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Bahnhof der nordwestkroatischen Grenzstadt Koprivnica an der Strecke Budapest – Zagreb. Der Personenzug aus Budapest fährt pünktlich ein. Auf dem ansonsten einsamen und nur schwach beleuchteten Bahnsteig wartet schweigend eine Schar seltsam gekleideter bärtiger Männer, die sich in kleine Gruppen geteilt hat und nun rasch in die Waggons steigt: eine mit Bajonetten bewaffnete Bande von Deserteuren, die während der Weiterfahrt des Zugs Richtung Süden in aller Ruhe mit dem Ausrauben der Fahrgäste beginnt. Das ungarische Zugpersonal ist machtlos; wer Widerstand leistet, wird von den ehemaligen Soldaten der kaiserlichen Armee brutal zusammengeschlagen; die Deserteure raffen zusammen, was sie nur kriegen können: Bargeld, Uhren, Schmuck und selbst die Kleider ihrer Opfer werden in die mitgebrachten Säcke gestopft. Alles ist exakt geplant: Erst unmittelbar vor Zagreb wird die Bande mit ihrer Beute den Zug verlassen, Verfolgung durch Militär oder Polizei hat sie nicht zu befürchten, aus Angst vor den Deserteuren ist das Bahnpersonal in den meisten Stationen bereits geflüchtet; ungehindert konnten so am Vortag auf der Strecke Zagreb – Brod an der Save 150 Waggons geplündert werden. Da die Bahnen ungarisches Staatseigentum sind, sind sie ein bevorzugtes Ziel der meist antimagyarisch eingestellten Deserteure.

Zur gleichen Zeit im Bahnknotenpunkt Našice in der slawonischen Gespanschaft Osijek-Baranja: An die 700 meuternde Soldaten vom dalmatinischen Schützenregiment Nr. 23 halten seit dem Nachmittag des 27. Oktober die Stadt besetzt, seit 18 Uhr toben in den Straßen blutige Auseinandersetzungen. Bürgermeister und Stationskommandant haben alles versucht, um es nicht zu dieser Orgie der Gewalt kommen zu lassen: Man hat die Soldaten mit einem ausgiebigen Essen bewirtet, hat ihnen ein sicheres Quartier versprochen und sogar einen eigenen Zug, der sie nach Prijedor in Bosnien bringen sollte – vergeblich, denn mit den Meuterern sind auch Komitadschis des so genannten „Grünen Kaders“, irreguläre Freischärler, in die Stadt gekommen, die nun an vorderster Front an den Ausschreitungen beteiligt sind: Vor allem jüdische Geschäfte, Gast- und Kaffeehäuser werden geplündert und in Brand gesteckt, die Wahrzeichen der alten Herrschaft, Bezirkshauptmannschaft, Gemeindeamt und Gutskanzlei, werden verwüstet, ein Magazin in der Stadtmitte wird ausgeraubt und niedergebrannt; aus dem Pferdespital von Našice führt man 195 Pferde fort.

Als die Feuerwehr anrückt, drohen die Komitadschis mit dem Einsatz von Schusswaffen. Russische Kriegsgefangene, die in Našice stationiert sind, und auch die Bevölkerung aus der Umgebung schließen sich den Plünderungen an, die sich schließlich auch gegen Privathäuser richten und bis in das Morgengrauen hinein andauern. Mit Pferdefuhrwerken wird die Beute weggebracht; schließlich zündet man auch noch das Bahnhofsgebäude an und macht damit jeden weiteren Bahnverkehr unmöglich. Und auch vor Mord und Totschlag schrecken die Plünderer nicht zurück: 20 Menschen überleben diese Nacht des Schreckens nicht …


Über den Piave: Die Pontonbrücken der Alliierten von Salletuol zur Grave di Papadopoli (oben) und von der Insel zum „österreichischen“ Ufer.


1918

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