art -, ständig über Budgets zu reden. Diese Frage wird mir so oft gestellt und sie ärgert mich. Ich komme schließlich auch nicht zu Ihnen in die Wohnung und frage Sie, wie viel der Herd gekostet hat oder wie viel Miete Sie bezahlen. Wir drehen Joey in drei Hallen und haben dazu noch ein Außenset. Normalerweise könnte ich den Film auch in den Bavaria-Studios drehen. Aber dort zahle ich das Doppelte oder Dreifache. Das mache ich nicht, weil ich das, was ich dort ausgeben würde, direkt für den Film haben will. Jetzt kommen vielleicht irgendwelche Journalisten und schreiben despektierlich: „Er dreht in einer ausgedienten Waschmaschinenfabrik.“ Aber wir arbeiten hier zum Teil mit Visual Effects und Tricks, die übersteigen bei Weitem das, was Produktionen wie Das Boot hatten. Auch was Lichtquantität und Technik angeht, hatten wir mehr als Das Boot. Im Übrigen wird kein Kritiker meinen Film vor dem Start sehen, es wird nur Previews geben. Die Zuschauer sollen selbst entscheiden, ob ihnen der Film gefällt, und eben nicht irgendwelche Leute, die über Film schreiben. Ich mache solche Previews mit Zuschauern, um zu testen, ob der Film gut oder schlecht läuft. Das ist das Einzige, was mich interessiert. Ich sehe bei einer solchen Vorführung, was beim Publikum ankommt und was nicht. Gegebenenfalls werde ich danach dieses oder jenes an dem Film korrigieren. Wir starten dann mit 100 Kopien und nach ungefähr vier Vorstellungen weiß ich, ob ich den richtigen Film gemacht habe. Das ist alles, was zählt, alles andere interessiert mich nicht.

Was ist Ihr nächstes Projekt?

RE: Ich schreibe gerade zwei Bücher. Es sind zwei Stoffe, die ich schon immer machen wollte. Das eine ist eine Neuverfilmung von Robinson Crusoe. Diesmal eben im Weltall, in der Zukunft. Robinson Crusoe ist dort ein 14-jähriger Junge.

… Hört sich ein bisschen wie Robinson Crusoe auf dem Mars an …

RE: Jaja, es gibt auch John Carter vom Mars. Übrigens lese ich überhaupt keine Science-Fiction-Romane oder besser gesagt nur ganz wenige. Ich finde die meisten ziemlich schrecklich. Aber Science Fiction ist eben ein Genre, eine Film-Form, die sich sehr gut zum Erzählen von Geschichten eignet.

Die andere Story, die ich momentan entwickle, heißt Nekropole (wurde 1994 von Emmerich unter dem Titel Stargate verfilmt, Anm. d. Autors). Der Film soll den Ursprung der Pyramiden zum Thema haben. So ein bisschen von Däniken angehaucht. Erich von Däniken ist, glaube ich, ein ziemlicher Spinner, aber er schreibt gute Geschichten. Ich meine: Ob die jetzt wahr sind oder nicht – das ist mir egal.

Roland Emmerich

Подняться наверх