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FORM UND INHALT

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Nicht nur die Strukturierung des Textes bereitete bei der Übersetzung eine Menge Arbeit, auch die Terminologie jener Zeit warf immer wieder die Frage auf, wie am besten zu verfahren sei. Die Entscheidung fiel schließlich zugunsten einer Mischlösung, die versucht eine Balance zwischen wortgetreuer Ursprünglichkeit und verständlicher Anpassung zu wählen. Der Grundcharakter der Ausdrucksweise jener Zeit sollte unbedingt bewahrt bleiben, um nicht den Anschein zu vermitteln, wir hätten es hier mit einem Zeitgenossen zu tun. Dies betrifft auch den häufigen Wechsel zwischen lateinischen Fachausdrücken, so wie sie in der Medizin gebräuchlich sind, und der umgangssprachlichen Bezeichnungen medizinischer Ausdrücke. Hier findet sich im Original keine Stringenz und auch dies habe ich der Authentizität wegen so belassen. Auch bezüglich der Nummerierung besteht wohl aufgrund der häufigen Nachbesserungen des Skripts keine absolute Klarheit. Daher wurde die Gliederung vom Übersetzer und den Lektoren entsprechend so angepasst, dass eine Übersichtlichkeit für die Leser gewährleistet werden konnte.

Wie bei allen historischen Büchern aus dem Bereich der Medizin ist man auch bei Littlejohn schnell geneigt, die Mühe eines Studiums kontextueller Zusammenhänge allein schon deswegen zu unterlassen, weil Ausführungen begrifflich nicht zeitgemäß ausgedrückt sind. Wer dieser Hybris unterliegt, muss sich dann allerdings den Vorwurf gefallen lassen, selbst weder sachlich noch wissenschaftlich zu sein (was sich letztlich auch immer in die klinische Arbeit überträgt). Man sollte sich bei der Lektüre stets die Situation und Möglichkeiten der damaligen Zeit ebenso vor Augen halten, wie die genaue Bedeutung der Terminologie. Zudem fehlt übrigens bis heute auch der Nachweis, dass die osteopathischen Theorien nicht richtig sind. Es ist daher durchaus vorstellbar, dass selbst eine osteopathische Tumorbehandlung in einigen Fällen tatsächlich die beste Wirkung erzielen könnte. Unabhängig von der ethischen Diskussion bzgl. entsprechender Studien gilt die Aussage daher solange, bis das Gegenteil bewiesen wurde.8

Scheinbare Widersprüche oder Unklarheiten sind jenen unleserlichen und skriptartigen Textstellen geschuldet, die nicht einfach nach dem Motto ‚Ich-denke-mal-daswill-er-damit-sagen‘ geglättet wurden. Der geneigte Leser mag diese Stellen nach eigenem Ermessen deuten. Häufig betrifft dies die Erklärung der Techniken, welche gelegentlich zusammen mit einem Assistenten (manchmal sogar zwei!) durchgeführt wurden. Auch beschreibt der Autor bei einigen Erkrankungen Symptome in widersprüchlicher Ausprägung. So kann bei ein und derselben Erkrankung in einem bestimmten Stadium entweder erhöhte oder erniedrigte Temperatur vorkommen, an anderer Stelle wiederum laute oder leise Herztöne. Damit widersteht er eindrucksvoll der Versuchung, Kollegen und Patienten immer klare Antworten zu liefern. Littlejohn ist als seriöser Wissenschaftler und Kliniker ohne Rücksichtnahme auf seine wissenschaftliche Reputation einzig an der zweckneutralen Beobachtung und Beschreibung von Phänomenen und den logischerweise daraus folgenden therapeutischen Konsequenzen interessiert. Dies macht das vorliegende Werk besonders authentisch und interessant für den allgemeinmedizinischen Praxisalltag. Allgemeinmedizinisch v. a. deshalb, weil hier Anatomie, (Patho) Physiologie, Innere Medizin, Neurologie und Orthopädie in geradezu genial funktionell zusammenhängender Weise erklärt werden. Für die vielen an Osteopathie interessierten Fachleute bietet Osteopathische Diagnostik und Therapie somit alles: Grund zum Jubel und zum Stöhnen. Ob Mediziner, Physiotherapeuten oder Heilpraktiker, sie alle werden Textstellen finden, die Ihnen aus dem Herzen gesprochen erscheinen, und andere, die eine große Abwehr auslösen werden. Dies ist das Charakteristikum aller größeren Werke, die nicht versuchen das eine oder das andere Lager zu bedienen. Und eben deshalb ist es so wertvoll. Es soll keinem anderen dienen außer wissbegierigen Menschen, die bereit sind bis ans Lebensende dazuzulernen. Auf sie wartet bei der Lektüre eine Schatztruhe voller kleiner und großer Edelsteine. Und auf dem größten von allen steht immer wieder:

Physiologisch denken, anatomisch (be)handeln!

Was einfach klingt heißt nichts anderes als prozessorientiertes Denken, aber konzeptorientiert Handeln. Im medizinischen Klinikalltag, der entweder vom prozessorientierten Denken-Handeln (Esoterik) oder vom rein konzeptorientierten Denken-Handeln (EBM-Schulmedizin) geprägt wird, liegt daher in der wertfreien Lektüre dieses Buches die wohl größte Herausforderung an die Leser. Aber wer weiß, vielleicht bietet sich dem historische interessierten Leser im stillen Kämmerlein ja die willkommene Gelegenheit, mal die liebgewonnenen und bei öffentlichen Diskussionen vehement verteidigten Vorurteile ebenso ruhen zu lassen wie den ebenso lästigen wie hartnäckigen therapeutischen Narzissmus. Sehen Sie das Buch als Gelegenheit, die Schützengräben bei Nacht und ohne Waffen zu verlassen, um Frieden zu schließen. Mein Tipp: Geben Sie Littlejohn eine faire Chance und lesen Sie das Buch mit Herz und Verstand. Ich hoffe der aufgearbeitete Inhalt und die gewählte Form bieten Ihnen dazu die richtige Plattform.

Osteopathische Diagnostik und Therapie

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