Читать книгу 5 glorreiche Western 3/2020 - Helden, Halunken, Halsabschneider: Sammelband mit 5 Wildwestromanen - John F. Beck - Страница 15

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Der Creek sprudelte unter einer flachen Felsplatte zurück ans Licht des Tages. Hier war sein Wasser klar, und doch war der Rio Durro derzeit nur ein kümmerliches Rinnsal, das gerade den Trinkwasserbedarf der Bewohner von Sueco deckte und vielleicht noch für den Gemüsegarten reichte. Die Bewässerungsgräben, die wie mit dem Federkiel eines Riesen gezogen die Talebene in unregelmäßige Gevierte aufteilten, verfielen und versandeten. Aus ihnen gespeiste Ententeiche und Tümpel trockneten aus. Die Wasser- und Schöpfräder drehten sich nicht.

Aus der Ferne machte Sueco den Eindruck einer Geisterstadt. Das Krähen eines frühen Hahns strafte ihn freilich Lügen. Aus einigen Feuerstellen quoll Rauch in den blassen Morgenhimmel. Die meisten Häuser hatten keine Kamine. Die »Küchen« waren Ecken in den Hinterhöfen, wo es noch Hühner und einige magere Ziegen gab.

»Wir sind da«, sagte Antonio unnötigerweise.

Er fühlte das Kribbeln in seinen Fingerspitzen, wie immer, wenn der Patron ihn mit einer Aufgabe betraute, die über die Rinderarbeit hinausging.

Er tastete nach dem Fünfschüsser, dessen Walnussgriff aus einer grünen Schärpe ragte, die er sich statt eines Gürtels um den Leib geschlungen hatte.

Layla Sheen bemerkte die Geste.

»Du wirst nicht zur Waffe greifen«, bestimmte sie. »Saltillo hat es dir ausdrücklich verboten, gleich, was auch geschehen mag.«

»Ich fühle mich nackt ohne Waffe«, behauptete Antonio, weil er diesen Spruch wahrscheinlich irgendwo mal aufgeschnappt hatte.

»Du fühlst dich nackt ohne die Gitarre«, konterte Layla schmunzelnd, denn Antonio pflegte einen regelrechten Kult mit seinem Instrument. Trotz des tagelangen Ritts durch die Geröllwüste glänzte das Holz des Körpers spiegelblank, und Layla wäre jede Wette eingegangen, dass auch die Saiten exakt gestimmt waren.

Das Paar kam an den ersten Häusern vorbei. Sie waren verlassen. Bei manchen waren die Maisgrasdächer bereits durchgebrochen, die Zäune und Einfriedungen verfallen.

»Trostlos«, erkannte selbst Antonio, und Layla Sheen nickte dazu.

Die Dorfstraße weitete sich zu einer Plaza, die diesen Namen eigentlich nicht verdiente, denn im Gegensatz zu den Zentren des Gemeinschaftslebens anderswo entbehrte dieser Platz jeglichen Schmucks.

Der Glockenturm erhob sich am Westrand, daran schlossen sich die einzigen zweigeschossigen Häuser Suecos an: Die Bodega und ein Gebäude, das im Parterre einen Laden beherbergte. Töpferwaren waren davor aufgebaut. Einige davon waren zerbrochen.

Die ersten langen Schatten fielen. Die Morgensonne lugte über den Horizont, stieg rasch höher und sandte auch schon Hitze aus.

Beim Glockenturm verhielten Layla und Antonio.

Sie ließen sich auf einer altersschwachen Bank nieder, auf der früher wohl die Alten des Dorfs ihr Abendschwätzchen gehalten hatten. Von den übrigen Bänken existierten nur mehr die Steinsockel, die die Konstruktion getragen hatten.

Layla Sheen lehnte sich an die schmale Schulter Antonios und gab sich so, als benötige sie dringend eine Rast.

»Und jetzt?«, flüsterte Antonio. Er war heiser vor Aufregung.

»Jetzt warten wir ab«, gab Layla leise zurück. »Wir tun genau das, was mit Saltillo vereinbart ist.«

»Und du glaubst, diese Kerle fallen darauf rein?«

»Sam war gestern Nacht hier. Er konnte einige Gesprächsfetzen auffangen. Sie haben noch nicht so viele Mädchen, wie sie brauchen. Das ist doch unsere Chance. Sträub dich nur soweit gegen einen Handel, dass dieses Pack keinen Verdacht schöpft. Doch wenn du darauf hoffen solltest, hier fällt eine Heldenrolle für dich ab, dann vergiss es! Du wirst schließlich noch als Zeuge gebraucht – und zwar als lebendiger. Wie schnell die Brüder mit dem Schießeisen zur Hand sind, weißt du ja.«

Antonio nickte nur. Wenn ihn der Ton dieser Empfehlungen getroffen hatte, dann zeigte er es nicht. Doch er schluckte trotzdem schwer daran. War das nicht eine einzigartige Gelegenheit, dem Patron wieder zu zeigen, dass er seinen Mann stand?

Der junge Vaquero hatte während des schweigsam verlaufenen Fußmarsches nach Sueco durchaus seine eigenen Vorstellungen über den Verlauf des zu erwartenden Zusammentreffens mit den gefährlichen Mädchenhändlern entwickelt. Ganz so, wie Layla sich das vorstellte, wollte er gewiss nicht reagieren.

Layla Sheen behielt inzwischen den Eingang der Bodega im Auge, denn davor standen vier Pferde angeleint. Auf dem Zaumzeug glänzte noch der Tau. Die Sättel waren einfach gegen die Wand gestapelt – drei hochbordige mexikanische und ein flacher texanischer.

Die Kreolin überlegte noch, wie lange sie hier wohl noch sitzen würden, bevor irgend jemand von ihnen Notiz nahm, als sich auch schon der Perlenvorhang zum Eingang der Bodega teilte.

Ein Mann mit verfilztem Haar und halb asiatischen Gesichtszügen trat ins Freie, schleppte sich hinüber zum Wasserbottich, neben dem auch die Pferde standen. Er tauchte den Kopf ein, kam prustend wieder hoch.

Sein Oberkörper war nackt und athletisch, war braun und glänzte ölig. Er strich die schulterlangen Haare nach hinten und linste in die Runde.

Auf der Bank mit Layla und Antonio blieb sein Blick haften.

So, wie die Sonne jetzt stand, blendete sie ihn. Er beschirmte mit einer Hand die Augen. Seine andere Hand fuhr hinunter an die rechte Gurtseite, doch sie tastete vergebens.

Sarto Singal hatte seine Waffe im Haus gelassen.

Doch er hatte gesehen, was er in diesem Kaff nicht mehr erwartet hatte: ein hübsches junges Mädchen, das in die »Kollektion« in seinem Kastenwagen passte. Den Jüngling, der offensichtlich zu dem Mädchen gehörte, stufte er als ungefährlich ein.

»Doch noch ein Geschäft«, brummte er und stapfte los. Wassertropfen hingen in seinen buschigen Augenbrauen. Mit steifen Schritten überquerte er die Plaza, stoppte kurz vor der Bank und nahm breitbeinig Aufstellung.

Genau wie Saltillo das beabsichtigt hatte, hielt Sarto Singal die beiden für ein nach Süden ziehendes Geschwisterpaar.

»Ihr seid eben erst angekommen?«, fragte er jovial. »Willkommen in Sueco. Ihr schaut aus, als hättet ihr einen harten Marsch hinter euch. Kleine Erholung gefällig? Vielleicht ein Frühstück? Fühlt euch ganz als meine Gäste.«

Antonio schlüpfte fürs Erste in seine Rolle.

»Sind Sie der Alcalde hier?«, fragte er schüchtern. »Wir – das heißt, meine Schwester und ich – kommen aus Carrizal. Wir sind unterwegs, uns im Süden Arbeit zu suchen. Wir sind die ganze Nacht durchmarschiert. Gibt es Arbeit in Sueco?«

Die Frage hatte durchaus hoffnungsfroh geklungen. Antonio war nicht der schlechteste Schauspieler.

Sarto Singal stieg voll darauf ein. Er hatte noch keinen Verdacht geschöpft.

»Aus Carrizal kommt ihr? Kenn ich, dieses Städtchen. Den Leuten dort geht‘s wohl ebenso dreckig wie uns in Sueco. Diese verdammte Dürre. Sie macht uns allen zu schaffen.«

»Gibt‘s Arbeit hier?«, bohrte Antonio weisungsgemäß weiter. »Wir sind schon sehr lange unterwegs.«

Der Bandit schien überhaupt nicht zugehört zu haben. Er fixierte Layla Sheen.

»Deine Schwester?«, fragte er gedehnt. »Wahrscheinlich musst du gar nicht mehr weiterziehen. Ich hab ‘nen besseren Vorschlag für dich.«

Antonio behielt seinen unschuldig fragenden Gesichtsausdruck bei.

»Sie hätten Arbeit für mich, Señor?«

»Ich hätte Arbeit für deine Schwester, Compadre.«

Antonio blieb naiv.

»Für meine Schwester? Aber wir wollen uns nicht trennen, Señor. Wir sind Waisen. Wir wollen zusammenbleiben. Wenn Sie einen Job für sie haben, dann kann sie ihn nur nehmen, wenn ich in ihrer Nähe bin. Ich bin für Layla verantwortlich, Señor, das verstehen Sie doch sicher?«

»Aber gewiss doch«, antwortete Sarto Singal. »Am besten, wir unterhalten uns in aller Ruhe darüber. Meine Einladung zum Frühstück gilt. Wollt ihr mir nicht folgen?«

Der Bandit wartete, bis Layla und Antonio sich erhoben. Dann drehte er sich um und ging voraus zur Bodega hinüber. Die beiden folgten ihm.

Antonio zerrte im Rücken Sarto Singals an seinem Revolver, doch ein strafender Blick Laylas traf ihn, und da nahm er die Finger wieder von der Waffe.

Trotzdem behielt er die Möglichkeit im Auge, dass er den Vorausgehenden vielleicht noch in die Schulter und damit kampfunfähig schießen konnte. Der Mann mit dem exotischen Gesichtszuschnitt würde das überleben und somit als Zeuge zur Verfügung bleiben.

Die Chance war vertan, als sie die Bodega betraten.

Drei weitere Männer erwarteten sie. Einer von ihnen pfiff anerkennend durch die Zähne, als er Layla sah.

»Du bist doch noch fündig geworden, Sarto? Wo war sie versteckt?«

»Halts Maul, Lopez. Die beiden kommen aus Carrizal und suchen ‘nen Job. Das Frühstück ist fertig? Ich hab sie eingeladen.«

»Ich muss noch ein paar Eier in die Pfanne hauen. Mit Besuch hab ich nicht rechnen können.«

»Dann verschwinde, Lopez.« Und an Layla und Antonio gewandt: »Nehmt doch Platz. Es wird ein paar Minuten dauern. Bis dahin können wir uns schon einig sein. Wie alt ist deine Schwester, Amigo?«

»Ein Jahr älter als ich«, antwortete Antonio. »Neunzehn.«

Sarto Singal zog Layla mit seinen Blicken aus.

»Hm. Gut entwickelt. Du hast eine sehr hübsche Schwester, weißt du das, Compadre?«

Antonio nickte eifrig.

»Die schönste, Señor. Wie war das mit dem Job?«

Die drei setzten sich. Sarto Singal griff nach einem Hemd, das über einer Stuhllehne hing und schlüpfte hinein.

»Wir sind unterwegs nach Texas«, erklärte Sarto Singal leutselig. »Deine Schwester kann dort in einem Saloon arbeiten und jede Menge Geld verdienen. Dich könnte ich vielleicht im dazugehörigen Hotel unterbringen. Du sprichst englisch?«

»Un poco, Señor.«

»Es wird schon gehen. Du kannst lesen?«

»Nicht sehr gut, Señor.«

»Macht nichts.«

»Meinen Namen kann ich schreiben, Señor.«

»Blendend. Dann machen wir doch gleich den Vertrag. Du wirst es nicht bereuen, Amigo.« Sarto Singal griff neben sich auf den letzten freien Stuhl, auf dem eine abgewetzte Ledertasche lag. Er zog ein Formular heraus und legte es auf den Tisch.

»Das ist ein Arbeitskontrakt, Junge, der deiner Schwester einen Wochenlohn von zwei Goldpesos garantiert.«

Antonio machte pflichtschuldig große Augen.

»Zwei Goldpesos, Señor? Ist das nicht eine Menge Geld?«

»Sicher ist es das, Junge. Und jetzt unterschreib hier. Es ist schon alles vorbereitet.«

Sarto Singal wies mit dem Finger auf die Stelle, wo Antonio unterzeichnen sollte. Doch der Junge zögerte.

Das alles ging ihm viel zu schnell. Er hatte sich überhaupt nicht beweisen können. Doch im Augenblick musste er wohl gute Miene zum bösen Spiel machen.

Er nahm den Graphitstift, den Sarto Singal ihm reichte, und krakelte seinen Namen unter das Schriftstück.

Aber vorher las er es noch durch, denn Antonio konnte durchaus lesen.

Er wusste, dass er da einen Verkaufsvertrag blanko unterschrieb. Einen Vertrag über einen Menschenhandel …

War damit der Beweis erbracht, den Saltillo brauchte? Durfte er jetzt endlich diesen Burschen zeigen, was für ein Kerl er war?

Sarto Singal nahm das Dokument an sich, faltete es wieder sorgfältig zusammen, und steckte es in die Tasche zurück.

Vorher hatte er freundlich geschaut, aber jetzt gefror seine Miene zu Eis. Ein maskenhaft starres Lächeln veränderte seine Züge. Er ähnelte nun einem zähnefletschenden Wolf.

»Damit ist wohl alles erledigt, Compadre«, sagte er. »Würdest du jetzt so freundlich sein und mir deinen Revolver geben? Du wirst ihn nicht mehr brauchen.«

Antonio zögerte. Alle Felle waren ihm davon geschwommen. Der Bursche hatte ihm nicht den Hauch einer Chance gelassen.

Aus war es mit dem Traum, Saltillo durch eine besonders tapfere Handlungsweise zu imponieren.

Und dieses Wissen des Versagt-habens produzierte einen Kurzschluss in Antonios Denken.

Er griff nach seinem Revolver, der in der grünen Schärpe hing, aber nach Singals Geschmack tat er das viel zu schnell.

Antonio hatte die Hand noch nicht am Kolben, als der Bandit auch schon die geballte Rechte auf die Reise schickte.

Sie explodierte genau am Kinnwinkel Antonios, und der Vaquero fiel rücklings vom Stuhl.

In einem letzten Reflex drehte er sich noch in die Bauchlage. Seine Gitarre durfte schließlich keinen Schaden nehmen.

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