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7 - Streichfinale

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Kopfschmerzen. Die Ausdünstungen der frischen Farbe haben mich gestern Abend und heute Nacht bis in Wilmas Schlafzimmer verfolgt. Eigentlich wollte ich das Wohnzimmer morgen endlich beziehen, aber dann dürfte es noch schlimmer kommen. Was hilft anderes als lüften? Vielleicht Duftkerzen (die Helga so liebt). Aber dafür müsste ich außer Haus, müsste Geschäfte abklappern, würde also noch mehr Zeit verlieren. Außerdem würde mir von denen auch übel werden. Jedenfalls hatte ich zuletzt, wenn Helga eine gemütliche Atmosphäre schaffen wollte, vorgegeben, dass mir ihre Kerzen nicht bekämen. Woraufhin jedes Mal die Stimmung in den Keller ging.

Also bleibt nur lüften. Letztendlich wird man sich einfach dran gewöhnen müssen.

So - jetzt war ich kurz unten. Die frische Luft hat gut getan. Hab mir einen Togo-Kaffee geholt. (Ich hoffe, Tante Ilse verzeiht mir, wenn ich ausplaudere, dass sie nach Wilmas Beisetzung gefragt hatte, ob das eine gute Sorte sei, dieser Kaffee aus Togo. Weil hier doch überall stehe: Kaffee togo. Wir haben etwas gekichert, aber sie nahm es uns nicht übel. Sie meinte, so müsse es sein: Dass man nach der Trauer auch wieder lacht.)

Das ist also auch noch offen: der Besuch bei Tante Ilse. Wir hatten ihn damals versprochen. Mit Helga geht das nicht mehr. Muss mich demnächst allein aufraffen. Vielleicht in zwei, drei Wochen. Wenn ich ein Stück weiter sein werde.

Morgen zum Urologen. Hoffentlich kann der Entwarnung geben. Im Augenblick bewege ich mich ständig in der Befürchtung, dass die Koliken wieder kommen und mich überfallen und dass ich mich wieder hilflos krümme und von Schmerzen gelähmt bin. So etwas könnte ich jetzt, wo ich nicht mal das Telefon benutzen kann, noch weniger gebrauchen.

Nebenbei bemerkt: Nachbarin Barbara Kahler, die miterlebt hat, wie ich auf der Bahre durchs Treppenhaus abtransportiert wurde, hat mir gestern angeboten, ich könne, wenn ich Hilfe brauche, jederzeit bei ihr klingeln. Großzügig, die Dame.

So. Die Wände sind fertig. Wenn man genau hinschaut, kann man zwar immer noch das penetrante Muster erkennen. Aber wenn man nur genau genug hinschaut, wird man immer etwas entdecken, das nicht vollkommen ist. Deswegen streiche ich nicht noch einmal. Es kommt auf den Gesamteindruck an - den habe ich eben genossen, als ich mit meinem Kaffee zurück kam. Der Gesamteindruck ist befreiend und wirkt erfrischend wie ein Pfefferminzbonbon. Trotz der Ausdünstungen. Außerdem sind die Kopfschmerzen nach dem Kaffee verschwunden.

Jetzt muss ich noch unter den Fenstern streichen. Dürfte eine ziemliche Fummelei werden, weil man mit den Pinseln schlecht hinter die Heizkörper kommt. Wenn man die losmachen und ein Stück nach vorn bewegen könnte. Aber das ist wohl nicht möglich, wüsste jedenfalls nicht wie. Dummerweise habe ich keinen langen Pinsel.

Doch die Nachtigall fragen? Besser nicht.

An der Heizungsrippen kleben noch Blutflecken von neulich. Die lasse ich als Andenken.

Belarus (2004)

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