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VORWORT DES HERAUSGEBERS (2013)

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Seit dem Erscheinen der Deutschen Erstauflage ist viel passiert. John Martin Littlejohn, zuvor noch so gut wie gänzlich unbekannt im deutschsprachigen Sprachraum, beginnt hier langsam seinen verdienten Platz in der Geschichte der Osteopathie zu erlangen.

Dementsprechend versiegt das historisch nicht belegbare Gerücht, Littlejohn hätte Stills Philosophie der Osteopathie ‚zerstört‘ zusehends – und das ist auch gut so. Warum? Es war v. a. Littlejohn zu verdanken, dass Stills Annahmen und empirische Beobachtungen auch wissenschaftlich bestätigt wurden und damit für das 20. Jahrhundert überlebensfähig blieben. Und dass Littlejohn bis heute einer der ganz wenigen ist, die Stills salutogenetische Philosophie tatsächlich durchdrungen und gelebt haben, zeigen v. a. seine einleitenden Gedanken in diesem Buch.

Stets geht es Littlejohn bei den Behandlungen immer wieder um zwei Hauptaspekte: Die fließenden Körperflüssigkeiten (1) und die Lebenskraft des Patienten (2). Alle anatomisch umgesetzten manuellen Techniken dienen letztlich dazu, das ungehinderte Fließen der Körperflüssigkeiten zu ermöglichen, damit sich darüber die inherenten Selbstorganisationskräfte des Körpers optimal entfalten und wirken können. Und dies erklärt auch, warum Osteopathie keine Methode oder ein Verfahren vorrangig auf den muskuloskelettalen Bereich des Körpers bezogen ist, sondern eine im allgemeinmedizinisch-salutogenetischen Kontext angewandte biologische Wissenschaft repräsentiert. Einfach ausgedrückt: Es geht um die ehrfürchtige Anpassung des Leibes und nicht um das Korrigieren des Körpers:

„Wenn du deine Hände auf einen Kranken legst, lege sie ehrfurchtsvoll auf, denn du hast es mit dem Meistermechanismus von Erde und Himmel zu tun: dem menschlichen Körper. Kein vollkommenerer ist uns jemals begegnet.” 1

Dies aber erfordert die Überwindung des tief in uns verankerten pathogenetischen Denkens und der damit verbundenen Identität des therapeutischen Egos als ‚helfender Held‘. Nur die Kraft der Natur kann heilen; wir sind lediglich Erfüllungsgehilfen. Wie unerhört und gefährlich dieses neue Paradigma zu sein scheint, beweist die noch sehr junge und bewegte Geschichte der Osteopathie: Abwertungen und Anfeindungen sind steter Begleiter. Und wenn das alles nicht hilft, greift man zur mächtigsten Waffe: Die Umdeutung der salutogenetischen Osteopathie Stills und Littlejohns in eine berufspolitisch und abrechnungstechnisch konforme rein pathogenetisch verwobene Zwangsjacke, und die damit verbundene Reduktion auf simple manuelle Techniken zur Behandlung muskuloskelettaler Beschwerden. Dies geschah bereits ab der 1920ern im Ursprungsland der Osteopathie auf betreiben der American Osteopathic Association, es wiederholte sich außerhalb der Vereinigten Staaten in den 1950ern durch die Britisch School of Osteopathy, und wer die aktuellen berufspolitischen Bemühungen insbesondere der Deutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin (DGMM) und des Interessensverbandes Selbstständiger Physiotherapeuten (IFK) verfolgt, kann sich Eindrucks nicht erwehren, dass hier ein langsam aussterbendes medizinisches Denken verzweifelt um sein Überleben kämpft. also n vollem Gang und wie alle wissenschaftlichen Revolutionen gelten auch hier zwei Grundregeln: (1) Eine gute Idee setzt sich früher oder später entgegen aller Abwehrversucher im ursprünglichen Sinn durch und (2) die Paradigmen neuer Generationen ersetzen jene der alten Generation. Auch hier spiegelt sich das Bestreben der Natur zur Selbstordnung wieder... Gut, dass der Mensch auch bei diesem Prozess nur sehr begrenzte Macht besitzt!

Ich bin mit sicher, dass Littlejohns wissenschaftliche Ausdeutung von Stills Philosophie der Osteopathie bei diesem Prozess eine gewichtige Rolle spielen wird, denn wie kein anderer versteht er es, Stills kryptische Beschreibungen in auch heute noch leicht zugängliche Sprache zu fassen:

„Leben besteht aus bestimmten objektiven Manifestationen von Vitalität. Es gibt eine bestimmte Lebenskraft, die sich in den vielen vitalen Prozesse ausdrückt. Wird diese Lebenskraft in ihrem Prozess der Verteilung und Manifestation nicht behindert und kooperieren die vitalen Prozesse und die organischen Aktivitäten perfekt, ist das Physische vollständig angepasst.“

Kein ‚Gesund machen‘, kein ‚Heilen‘, keine Angriffsfläche für übersteigerte Behandler-Egos oder Helfer-Syndrome. Der halbgöttische und übermächtige Behandler bekommt seinen angestammten Platz wieder: als Erfüllungsgehilfe der Natur. Dort, und nur dort, kann er sein ganzes Potenzial zum Wohl der Menschheit entfalten. Ist das nicht ein mächtiger und im Grunde sehr befreiender Gedanke? Lesen Sie jede Zeile von Littlejohn in der Bewusstheit, dass er in dieser Gedankenwelt Osteopathie gedacht, gelebt und verteidigt hat. Ich bin mir sicher, Sie werden danach besser verstehen, warum dieses in einem Archiv verstaubende Manuskript es mehr als wert ist, in die gegenwärtige Osteopathie zu wirken.

Der vorliegende Titel wurde inzwischen neu gesetzt. Dabei wurde die im Original nur rudimentär vorhandene und erst in der Übersetzung vervollständigte Nummerierung der zahllosen Aufzählungen und Auflistungen einzelner Aspekte überarbeitet, um eine bessere Übersicht zu gewährleisten und hoffe, dass die Lektüre dadurch noch übersichtlicher wird.

Viele Vergnügen bei der Lektüre.

Christian Hartmann

Pähl, Oktober 2013

Osteopathische Diagnostik und Therapie

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