Читать книгу 5 glorreiche Western 3/2020 - Helden, Halunken, Halsabschneider: Sammelband mit 5 Wildwestromanen - John F. Beck - Страница 21

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Kellertüren wurden zugeschlagen, rostige Angeln knirschten durchdringend.

Von den kahlen Wänden hallte der Marschtritt von Soldaten wider.

Feucht und kalt waren die Steinfliesen, vermodert das Stroh, auf dem Sarto Singal lag.

Seine Beine lagen in einem mittelalterlichen Holzblock gefangen, die Handgelenke trugen verrostete Stahlmanschetten, mit denen er an die Wand in seinem Rücken gekettet war.

Vor ihm auf dem Boden lag der Blechteller, auf dem sie ihm die letzte Mahlzeit gebracht hatten. Ein nur halb durchgebratenes Hühnchen mit versalzenem Reis, dazu einen Becher Wein.

Sarto Singals Henkersmahlzeit.

Er hatte sie hinuntergeschlungen, bevor die allgegenwärtigen Ratten ihm zuvorkamen. Sie saßen um ihn herum und knabberten an seinen Stiefeln, solange er die Zehen nicht bewegte. Seine Beine waren bereits taub.

Nur mit Grauen dachte er an die Verhandlung zurück. Und mit noch mehr Grauen an die Stunde davor, in der sie ihm mit einem Gewehrkolben das Nasenbein zertrümmert hatten.

Ihm war, als würde eine Eishand nach seinem Herzen greifen und es zusammenpressen. Sein Puls hämmerte in den angeschwollenen Schläfen.

Zum wiederholten Male zerrte er verbissen an den Ketten, doch die Verankerung in der Mauer hielt.

Das Gewölbe war niedrig. Ein Mann konnte kaum aufrecht darin stehen. Ein schmaler Lichtbalken fiel von oben herein. Eine winzige Lücke im Mauerwerk der Fundamente, auf der die Kasernen der Rurales standen.

Noch stahl sich ein dünner Sonnenfaden herunter in das Verlies, aber Sarto Singal wusste, dass es soweit war, wenn dieser Strahl erst nicht mehr in die Zelle fiel.

Dann stand die Sonne genau im Zenit.

Dann war es Zeit zum Sterben.

Er hörte seine Kumpane brüllen. Nur ihn hatten sie isoliert eingesperrt.

Sarto Singal hätte am liebsten mitgebrüllt, vielleicht schrie er sogar. Er wusste es nicht. Er beobachtete gebannt den Sonnenstrahl, der unerbittlich schmaler wurde und schließlich ganz verschwand.

Eine barsche Kommandostimme erklang draußen vor der Zellentür.

»Nein!«, schrillte Lopez. »Ich will nicht sterben! Lasst mich los! Ich will nicht!«

Und die anderen fielen ein. Dann polterten derbe Stiefel, Schmerzlaute und bittere Flüche mischten sich darunter.

Dann kamen sie zu seiner Tür. Abgesperrt war sie nicht, nur von außen verriegelt. Jetzt wurde der Holzbalken aus seiner Verankerung gehoben.

Die Ratten flüchteten quietschend in ihre Löcher, als vier Männer gebückt hereinkamen.

Für Mexikaner waren sie ziemlich stämmig.

»Fertig, Singal«, sagte der eine. »Du bist dran. Nun mach dir nicht noch in die Hosen wie dieser verdammte Lopez. Dieser Bastard hat mich doch glatt angepinkelt.«

»Dann komm mir nur nicht zu nahe«, knurrte Sarto Singal böse. »Sonst passiert dir was viel schlimmeres.«

Der Bandit lachte rau auf. Jetzt, wo es wirklich darauf ankam, war plötzlich seine Kälte zurückgekehrt. Irgendwann stirbt jeder, tröstete er sich. Besser es erwischt mich am Pfahl. Das geht wenigstens schnell.

Und er dachte an eines seiner Opfer, das er mit einem Bauchschuss allein der Mesa gelassen hatte. Wahrscheinlich hatten die Geier den Mann schon angeknabbert, noch ehe er richtig tot war.

Einer der Rurales öffnete den Block, hob die Beine heraus, als Singal allein dazu nicht mehr fähig war. Ein anderer schloss die Stahlfessel auf. Sie banden ihm die Hände im Rücken zusammen und benützten Stricke dazu.

Sarto Singal versuchte, auf eigenen Beinen zu stehen, doch er knickte immer wieder ein.

Zwei Männer packten ihn in die Mitte und schleiften ihn in den dunklen Flur entlang. An der einen Wand blakten ein paar Fackeln. Rußfahnen kräuselten zur Decke und räucherten sie ein.

Vor ihnen war eine steile Hühnertreppe. Von oben drang grelles Tageslicht herunter und versickerte im Halbdunkel des Ganges. Diese Treppe schleppten sie ihn hinauf.

Geblendet schloss der Bandit die Augen. Die grelle Sonne schmerzte auf seinem geschundenen, blutverschmierten Gesicht. Doch sie gab ihm auch einen kleinen Teil jener Kraft wieder, die einst in ihm gesteckt hatte, und die sie ihm systematisch aus den Rippen geprügelt hatten.

Sie zerrten ihn über einen Hof mit einem Brunnen in der Mitte.

In einer Ecke exerzierten ein paar Mann unter dem Kommando eines Unteroffiziers. Sie starrten neugierig herüber, als Sarto Singal quer über den Kasernenhof auf eine Nische in der Mauer zugeführt wurde.

Sie öffnete sich in einen weiteren, kleineren Hof. Hier wuchs etwas Gras unter einem dünn belaubten Baum.

An der einen Längsseite gab es vier frisch ausgehobene Gruben. Die Spaten steckten noch im aufgeworfenen Erdreich.

Die Rurales hatten sich nicht viel Mühe gegeben. Die Gräber waren nicht tief.

Dann blieb Singals Blick an vier verwitterten Pfosten hängen. Vielleicht hingen sonst die Frauen ihre Wäsche daran auf, aber jetzt waren Lopez und die beiden anderen Kumpane daran gebunden. Sie trugen schwarze Augenbinden.

Lopez zitterte wie Espenlaub. Er musste mit dem ganzen Körper an den Pfahl gebunden werden, damit er nicht in sich zusammensank. Er wimmerte jetzt nur noch.

Singal wurde zum vierten der Pfähle geführt. Kurz öffnete sich seine Fesselung, doch das ging so rasch, dass der Bandit gar nicht erst auf die Idee kam, die Chance zu einem Befreiungsversuch zu erkennen – wohin auch in dieser Mausefalle?

Ein Uniformierter kam mit einer Binde auf ihn zu.

»Lass das!«, fauchte Sarto Singal. »Ich möchte euch Bastarden in die Augen sehen, wenn ich abkratze. Und das ist mein letzter Wunsch, comprende?«

»Wie du willst«, meinte der Mann teilnahmslos und trat zurück.

Singal hielt sich jetzt von selbst aufrecht. Der Pfahl drückte hart gegen seinen Rücken, die Fesseln schnitten ins offene Fleisch. Rein aus Gewohnheit zerrte der Mädchenhändler wieder an seinen Stricken.

Und er stieß auf Widerstand!

Hinter ihm steckte ein Nagel im Pfahl! Er fühlte den Kopf. Wurde er sonst benutzt, die Wäscheleinen zu befestigen?

Ihm konnte das egal sein.

Sarto Singal fasste neue Hoffnung. Wider alle Vernunft begann er sofort, seine Fesseln am Stahl zu wetzen. Er musste die Zähne zusammenbeißen, um vor Schmerz nicht aufzubrüllen.

In dicken Tropfen trat ihm der Schweiß auf die Stirn, lief ihm in die Augen und brannte. Er spürte, wie sich eines der gedrehten Hanfseile lockerte. Die Mexikaner haben miserables Material verwendet, schoss es ihm durch den Kopf.

Und Sarto Singal machte weiter, auch wenn er keine echte Chance mehr für sich sah. Er wollte es wenigstens versuchen. Das war er sich schuldig. Vielleicht gelang es ihm, noch den einen oder anderen mit auf den langen Trail zu nehmen. Schon die bloße Aussicht spornte ihn zu einem Kraftakt an.

Das Erschießungskommando ließ sich Zeit. Fast eine Minute dauerte es, bis fünf Rurales mit leeren Gesichtern in den kleinen Hof marschierten und sich auf ein Kommando ihres Offiziers in einer Reihe aufstellten. Vergangene Nacht war dieser Offizier noch Beisitzer im Schnellgerichtsverfahren gewesen.

Jetzt holte er mit theatralischer Geste eine Papierrolle hervor und verlas das vierfache Todesurteil, als stünde er vor einem Publikum auf der Bühne.

Sarto Singal war jede Verzögerung recht.

Aufatmend nahm er wahr, dass die Rurales zuerst auf Lopez anlegten, und der stand am anderen Ende der Reihe.

Die Männer des Pelotons waren mit altmodischen Vorderladern ausgerüstet. Sarto Singal kannte die Waffen, die lange von der mexikanischen Armee verwendet worden waren.

»Feuer!«, brüllte der Offizier, und sein Säbel zischte durch die Luft.

Ein ohrenbetäubendes Krachen füllte den kleinen Hof. Beißender Pulverqualm stieg auf.

Die Männer des Erschießungskommandos warteten ihre Befehle ab. Auf Kommando luden sie die vorsintflutlichen Kracher nach.

Sie brauchten lange dazu, und trotzdem ging es Sarto Singal viel zu schnell.

Er schaute hinüber zum äußeren Pfahl. Ein blutiges Bündel hing in den Stricken, nicht mehr als der Bandit Lopez zu erkennen.

Das grausame Zeremoniell wiederholte sich.

Sarto Singal hatte inzwischen einen dieser Stricke durchgerieben. Er verbiss ein grimmiges Grinsen und zwang sich zu klarem Denken, auch wenn in seinem Schädel das Chaos ausgebrochen war.

Er wusste nur, dass er von diesem verfluchten Pfahl loskommen wollte. Danach würde er weitersehen.

Die Hinrichtungen hatten außer dem kommandieren Offizier keine weiteren unmittelbar beteiligte Zeugen. Der Mann hatte sie weggeschickt, als es zur Sache ging. Es war ja auch kein Schauspiel für Neugierige.

Zum dritten Mal fuhr blitzend der Säbel herab, und nur Sarto Singal lebte noch.

Aus seinen schweißverklebten Augen musterte er die Männer des Pelotons. Pulverdampf lag dicht wie Nebel zwischen ihnen. Er konnte sie nur schemenhaft wahrnehmen. Und er wusste, dass es den Schützen nicht anders erging.

Umständlich setzten sie ihre unförmigen Vorderlader ab, warteten auf das Kommando »Ladestock aufnehmen!«, als Sarto Singal plötzlich keine Fesseln mehr spürte.

Mit einem Zirpen war der letzte Hanfstrang gerissen. Die Männer des Erschießungskommandos bekamen davon nichts mit.

Da stürmte Singal los.

Er hechtete gegen den Offizier, und ehe der noch einen überraschten Ruf ausstoßen konnte, hatte Singal ihm schon beide Fäuste ins Gesicht gerammt.

Er gab den Offizier nicht frei, sondern zupfte ihm den Colt aus der offenen Halfter. Den Säbel entwand er ihm, sprang wie ein Derwisch einen Schritt zurück und schlug zu.

Er spaltete den Schädel des Offiziers mit einem einzigen gewaltigen Hieb.

Und dann krachte der Revolver fünfmal hintereinander.

Die Männer des Erschießungskommandos sanken über ihren ungeladenen Gewehren nieder.

Sarto Singal setzte über sie hinweg, hetzte zur Mauer, sprang hoch, bekam die Krone zu fassen, konnte sich halten und den Körper nachziehen.

Seine Augen glühten wie Kohlen im Höllenfeuer.

Auf der anderen Seite ließ er sich fallen, ohne sich richtig bewusst zu sein, was er tat.

Sarto Singal handelte mit den Instinkten eines Raubtiers, und nichts anders als ein zweibeiniger Tiger war er auch.

Unweit vor ihm erkannte er eine Pferdekoppel. Sie hatte innerhalb der Kaserne keinen Platz gefunden. Mehr als drei Dutzend Pferde grasten darin.

Der helle Fleck eines Gesichtes tauchte auf.

Sarto Singal stach mit dem Säbel hinein. Ein gurgelnder Schrei ging in ein Röcheln über.

Schon hatte Singal einen neuen Revolver in der Faust. Er schoss mitten unter die Pferde.

Ein grelles' Wiehern erfüllte die schwüle Luft, aber da hatte sich Singal schon katzengewandt auf einen Pferderücken geschwungen. Er krallte die blutigen Fäuste in die Mähne und ließ sich von der ausbrechenden Stampede davontragen.

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