Читать книгу Malagash - Joey Comeau - Страница 10
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ОглавлениеIch dachte, Malagash sei eine kleine Stadt, aber es ist noch nicht mal das. Eine lange Straße, eine verschlungene, rot gepflasterte Schlaufe um die Nordküste von Nova Scotia. Ein Traktor steht auf einem Feld. Ein Geländemotorrad, das an einem Schuppen lehnt. Wir kommen an einem Pferch voller Lamas vorbei, die verdammt gelangweilt aussehen. Der Atlantische Ozean taucht höchstpersönlich auf, um neben uns herzufahren. Dann schlüpft er davon.
Ich sitze vorne, erneut habe ich mein Telefon in der Hand. Das Glas- und Metallobjekt, das einmal mein Telefon war. Ich habe niemanden mehr, den ich anrufen könnte. Was eine Erleichterung ist, weil ich keine Kraft mehr habe, mich zu verstellen. Es gibt nur eine begrenzte Menge von Kondolenzbekundungen, die ein Körper aushalten kann. Nur eine begrenzte Menge von Updates über alles, bei dem man gefehlt hat, bis sie einem nicht mehr fehlen.
Ich verwende mein Telefon, um meine Mutter aufzunehmen. Das dumpfe Geräusch der Schlaglöcher. Wacklige, flüchtige Videoeindrücke von den vorbeigleitenden Landhäuschen. Der Hungerhaken, der vor sich hin summt. Die vorbeirasenden Bäume. Das Telefon nimmt alles auf, was es kann, während wir zum ersten Mal durch die Heimatstadt meines Vaters fahren. Säuberliche kleine Häuser, für die Privatsphäre mit ausreichend Abstand zueinander, jedes ist auf seinem eigenen Stück wunderschönen Seeblicks positioniert. Es gibt einen alten Kramladen mit einer sterbenden PIZZA-Neonreklame.
Über dem Matsch ist die Stimme meiner Mutter zu hören. Der Matsch streckt sich bis zum grün-grauen Ozean.
„Gemeinde wäre der höfliche Begriff“, sagt sie. „Tatsächlich ist es ein Elefantenfriedhof für Menschen.“ Ein Lachen ist in ihrer Stimme, als würde sie uns aufziehen. Dieser Ort ist ihr vertraut. Weder Simon noch ich waren jemals hier, aber Mom und Dad verbrachten an diesem Ort ein ganzes Leben. Sie lebten hier zusammen, bevor Simon oder ich geboren waren. Mit dem Telefon am Fenster nehme ich auf, was ich kann. Es gibt eine Kirche, einen Weinberg, eine aufgegebene Salzmine irgendwo unter uns, ein Bibelcamp, einen Kai, von dem aus Hummerfischer einst in See stachen. Vielleicht tun sie es immer noch? Noch ein Kai. Noch einer. Kais sehen immer verlassen aus. Es gibt einen echten Friedhof rund um die Kirche. „Weiter als bis zu diesen Gräbern kommen einige dieser Leute nie“, sagt meine Mutter, während wir daran vorbeifahren.
Ein paar Fakten, an die meine Mutter sich erinnert:
„Die Straße wird durch den Lehm so rot. Sie haben benutzt, was sie zur Verfügung hatten. Schaut mal, wie rot auch die Erde ist.“
„Bei Ebbe kannst du ewig laufen und das Wasser reicht dir nicht höher als bis zur Hüfte.“
„Diese Landhäuschen dort gehörten der Tante und dem Onkel eures Vaters, Edie und Harry. Zwei getrennte Landhäuschen direkt nebeneinander. Ist das nicht perfekt? Es hat ihre Ehe gerettet.“
Es war nicht notwendig, uns zu überzeugen, hierherzuziehen. Wir haben nicht gebettelt oder gestritten. Unser Vater wollte zurück nach Hause nach Nova Scotia, um nahe bei seiner Mutter und seinen Kindheitserinnerungen zu sterben. Wir wollten bei unserem Vater sein. Die Rechnung war sehr einfach. Bringt uns, wohin ihr wollt, solange wir bei ihm sein können. Der Rest war völlig egal.
Alles, was wir brauchen, ist hier. Wir haben unsere Klamotten. Simon hat seine Puzzles und seine Spielsachen, und ich habe meine Computer. Wir werden nicht ewig hier sein, denke ich. Bloß für das restliche Leben meines Vaters.