Читать книгу Belarus (2004) - Johannes W. Schottmann - Страница 12
10 - Schweinehund
ОглавлениеWilmas Beisetzung. Das Zusammensein mit den Trauergästen hatte sich in die Länge gezogen. Vieles war an mir vorüber gegangen, weil ich früher den Kontakt zur Verwandtschaft eher gemieden hatte. Meine diversen Cousins und Cousinen kannten sich untereinander weitaus besser. Helga hatte mir beigestanden, so wie das zu diesem Zeitpunkt noch selbstverständlich war.
Als die Trauergäste endlich abgerückt waren - sie schnatterten unentwegt und man musste sie aus dem Café regelrecht hinaus schieben - bezahlte ich mit Wilmas Karte die Rechnung, und wir brachten Tante Ilse zur Bahn, Helga und ich. Dann fuhren wir in die Wohnung.
Ich fühlte mich abgespannt und warf mich auf die Couch. Helga wollte sich ankuscheln. Etwas lustlos rückte ich zur Seite, um ihr Platz zu machen. Sie legte ihren Kopf gegen meine Brust und spürte natürlich gleich, dass ich nicht in der richtigen Stimmung war. Sie stand wieder auf, um uns Getränke zu holen. Rosé für sich; für mich Bier - das brauchte ich gegen das flaue Kuchengefühl im Bauch.
Sie setzte sich in den Sessel und während sie anfing, meine Füße zu streicheln, unterhielten wir uns über die Trauergäste und über die ärgerliche Ansprache des Pastors, der einfache biografische Daten durcheinander gebracht hatte. Tante Ilse hatten wir versprechen müssen, sie bald zu besuchen. Nun schlug Helga vor, gleich am nächsten Wochenende zu ihr in den Ostharz zu fahren. Ich wiegelte ab - zuerst müsse ich hier noch einiges erledigen; vielleicht eine Woche später. Oder erst im nächsten Monat. Helga schmollte, sie zog ihre Hand zurück und nahm sie einen tiefen Schluck aus ihrem Glas. Dann setzte sie sich zu mir auf die Couch.
Finger tasteten sich heran, öffneten nach und nach die Kleidung. Hände wühlten sich ein. Lippen fanden sich. Es wurde wie immer. Jeder wusste, wo er den anderen berühren musste, um ihn zu erregen. Das Bestreichen der Brüste löste das erwartete, erwartungsvolle Seufzen aus. Ihre Hand glitt in seine Hosen, er spürte das Anschwellen und begann ebenfalls zu stöhnen. Dann ging alles schnell vonstatten - die restliche Wäsche wurde ausgezogen und beiseite geworfen. Sie fanden ihren Rhythmus, bewegten sich im Einklang, begleitet von ihrem Ächzen und Stöhnen. Seine Rechte arbeitete fleißig. Er war kurz davor, sie zu besteigen. Sie steuerten auf den Höhepunkt zu, obwohl er einige Gedanken beiseite schieben musste, um sich weiter auf sie konzentrieren zu können. Aber nach einem so anstrengenden Tag konnte man nicht vor Lust überschäumen. Wieder ertappte er sich, wie er an eine andere dachte. Die Abschweifung war beliebig und belanglos, aber sie half. Er sah ihr Lächeln, ihre milden Bewegungen, ihre braunen Augen, auch die gekräuselte Stirn, die Sorgen verriet, die sie eigentlich nicht zeigen wollte. Helgas Rhythmus wurde schneller, sie bäumte sich auf…
Geschafft.
Was weiter.
Sie würden liegen bleiben, sich beruhigen. Vermutlich würden sie dann anfangen zu reden. Noch war nicht klar, ob Helga hier übernachten oder heute noch zurück fahren würde. Aus einigen Bemerkungen im Laufe des Tages hatte er entnommen, dass sie ihn in der nächsten Woche in Hamburg zurückerwartete. Unter anderem war ein Abendessen mit Eberhard und Susann anberaumt, das ihn nicht sonderlich reizte. Er sah sich in Gedanken durch die Wohnung gehen, sah sich durch die Stadt streifen, in der er als Jugendlicher gelebt hatte, bevor er nach Hamburg gegangen war. Sah sich einen Kaffee bestellen, dazu ein Plunderstück. Das süße Gesicht der Verkäuferin. Er öffnete die Augen. Helga hatte etwas gefragt. Nein – eine Woche werde er mindestens noch bleiben, erst einmal müsse er alles sichten, bevor er eine Räumungsfirma bestellen könne. Die Möbel würde er lieber einem Sozialwerk überlassen, da müsse er sich noch erkundigen, wer hier vor Ort tätig sei. Helga rappelte sich wortlos auf und verschwand im Bad.
Als sie zurückkam, war die Stimmung angespannt. Sie konnte nicht verstehen, dass ich noch länger hier bleiben wollte. Sie hielt mir vor, meinen Aufenthalt mutwillig in die Länge zu ziehen. Als ich eingestand, dass mich im Augenblick auch nichts nach Hamburg zöge, sah sie sich bestätigt. Sie wurde ungewohnt heftig: Mir sei die Erbschaft zu Kopf gestiegen! Wie ich mir das dächte - wie sie dastünde vor den anderen?! Ich könne mich doch meinen Verpflichtungen nicht einfach entziehen. Meinst du Eberhard? fragte ich, den würde ich morgen anrufen. Also bin ich dir egal! schloss sie daraus. Bis eben war ich noch gut genug, rief sie, aber jetzt brauchst du mich nicht mehr, ja?! So kannte ich sie nicht.
Nu komm mal wieder runter, sagte ich. Nein, komm du runter! erwiderte sie.
Dann, auf einmal, raffte sie ihre Kleidungsstücke zusammen und ging aus dem Zimmer. Eine Zeitlang hörte ich sie im Flur hantieren. Ich glaubte hin und wieder ein unterdrücktes Schluchzen zu hören. Schließlich klappte tatsächlich die Wohnungstür.
Sie war weg.
Du Schweinehund.
Sagte ich zu mir.