Читать книгу Belarus (2004) - Johannes W. Schottmann - Страница 10
8 - Anruf bei Helga
ОглавлениеMit einem Mal drehte sich alles. Was war das?! Er versuchte sich irgendwo festzuhalten, sich an der Wand abzustützen. Sein Körper krümmte sich, zwang ihn nach unten. Kaum konnte er sich noch auf den Beinen halten. Was war das? Einen solchen Schmerz hatte er noch nie erlebt. Doch - er kannte ihn seit einiger Zeit. Hatte nur immer versucht, ihn zu ignorieren. Warum hörte es nicht auf. Würde es jemals vorbei gehen. Die Schmerzen wurden immer schlimmer. Wie konnte er sie in den Griff bekommen? Aus seiner gebeugten Haltung heraus tastete er nach Halt. Griff zum Fenstergriff, der ihm aber entglitt. Das Heizungsrohr. Keine Kraft mehr. Er wankte, geriet ins Rutschen. Er wollte sich ankrallen. Und fühlte sich wie eine Stoffpuppe hinunter gleiten.
Er sah es kommen und konnte es nicht vermeiden. Im Fallen riss er den gehäkelten Untersatz von der Fensterbank. Wilmas Gießkanne polterte über die Heizung, über seinen Kopf hinweg...
Er erwachte in einer Pfütze von Blumenwasser.
Offenbar fehlte ihm ein Stück Wahrnehmung. Er lag auf dem Boden. Die Schmerzen! Er war unfähig sich zu bewegen. Wollte schreien. Brachte keinen Laut heraus. Wer sollte ihn hören? Er war allein in der Wohnung. Für einen Moment schienen die Schmerzen nachzulassen, dann kam die nächste Woge, die ihm allen Willen raubte und ihn am Boden hielt.
Schräg über sich sah er das Telefon! Er ächzte. Sah sich - wie im Kino - quälend mühsam über den Teppich kriechen. Staubige Fusseln in seinem Mund. Jetzt - er streckte den Arm aus, riss den Hörer herunter. Der dunkelrote Apparat stürzte schwer auf sein Gesicht. Es tutete aus dem Hörer. Er lag wie erschlagen.
Jetzt eine Nummer wählen, das ist die einzige Chance. Er wählte Zahlen, die ihm einfielen. Tonzeichen: Kein Anschluss unter dieser Nummer. Falsch. Noch einmal. Wieder düdütdüt - kein Anschluss ... Ja: die Vorwahl! o4o für Hamburg. Jetzt lange Signale. Eine gültige Nummer. Es tutete. Keiner zuhause. Tuhuut. Mit einem Mal wusste er: er hatte Helgas Nummer gewählt. Um diese Zeit - da war sie in der Schule. Oder auf einer Konferenz. Tuut.
Hallo? Eine raue Stimme. Er stöhnte. Wer ist da? Was soll das?! Sie wurde ungeduldig.
Ich .... Krächzen, mehr ging nicht.
Hallo?! - bist du es, Michael?! Geht es dir nicht gut? Wo bist du? Was ist passiert? Er begriff, welcher Film in ihr abging. Nein, kein Überfall. Ist schon O.K. - Was ist mit dir? Du kannst nicht sprechen?! Er versuchte etwas zu sagen. Schmerzen, weiß ni... - Michael, wo bist du? Bist du bei Wilma? - Ja. - Wie soll ich dir helfen? Was kann man tun? Du musst einen Arzt rufen! Er stöhnte erneut. Welchen Arzt. Michael, reiß dich zusammen! Du rufst jetzt eins-eins-zwo an, den Notarzt, hörst du?! Mach jetzt, ich lege auf. Ich rufe dich gleich zurück. Sie legte auf.
Ließen die Schmerzen jetzt tatsächlich nach? Ausgerechnet Helga! Dass er ausgerechnet Helga anrufen musste! Peinlich! Die Schmerzen wurden stechender. Wie sollte sie ihm helfen - von Hamburg aus?! Die Krämpfe, die ihn zu Boden gezwungen hatten - sie hörten einfach nicht auf.
Da lag er nun, vorn an der Hose feucht vom Blumenwasser. Wie bepinkelt. Er fasste an seinem Hinterkopf. Wieder etwas Feuchtes, kein Blumenwasser. Blut an seinen Fingern.
Was konnte er anderes tun. Eins-eins-zwo, wie sie gesagt hatte. Er wählte unter Ächzen. Hoffentlich würde er sprechen können.