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2.1 „Broccoli oder was?“ Ergebnisse der Hirnforschung zur Sprachverarbeitung

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Neben unseren Sprechwerkzeugen, die der Erzeugung von Lauten dienen, ist vor allem unser Gehirn dafür zuständig, dass wir sprechen und schreiben bzw. zuhören und lesen können. Die linke und rechte Hälfte unseres Gehirns haben sich im Verlauf der Evolution spezialisiert: Die rechte Seite ist in der Regel v.a. für bildlich-räumliche Aspekte zuständig (vgl. Schwarz 2008, 83ff), die linke Hemisphäre steuert alle „wesentlichen Aspekte des Sprachvermögens“ (Schwarz 2008, 85).

Dort liegen auf der Hirnrinde sowohl das sogenannte Broca- als auch das Wernicke-Areal. Sie sind die Hauptverantwortlichen für die Sprachproduktion (z.B. Satzbau und weitere grammatische Bereiche) bzw. für die Rezeption sprachlicher Elemente. Die Arbeitsteilung der beiden Areale gestaltet sich dabei folgendermaßen (vgl. Schwarz 2008, 95): „Das Broca-Areal produziert Wörter und Sätze, die Wernicke-Region erhält Informationen über akustisch wahrgenommene Sprache von der primären Hörrinde zur weiteren Verarbeitung“ (Friederici 2003, 45). Beispielsweise erkennen Sie Da flockte das glumpsende Toro reck als grammatikalisch korrekten deutschen Satz, auch wenn er keinen Sinn ergibt. D. h. Ihr Gehirn hat erkannt, dass das Beispiel dem Muster eines typischen deutschen Satzes entspricht.

Wie kommt man zu diesen Ergebnissen? Untersuchungen von Patienten haben gezeigt, dass eine Schädigung (Aphasie) der Broca-Region dafür verantwortlich sein kann, dass sich Menschen nicht mehr oder nur schlecht artikulieren können (typisch ist z. B: ein „Telegrammstil“). Das Verstehen von Äußerungen ist ihnen noch möglich. Ist das Wernicke-Areal geschädigt (Wernicke-Aphasie), ist das mentale Lexikon betroffen. Die Betroffenen können sich zwar flüssig artikulieren, jedoch ergibt die Äußerung keinen Sinn (vgl. Schwarz 2008, 85ff).

Diese Hirnregionen sind beim Lernen mehrerer Sprachen aktiv. Mitentscheidend für die Entwicklung von Sprachkompetenz ist der Zeitpunkt des Erwerbs: Wird eine Sprache (wir nennen sie Language 1, L1) früh und (nahezu) gleichzeitig mit einer anderen Sprache (die Language 2, L2) erworben, entwickelt das Broca-Areal ein einziges Nervenzellennetz, das für beide Sprachen verantwortlich ist. Man spricht in diesem Fall von einem simultanen Spracherwerb. Da beide Sprachen in der gleichen Region mobilisiert werden, kann es zwischenzeitlich zur Dominanz einer Sprache kommen (vgl. Jeuck 2015, 16). Bei Spätlernern ist dies nicht der Fall: Sie entwickeln separate Netze für jede Sprache (vgl. Kramer 2003). Man spricht dann von einem sukzessiven Spracherwerb. Der Vorteil des simultanen Spracherwerbs erklärt sich folgendermaßen: Muss für jede Sprache ein neues Netz mit neuen Regeln etc. konstruiert werden, ohne auf vorhandene Strukturen zurückgreifen zu können, werden mehr Ressourcen benötigt. Trotzdem können auch Spätlerner neue Sprachen auf einem sehr hohen Niveau erlernen, jedoch fällt ihnen dies schwerer (vgl. Myers 2008, 453). Faktoren wie Motivation, sprachlicher Input, Sprachlernerfahrungen und individuelle Begabung haben hier einen deutlichen Einfluss (vgl. Rösch 2011, 178).

Abb. 2.2:

schematische CT-Aufnahme. Beim frühen Zweitsprachlernen (links) wird für beide Sprachen ein Gehirnareal aktiviert, während beim späten Lernen (rechts) mehrere Areale aktiviert werden (hell- bzw. dunkelgrau).

Sprachendidaktik

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