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Angst um Beno

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Beim Meeting mit meinen Kollegen hoffte ich, einige Informationen über den Einsatz zu erhalten. Leider wussten sie genauso wenig wie ich darüber. Es schien auch niemanden sonderlich zu beschäftigen, denn keiner von ihnen hatte näheren Kontakt zu den Männern. Und Einsätze waren hier nun mal an der Tagesordnung. Bis vor kurzem ging es mir schließlich nicht anders. Wenn sie wieder kamen, würden bestimmt einige Akten bei mir auf dem Tisch landen. Ob Benos auch wieder dabei sein würde? Ich erkundigte mich beiläufig bei einem Kollegen, was die Jungs eigentlich für Möglichkeiten hatten, wenn sie nicht mehr in vorderster Front eingesetzt wurden. Was war denn so üblich? Mein Kollege Michael, ein hagerer, sportlicher Typ in den Fünfzigern, musste nicht lange überlegen. „Meistens geben sie ihre Erfahrung als Ausbilder oder Stratege weiter. Oder sie koordinieren vom Boden aus Einsätze. Sie gehen früh in Pension und erhalten eine saftige Rente. Können sich dann für den Rest des Lebens ausruhen.“ Es klang irgendwie abwertend und missgönnend. Ihm musste doch durchaus bewusst sein, mit welchem Risiko diese Männer bis dahin leben mussten. „Oder sie müssen das normale Leben erst mal kennen und schätzen lernen“, rutschte es mir heraus und er sah mich überrascht an. „Naja, normal ist das ja nicht, wenn man nur in den übelsten Krisengebieten zu tun hat und ständig seinen Kopf riskiert“, fuhr ich fort. „Da hast du Recht. Die wenigsten von ihnen haben Familie oder außerhalb der Zäune Freunde. Manchmal geht die Pensionierung in die falsche Richtung. Alte Erlebnisse kommen hoch, einige fangen an zu trinken, entwickeln Psychosen und leben noch in der kriegerischen Welt, die mal zum Alltag gehörte.“ Ich hörte sehr interessiert zu. Er berichtete, dass er neben den Männern hier auch noch Kontakt zu einigen Ehemaligen hatte. „Aber glaube mir, einige gründen eine Familie und machen sich ein wirklich schönes Leben. Den Jungs geht es dann verdammt gut. Ich kannte auch welche, die plötzlich ihre künstlerische Ader an sich entdeckt haben. Einer macht Skulpturen, die er sehr teuer verkauft. Ein anderer malt schöne Bilder. Ein ehemaliger Elitesoldat namens John hat hier in der Nähe ein Heim für elternlose Kinder gegründet. Er leitet dieses und lebt auch dort mit den Kindern.“ „Ein Happyend für diejenigen, die viel Schlechtes erlebt haben und stets mit der Gefahr konfrontiert wurden. Sie wollen anderen ein sicheres Leben ermöglichen.“ „Ja, und vor allem Kinder vor den Gefahren und Ungerechtigkeiten da draußen schützen.“ Michael schien diese Menschen doch mit Respekt zu betrachten. Mir gefiel dieser Gedanke einer Pensionierung sehr gut. Ich nahm mir vor, Beno mal zu beeinflussen, sich als Ausbilder zu bewerben. Diesen Gedanken verwarf ich aber schnell wieder. Erstens, weil er sich ja nun bekanntlich schwer von anderen beeinflussen ließ. Und zweitens, hatte ich überhaupt das Recht dazu? Er machte diesen Job schon seit dreizehn Jahren. Gedanken über seine Zukunft würde er sich schon zu genüge gemacht haben. Hauptsache, er kam erstmal heil zurück, dann konnte man ja weiter sehen.

Ich brauchte Ablenkung und stürzte mich ausnahmsweise mal in meine Arbeit. Ich holte motiviert einige Akten hervor und brachte sie auf Vordermann. Einige studierte ich näher. Zu Benos Akte hatte ich leider keinen Zugang mehr. Beim letzten Mal hatte ich sie nur kurz in der Hand gehabt und nun hätte ich zu gern noch mehr Infos über ihn erhalten. Wo kam er her? Wo war er aufgewachsen? Wie war er hierhergekommen? Diese und noch viel mehr Fragen schwirrten mir durch den Kopf. Dann ging ich zu unserer Kantine und besorgte mir einen Salat und eine Zeitung. Auch heute konnte mir die Zeitung keine Hinweise auf einen Einsatz liefern. Ich merkte mir aber einige Konflikte, über die ich zu Hause mehr Informationen herausfinden wollte. Erstaunlich, welchen Bildungsdrang diese Situation bei mir auslöste. Schaden tat es auf keinen Fall!

Als mein Hund später neben meinem Fahrrad herlief, dachte ich mir, ich könnte mal einen Abstecher zum Osthafen machen. Jedenfalls war ich noch nie dort und die pure Neugierde trieb mich dahin. Paula und ich fuhren an der Promenade entlang und genossen den Blick aufs Meer. Wir kamen an einem großen Badestrand mit vielen Eisbuden und Strandcafés vorbei. Ich teilte mir brüderlich mit Paula ein Eis. Der Hund die Waffel, ich das Eis. In der Nähe des Stadtzentrums wurde die Promenade durch einen Park vom Strand getrennt. Paula nutzte die Gelegenheit und rannte mit einigen anderen Hunden über die Grünfläche. So kam sie auch noch ausgiebig auf ihre Kosten. Allmählich gelangten wir zum Osthafen. Große Ausflugsdampfer lagen an der Pier. Einzelne Frauen warben dafür, mit den Ausflugskatamaranen zu den Delfinkolonien vor der Küste rauszufahren. Hier war eine sehr beliebte Touristengegend. Viele Menschen mit Kameras vor dem Bauch stöberten in den Shops, in denen überwiegend kitschige, unnötige Dinge angeboten wurden. Ein Stückchen weiter kamen wir in die besagte Kneipengegend. Um diese Zeit war es natürlich still hier, kaum eine Kneipe hatte geöffnet. Die Häuser sahen bei Tageslicht eher schäbig aus. Farbe blätterte an einigen Stellen ab, schlechte Zeichnungen halbnackter bis nackter Mädels zierten die Fassaden. Einige sehr geschminkte Mädels saßen im Halbschatten und rauchten. Sie waren leger gekleidet mit Shorts oder Jogginghosen und T-Shirts und sahen müde aus. Einige von ihnen beobachteten mich misstrauisch, als wäre ich ein Eindringling in einem fremden Revier. „Nein, das ist ganz bestimmt nicht meine Gegend hier!“, dachte ich mir und erschauerte leicht dabei. Hier würde ich nachts keinen Fuß hinsetzen wollen. Zumindest nicht ohne männliche Begleitung. Selbst dann hätte ich Angst, mir würden die Augen ausgekratzt werden.

Die Jungs kamen zum Feiern her und wollten ihren Spaß haben. War das tatsächlich auch Benos Ding? Kaum vorstellbar! Ich wusste genau, wie gern er bei mir am Strand und in meinem Haus war. Dass er sich gern zurückzog, aber auch, wie gern er diskutierte. Hier konnte er nicht glücklich sein. Zufrieden drehte ich um. Trotzdem genoss ich diese Tour, die mich allerdings nur noch mehr an ihn denken ließ.

Take care, Baby!

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