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Botschafter

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Angesichts der permanenten Direktkontakte zwischen Bonn und Paris hatten die beiden Botschafter eine undankbare Aufgabe, in gewisser Weise mussten sie daher ihr Amt neu erfinden, um nicht „mission impossible“ nach Hause zu melden.

In Bonn galt dies zunächst für Serge Boidevaix in der höchst sensiblen Zeit um die Wiedervereinigung. Er wusste damals nicht, dass ich seine, angesichts der verbreiteten Skepsis an der Seine gegenüber Deutschland recht vorsichtig geschriebenen Berichte öfters in Paris lesen durfte – die Kollegen in Paris wollten mehr Sicherheit über die Bonner Intentionen haben. Sein Nachfolger Bertrand Dufourcq blieb nur ein gutes Jahr – der erfahrene Verhandler der äußeren Grundlagen der deutschen Einheit wurde in Paris als Generalsekretär des Außenministeriums, des Quai d'Orsay gebraucht.

Ihm folgte im November 1993 der Straßburger François Scheer, einer der erfahrensten Diplomaten des Quai d'Orsay. Zusammen mit meinem Freund Bernard Kessedjan war er 1992 in der Affäre um den Palästinenser-Führer Georges Habache auf Forderung der damaligen Premierministerin Edith Cresson geopfert worden, 1994 sollte er in Bonn erneut in die Schlagzeilen geraten. Er hatte sich in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten anscheinend kritisch über die Bundesregierung und den Aussenminister geäußert, leider hielt die Quelle nicht dicht, sondern suchte die Schlagzeile! Folge war ein wütender Bundeskanzler, der François Scheer am liebsten sofort nach Paris schicken wollte. Nur, eine Erklärung des Botschafters des engsten Partners zur „persona non grata“ hätte leicht dazu geführt, dass dieser professionelle Bock seines Pressereferenten außer Kontrolle geraten würde. Bundesaußenminister Klaus Kinkel wie auch ich versuchten den Kanzler zu besänftigen und die Affäre tiefer zu hängen. Der Kompromiss bestand am Ende darin, dass er in das Auswärtige Amt „einbestellt“ wurde. François Scheer hielt sich danach gegenüber der Öffentlichkeit sehr zurück, die Gespräche mit diesem kritischen, nach außen ohnehin kühlen Geist habe ich immer geschätzt – er hatte das Glück, wie seine Vorgänger um sich eine exzellente Mannschaft zu wissen. Die Verbindung in das Kanzleramt wurde damals in diskreter, informeller Weise von Claude-France Arnould gehalten, spätere Chefin der Europäischen Verteidigungsagentur EDA und Botschafterin in Belgien. Die französische Schule war „schuld“ an dieser besonderen Schiene. Meine Frau und ich waren mit der Schule dank unserer Kinder, dank der Tätigkeit meiner Frau und meiner Funktion in der Führung durch die Elternschaft eng verbunden. Wir lernten uns auf diese Weise kennen und schätzen. Sie wurde in jenen Jahren zu einer unserer besten Freundinnen und so entstand zugleich ein informeller, effizienter Kanal zwischen der Botschaft und mir.

Grenzgänger: Deutsche Interessen und Verantwortung in und für Europa

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