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Interview mit Roland Emmerich:

„In L.A. fühle ich mich zu Hause“

Wie lebt es sich denn als Schwabe in Los Angeles? Haben Sie sich schon perfekt assimiliert oder sich ihre deutsche Skepsis bewahrt?

RE: Im Kern bin ich natürlich noch Deutscher. So etwas kriegt man nicht los. Seine Wurzeln kann niemand verleugnen. Das geht auch meiner Schwester Ute so. Das wird sich auch niemals ändern. Wir sind aber natürlich amerikanisiert. Heißt: Wenn wir zu einem Restaurant fahren und da ist kein „Valet Parking“, dann nervt uns das. Und wenn wir eine Pizza bestellen und sie ist nicht innerhalb von 20 Minuten geliefert, dann wird natürlich auch gemeckert. Meine Schwester sagt immer, dass einem das Leben hier in L.A. wirklich sehr einfach gemacht werde – wenn man das Geld hat. Ich habe auch schon mal ein Jahr in London gelebt und fand es dort – was den Alltag angeht – schon wesentlich schwieriger. Autofahren kann man in London völlig vergessen. Zu viele Einbahnstraßen, zu viel Verkehr. Deshalb müssen Sie jeden Tag ein Taxi rufen. Und dann natürlich das ständig wechselnde Wetter. In meinem Haus in London bin ich ein Gast. In meinem Haus in L.A. fühle ich mich zu Hause. Das ist so etwas wie meine Heimat.

Wenn man sich in Ihrem Haus umguckt, fallen einem die vielen historischen Bösewichte auf, man findet Osama Bin Laden und andere, die Sie als Büsten oder Porzellanfiguren haben …

RE: … in meinem Haus in London habe ich da noch mehr. Das hat ästhetische Gründe. Mir gefällt einfach Propaganda-Kunst. Mir gefällt das Plakative daran! Es ist für mich einfach faszinierend, z.B. zu sehen, wie viele Formen und Figuren von Mao gegossen wurden. Es gibt ihn aus Metall oder aus Porzellan. Aber ich sammle nicht nur Diktatoren, sondern auch Penisse aus Holz oder Stahl, groß oder klein, manche mit Schrift, manche ohne. Ich habe irgendwann mal zwei gekauft, fand diese sehr witzig. Dann begann ich, eine Sammlung aufzubauen. Das sind Fruchtbarkeitssymbole, eine uralte Tradition. Vor allem in Asien. Ich habe hier in Los Angeles eine ganze Menge, aber in London noch viel mehr. Jedes Mal, wenn meine Mutter die sieht, verzieht sie das Gesicht und ist empört. (lacht) Ich bin tatsächlich ein Sammler. Vor unserem Interview hatte ich kurz Zeit und mich im Blackman Cruz Store umgeguckt, die haben Sachen, die ich mag. Was ich dort gefunden habe und extrem witzig finde: eine Pistole zur alten Flash Gordon-Serie. Ein Kinderspielzeug aus den 1950er Jahren – aber es sieht aus wie ein Kunstobjekt. Oder einen Feuerwehrhelm, Jahrhundertwende. Er sieht aus wie der Helm von Darth Vader, nur viel schöner.

Sie sind jetzt seit über 25 Jahren in Los Angeles. Fühlen Sie sich inzwischen als Amerikaner?

RE: Ich würde sagen, ich bin Kalifornier. Dennoch behält man seine Nationalität. Interessanterweise kommen mir die 25 Jahre hier in Kalifornien wesentlich länger vor als die 34 Jahre in Deutschland. In dieser Zeit ist für mich einfach wesentlich mehr passiert. Als ich damals hier ankam, versuchte ich mich erst mal zu orientieren. Wollte wissen, wie man hier lebt, was man so macht. Es ist ein ganz, ganz langsamer Prozess. schließlich ist es nicht so, dass man sagt: „Yeah, jetzt bin ich in Amerika.“ Bis man wirklich ankommt, dauert das seine Zeit. Erst ist es natürlich wahnsinnig aufregend. Alles ist neu, man fühlt sich lebendig. Dann, nach vier oder fünf Jahren, kippt es ins Gegenteil. Sie sind von allem genervt und überlegen sich, ob es nicht besser wäre, woandershin zu ziehen. Und dann stellen Sie fest: Hier in Kalifornien ist es perfekt. Das Wohnen ist toll, das Klima herrlich und es wird einem alles einfach gemacht. Das Gefühl ist irgendwie, als sei man auf einer Insel. Ein Filmemacher wie ich muss ja auch viel reisen. Wenn ein neuer Film von mir Premiere hat, muss ich um die ganze Welt reisen. Außerdem reise ich auch privat sehr gerne und viel. Aber es ist für mich immer ein schönes Gefühl, wieder zurück, nach Hause zu kommen. Ich fühle mich hier wirklich wohl.

Können Sie sich noch erinnern, wann Sie zum ersten Mal in Amerika waren?

RE: Das war schon als Kind. Mein Vater sagte zu mir, dass mein Bruder Wolfgang nach Irland und mein Bruder Andy nach Frankreich gehen würden. Und nun wollte er von mir wissen, wohin ich wolle. Aus Jux sagte ich: „Amerika.“ Und so kam ich hierher zu einem Geschäftskollegen meines Vaters. Diese Erfahrung hat mich wirklich geprägt. Ich war damals acht Wochen hier. Ich habe tolle Erinnerungen an diese Zeit. Ein Highlight war der Besuch in Washington D.C., da war es wahnsinnig heiß und wir standen vor dem Weißen Haus und dem Capitol. Toll! Großartig war auch der Ausflug nach Chesapeake Bay, wo sie alte Schiffe einmotten, oder in die Cherokee Mountains, ins Indianerreservat. Das hat mich alles geprägt. Darüber habe ich mich auch viel mit Ossi von Richthofen unterhalten, der mit mir zusammen eine Art amerikanischer Fraktion auf der Filmhochschule in München bildete. Auch er war als Teenager oft in Amerika. Während unserer Studienzeit besuchte er einmal Verwandte in Kalifornien und brachte einen Sticker zurück: HFF – see you in Hollywood. Den klebten wir auf mein Auto und es haben sich alle furchtbar darüber aufgeregt. Dabei war es von uns nur als Spaß gemeint. Wir provozierten da aber natürlich schon ein bisschen. Es gab auf der HFF immer endlose Diskussionen, wenn Filme neu herauskamen. Und als Star Wars gestartet war, wurde er von den meisten Studenten als purer Kommerz abgetan. Wir aber sagten: „Es ist auch ein guter Film!“ Das war die Zeit, in der ich mich an der Filmhochschule, sehr zum Entsetzen vieler, zu meinen US-Vorbildern bekannte. Ich sagte, dass ich nichts mit Wim Wenders oder Rainer Werner Fassbinder anfangen könne. Meine Helden waren Martin Scorsese, Francis Ford Coppola, Steven Spielberg oder George Lucas. Sie waren mir wesentlich näher als die deutschen Filmemacher. So unglaublich das heute klingen mag: Aber wenn man so etwas damals auf der HFF offen sagte, ging ein Aufschrei durch die Klasse. In dieser Zeit begann sich eine kleine Gruppe zu bilden, die sich zum Hollywood-Kino bekannte. Ossi von Richthofen, Gabi Walther oder Egon Werdin. Wir waren Studenten, die kommerzielle Filme machen wollten, keine Kunst. Als Provokation antwortete ich immer auf die Frage, wer mein Regievorbild sei: Harald Reinl. Der hatte Winnetou- und Edgar-Wallace-Filme gemacht. Natürlich war er nicht mein Lieblingsregisseur, aber ich wollte mir diese Provokation nicht entgehen lassen.

Roland Emmerich

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