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3. Deutschland und seine „anderen“ europäischen Partner Helmut Kohl und die „kleineren Mitgliedstaaten“

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Helmut Kohl ermunterte mich immer wieder, mich intensiv nicht nur um die „Großen“, allen voran Frankreich, zu kümmern, sondern ganz besonders um die kleineren Partner – sein Paradebeispiel war Luxemburg, letztlich stellvertretend für die vielen andern. Er war sich bewusst, er konnte für alle Partner nicht die gleiche Zeit aufwenden, und doch bemühte er sich intensiv darum, gerade auch für diese Länder ein vertrauensvoller Partner – auf gleicher Augenhöhe – zu sein.

In all den Jahren konnten die Beziehungen ob zu Luxemburg, zu Belgien oder zu Dänemark, Schweden oder Finnland nicht besser sein. Ein Jacques Santer und später vor allem Jean-Claude Juncker, Wilfried Martens oder Jean-Luc Dehaene, Carl Bildt oder Sozialdemokraten wie Paavo Lipponen oder Poul Nyrup Rasmussen, um nur einige zu nennen, waren Kernbestandteile des Kohl'schen Netzwerkes und Freundeskreises in Europa. Parteipolitische Grenzen spielten dabei nur selten eine Rolle.

Unvergesslich bleibt mir der dänische Ministerpräsident Poul Nyrop Rasmussen, Sozialdemokrat, der mir gegenüber noch lange Jahre danach von diesen Beziehungen und der Rücksichtnahme auf seine innenpolitischen Schwierigkeiten nahezu schwärmte: Wir hätten nie versucht, ihn und sein Land über den Tisch zu ziehen, sondern Kohl habe immer auf ihn Rücksicht genommen. Dies galt mutatis mutandis für die andern „kleineren“, aber auch für die „großen“ Partner!

Helmut Kohl stand in all den Jahren zunehmend im Mittelpunkt des europäischen Geschehens. Er war – unterstützt von Jacques Delors – der nicht gewählte, aber doch von allen gesuchte und akzeptierte „Anführer“ Europas und des Europäischen Rates, in gewisser Weise an der Spitze einer Art „permanenten europäischen Vermittlungsausschusses“, eine von den Partnern bewusst akzeptierte Führung Europas!

Naturgemäß gab es dabei auch Länder, die im Reflex eher Helmut Kohl folgten als andere, es gab auch schwierigere, sensible Partner wie die Niederlande oder das Vereinigte Königreich oder auch mitunter Italien. Mein Problem war es, an der Seite Helmut Kohls deren Ansprechpartner zu sein, Probleme zu erkennen, sie zu kanalisieren, sie mit zu entschärfen – ein Arbeitspensum, das nur dank eines wenn auch kleinen, so doch hervorragenden Teams mit einem gut funktionierenden Frühwarnsystems mit den Kollegen aus den jeweiligen Ländern zu bewältigen war.

Und ein Problem war es zusätzlich, dass Helmut Kohl (leider) alle wesentlichen politischen Akteure aus diesen Ländern persönlich kannte, manche besser als ich selbst, und er zudem seine Vorlieben und Abneigungen über die Jahre entwickelt hatte. Eine permanente Herausforderung – zumal der „Chef“ auch in Deutschland selbst seine parallelen Quellen hatte – und ich oft nicht wusste, mit wem er gerade zuletzt gesprochen hatte oder woher er die eine oder andere Information hatte. Das galt nicht nur für die Länder, die von Parteien geführt wurden, die der EVP angehörten, sondern auch für andere, wie z.B. für Österreich!

Teil dieses Netzwerkes waren in jenen Jahren auch meine Kollegen, Kabinettchefs oder diplomatische Berater der jeweiligen Regierungschefs. Und auch insoweit blieb das Verhältnis zu einem Teil eine gute, professionelle Beziehung, mit anderen wurde daraus ein sehr freundschaftliches Verhältnis, das zum Teil bis heute besteht. Ich nenne als Beispiele bewusst die Freunde aus den „kleineren“ Mitgliedstaaten der EU, Martine Schommer, die hoch engagierte und sehr offene Luxemburgerin, Dominique Struye van Zwielande, den bedächtigen, immer verlässlichen Freund aus Brüssel, oder Niels Egelund, den dänischen Freund, den ich Jahre später in Paris wieder treffen sollte. Ich müsste über andere berichten wie die spanischen und italienischen Freunde, Ricardo Diez-Hochleitner und Umberto Vattani – und doch dies ist nur ein kleiner Teil einer oft verschworenen kleinen Gemeinschaft!

Grenzgänger: Deutsche Interessen und Verantwortung in und für Europa

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