Читать книгу Schulverweigerung als Entwicklungschance? - Johanna Kiniger - Страница 16
3.3.4 Systemtheorie
ОглавлениеIn der Systemtheorie wird Schulverweigerung als „Ausdruck zirkulärer Interaktionsstrukturen verschiedener sozialer und personaler autopoietischer Systeme gedeutet“ (Bührmann 2017, S. 167).
Bührmann führte 2009 qualitative Studien mit über 40 Schulverweigerer*innen und 30 Pädagogen durch, um das Phänomen empirisch zu erfassen (vgl. Bührmann 2009). Die Studien ergaben, dass die Problemkonstruktion Schulverweigerung abhängig ist vom Weltbild des Beobachters. Schulverweigerung ist Ausdruck zirkulärer Interaktionsstrukturen und Abbild des Zusammenwirkens von Elementen im autopoietischen System (vgl. Bührmann/Boehmer 2016, S. 172 ff.).
Es gibt kein „Patentrezept“ gegen Schulverweigerung. Lösungen sind nur bedingt vorhersagbar und planbar. Prozesse laufen zirkulär ab, Diagnosen und Interventionen sind Teil einer kontinuierlichen Schleife. Die „systemische Schleife“ ist ein Prozessmodell, das auf Königswieser und Exner (2002) zurückgeht und die systemische Haltung veranschaulicht (vgl. Königswieser/Exner 2002, S. 24).
Abb. 2: Prozessmodell „systemische Schleife“ (nach Königswieser/Exner 2002, S. 24)
Die Ursachen für Schulverweigerung können vielfältig sein. Die Türöffner sind konkrete Auslöser oder besondere Situationen. Sie öffnen in der zirkulären Schleife die Tür für neue Entwicklungen und Veränderungen. Sie laden zur Entscheidungsfindung und zu aktivem Handeln ein. Türöffner lösen Suchprozesse und Dynamiken aus. Das alte Muster, das zirkuläre Wirkungs- und Beziehungsgeflecht sowie die Kreisdynamik werden durch Türöffner durchbrochen und kreative und individuelle Lösungsfindungsprozesse initiiert (vgl. MACK 2016, S. 1 ff.).
Dysfunktionale Strukturen sind Teil einer Entwicklung (vgl. Bührmann 2017, S. 167 ff.). Wenn sich Lösungsversuche zu erstarrten Handlungsroutinen verfestigen, werden sie zu Lösungen erster Ordnung (vgl. Watzlawick/Weakland/Fisch 2013, S. 59 ff.) und zugleich Teil des Problems. Es entwickelt sich eine Dysfunktionalität. In dieser Wirkungsschleife bedarf es einer Verstörung (Perturbation), um Veränderungen auszulösen. Schulverweigerung kann als Störung auf diesen Gleichgewichtszustand eines Systems wirken und erforderliche Veränderungen und Prozesse auslösen, um einen neuen Gleichgewichtszustand herzustellen und neue Entwicklungs- und Veränderungsräume zu schaffen (vgl. Bührmann 2017, S. 167 ff.).