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4 -Notiz Walters zu seiner Verwundung
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Ob das gut ist, weiß ich nicht. In ein paar Wochen werde ich meine Schwester besuchen, es wird mir auf jeden Fall gut tun, mit ihr zu reden. Man hätte es sich ja vorher nicht träumen lassen, aber tatsächlich habe ich doch eine Menge Sachen zusammengeschrieben und trotzdem wäre noch unendlich viel zu erzählen. Interessieren wird es nur keinen. Wilma hat sich daran gewöhnt, dass ich sie allein vor dem Fernseher sitzen lasse (wenn sie nicht mit ihrem Klatschtanten zusammen ist). Und ich ziehe mich in mein Arbeitszimmer zurück.
Wenn ich mir ansehe, was ich alles zusammengeschrieben habe, dann fällt mir auf, wie manche Dinge, die eigentlich viel wichtiger wären, nicht vorkommen. Man denke nur mal an meine Verwundung, eigentlich waren es zwei. Die Narben sind noch da und tun ab und zu immer noch weh und am Bauch fehlt ein ganzes Stück Fleisch. Aber darüber mache ich mir am wenigsten Gedanken.
Ganz stimmt das nicht. Denn dieser Griff nach der Dose - das sehe ich immer wieder vor Augen. Und genau der hat mir den zweiten Treffer eingebrockt, der mich dann umgehauen hat. Wenn ich nicht so blöde gewesen wäre - aber das war schon der Schock, da steht man neben sich und macht sinnlose Dinge. Und auf der einen Seite kommt der Gedanke: hättest du besser nicht. Oder so: greif nicht hin, dann passiert auch nichts. Als ob man die Sache zurückdrehen und ungeschehen machen könnte. Geht natürlich nicht. Aber auf der anderen Seite bin ich sicher - ich würde immer wieder hingreifen, das war nun mal ein Schatz damals: diese Dose Schoka-Cola. Die wollte ich nicht verlieren. Womöglich noch dem Iwan überlassen.
“Verbohrt” hat mich der verdammte Major einmal genannt. Aber das ist ein anderer Fall. Manche Sachen bleiben besser ungesagt, sie werden sonst zu mächtig und man kommt davon nicht wieder los. So wie ich immer wieder noch einmal rauf muss auf den Panzer, um die blöde Dose mit der Schokolade zu holen. Und paff. Da kennt man keine Angst, obwohl das besser wäre, man hätte sie in dem Moment gehabt. Aber so ist das eben im Krieg. Da kann es knallen und spritzen links und rechts und du scherst dich nicht drum. Du machst einfach weiter. Für Führer, Volk und Vaterland. Als ob man nicht an seinem Leben hängt. Dabei hängt doch jeder dran.