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Kapitel 2 Nur ein guter Freund?

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Das Henry’s war eine Strandbar und lag nur circa einen Kilometer von meinem Haus entfernt direkt am Meer. Eine einfache, gemütliche, kleine Holzhütte mit einer Bar in der Mitte, die von einem von vielen feiernden Gästen belagerten Tresen umgeben wurde. Es gab einige Tische, die einfach im Sand standen und einige Strandkörbe, in denen man seinen Drink mit Blick aufs Meer genießen konnte. Die weißen Sonnensegel wurden von der leichten Brise aufgebläht. Diese Bar war einfach der perfekte Ort für einen Sundowner. Ich spazierte barfuß mit Paula am Strand entlang. Es dämmerte schon. Jackie wartete bereits und hatte einen Tisch für uns reserviert. Sie freute sich, einen babyfreien Abend zu haben und hatte schon einen Gin Tonic vor sich stehen. Ich bestellte mir auch einen. Paula nahm artig unter dem Tisch Platz und schlief nach kurzer Zeit ein. Jessi und zwei hübsche junge Frauen, die ich nicht kannte, kamen kurz nach uns an. Eines der Mädels arbeitete auch im Bunker. Ich hatte sie zumindest schon mal in der Kantine gesehen. Beide waren total nett und wir hatten eine lustige Runde mit viel Gekicher. Natürlich fiel das Thema auch auf die Männer. „Stellt euch mal vor, Kristy datet einen von diesen Superagenten.“ Auf Jessi war natürlich Verlass. Ich verdrehte die Augen. „Hallo, ich habe einen Bericht über ihn geschrieben. Nicht ihn gedatet!“ Jessi glaubte mir nicht. „Dafür wart ihr aber ganz schön lange weg. Und dann diese Tarnung mit den Joggingklamotten.“ Sie meinte es im Scherz. „Wir waren joggen! Er meinte, er wäre nicht sehr unterhaltsam in meinem Büro. Beim Joggen hatte er mir das ganze Gelände gezeigt und erklärt. War interessant, muss ich sagen. Ob du es glaubst oder nicht, einen Bericht über ihn habe ich tatsächlich auch geschrieben.“ Jessi sah mich grinsend an. Warum verteidige ich mich eigentlich? Das Mädel aus der Kantine machte weiter. „Hast du denn keine Angst? Stell dir mal vor, der küsst Dich und drückt dabei ein bisschen zu fest zu?“ Küssen! „Oder er bricht dir die Rippen bei einer Umarmung?“ Die Girls dachten schon eindeutig weiter als ich. „Mädels, ihr seid echt doof!“ Ich musste total lachen. Wir blödelten weiter und befragten Jackie, die schließlich mit einem Ehemaligen verheiratet ist. „Wie ihr seht, ich lebe noch und das ohne gebrochene Knochen.“ Wir verlebten einen fröhlichen Abend. Die drei Gin Tonics hinterließen bei mir ihre Spuren und ich war froh, dass Jackie mich nach Hause fuhr und mir die Tür aufschloss. Irgendwie stellte ich noch meinen Wecker und schlief sofort ein. Paula eroberte ihren Teil meines großen Bettes und kuschelte sich an mich.

Der Wecker klingelte viel zu früh. Diesmal war mein Brummschädel der Grund, weshalb ich auf mein Morgenjogging verzichtete. Das kühle Bad half deutlich besser, einen klaren Kopf zu bekommen. „War lustig gestern. Oder Paulchen?“ Trotz Kopfweh war ich bester Laune. Ich freute mich auf den Tag und fuhr beflügelt zur Arbeit. Heute mit Sonnenbrille, die Sonne blendete doch extremer als sonst. Auch Jessi hing etwas matt hinter ihrem Tresen. Wir unterhielten uns lachend über den gestrigen Abend. „Heute liegt nicht viel an. Nur eine Physio am Nachmittag.“ Das gefiel mir natürlich sehr. „Ist mir ganz recht, ich schlafe bestimmt über meinen Berichten ein. Essen wir nachher zusammen?“ Jessi verzog schmerzlich das Gesicht. „Das du schon in wieder ans Essen denken kannst!“ Ich verzog mich auf meinen Bürostuhl und schloss die Augen. Es merkte ja keiner, wenn ich hier mal kurz einschlafe. Mein Handy pfiff, mein Klingelton für eine Simse. „Bist du fit? Wie sieht’s aus? Kleine Runde joggen? Beno“ Woher hatte er denn nur meine Handynummer und wieso fragte er, ob ich fit war? Was ich ja so gar nicht war! Schnell schickte ich ihm eine Antwort. „Kann nicht immer in meiner Arbeitszeit joggen gehen. Später ?“ „Ok, ich hole Dich gleich ab. Keine Angst, kein Jogging heute.“ Er war anscheinend mal wieder bestens informiert. Zehn Minuten später stand er in meinem Büro. „Nicht viel los heute, oder?“ „Hmm.“ Mich wunderte nicht mehr viel. Hatte er irgendwelche Spione hier verteilt? Wanzen? Oder hatte Jessi geplaudert? „War wohl ein Drink gestern schlecht, was?“ Er sah mich frech und herausfordernd an. Dieser Informationsfluss war wohl ein Berufsproblem. „Alle waren schlecht! Aber lustig war’s.“ Ich lächelte gequält. „Komm, ich stelle dir mal ein paar von meinen Jungs vor. Du kennst ja nur die Frischlinge, die hier vor dir stottern.“ Ich folgte wehrlos. Er beobachtete mich belustigt. „Was ist denn? Habt ihr keine Herrenabende? Ich nehme den Schädel gern in Kauf für den gestrigen Abend.“ Ich setzte vorsorglich schon mal meine Sonnenbrille auf. „Ich glaube unsere Abende sehen anders aus, als eure Abende“, meinte er verräterisch. Oha, ich wollte lieber nicht nachfragen, wie es an solch einem Abend abging. Wir steuerten auf ein flaches, etwas abseits gelegenes Gebäude zu. Er öffnete galant die Tür. „Voila, hier ist unser Reich. So viele Zivilisten und vor allem Frauen kommen hier nicht hinein.“ „Ich fühle mich geehrt. Und wo bin ich hier?“ „Hier ist unter anderem unser Gym. Komm, ich zeige es Dir.“ Ich folgte ihm einen Flur entlang. Wir landeten in einem sehr modernen Fitnessraum mit einer großen Glasfront zur Gartenseite. In einer Ecke stand eine gemütliche Sitzecke aus mehreren Sofas. Einige muskelbepackte Männer trainierten an den Geräten, andere lagen auf den Sofas herum. Ich sah viele nackte Oberkörper und wusste gar nicht, wo ich hinsehen sollte. Überall diese Muskeln, in jeder Hautfarbe vertreten. Hinter einer Wand aus Naturstein schien die Dusche zu sein, jedenfalls hörte ich ziemlich lautes Plätschern und Geräusche. Sollten das Gesänge darstellen? Nicht, dass da noch einer von ihnen nackt um die Ecke kam. Ich bemerkte dabei, dass ich noch meine Brille auf hatte und setzte sie mir auf die Haare. Prompt kam ein hünenartiger Kerl, nur mit einem Handtuch bedeckt, hinter der Wand hervor. „Das ist Mike. He, Mike. Komm mal her. Das ist Kristy, ich habe dir von ihr erzählt.“ Mike war etwas größer als Beno und um einiges kräftiger. Auch er trug seine schwarzen Haare etwas länger als die meisten hier. Seine Nase war ein bisschen schief. Sicherlich hatte er sie sich bei einem Einsatz mal gebrochen. „Hi. Nett, Dich kennenzulernen.“ Er reichte mir seine riesige Pranke und verschwand dann lässig in den Nebenraum. Ich vermutete eine Umkleide dahinter. „Willst Du was trinken?“, fragte Beno und deutete aufs Sofa. Ich setzte mich etwas schüchtern zu seinen Kumpels und erhielt eine eisgekühlte Cola, die ich in fast einem Zug austrank. Sie löschte angenehm meinen Brand im Hals. Die Jungs waren sehr nett. Ich wurde gleich von einigen in ein Gespräch verwickelt. Sie waren lustig und ganz locker drauf. Ich amüsierte mich köstlich. Mein Brummschädel war fast vergessen. Ich vergaß außerdem völlig, dass ich hier mit einer Spezialeinheit zusammen saß, der ich während eines Einsatzes wahrscheinlich lieber nicht begegnen wollen würde. Nach einer Weile sah ich auf die Uhr. „Ich muss jetzt leider zurück. Die Pflicht ruft. Muss ja mal in meinem Büro anzutreffen sein.“ Schließlich erhob ich mich. Ich hätte gut noch bleiben können. „War nett, euch kennenzulernen.“ Dann verabschiedete ich mich. Beno konnte leider nicht mitkommen und meinte mal wieder nur: „Wir sehen uns.“ „Alles klar, wir sehen uns!“, dachte ich mir. Für ihn ein Kinderspiel. Er schien ja stets zu wissen, was ich so tat und wo ich mich herumtrieb. Über ihn erfuhr ich von Mal zu Mal ein klitzekleines bisschen mehr. Aber ich freute mich schon auf ein Wiedersehen – und das bitte möglichst bald!

Am nächsten Tag hatte ich unheimlich viel zu tun. Ich kam den ganzen Morgen nicht aus dem stickigen Physiokeller heraus. Trotzdem hielt ich immer Ausschau, ob nicht zufällig Beno um die Ecke kam. Denn er tauchte ja stets unangekündigt aus dem Nichts auf. Aber die Wahrscheinlichkeit, ihn zufällig anzutreffen, war sehr gering. Schließlich war er mir früher noch nie begegnet. Nach der Mittagspause musste ich an einer Sitzung mit meinen Mitstreitern, einigen Generälen und Ausbildern teilnehmen. Auch Tom, der Mann von Jackie war dabei. Er war wie immer ruhig und sachlich, aber sehr nett dabei. Es zog sich über einige Stunden dahin und ich starrte gelegentlich sehnsüchtig aus dem Fenster. Es war ein superschöner Tag, sonnig, kein Wind. Ich wollte eigentlich nur zu meinem Hund und mit ihr über den Strand toben. Als wir endlich fertig waren, eilte ich in mein Büro, schnappte meine Sachen und schwang mich auf mein Fahrrad. Während ich an der letzten Kontrolle warten musste, bis der Wachmann endlich seine Unterschrift unter die Papiere setzte, joggte Beno gemütlich an mir vorbei. Gedankenverloren mit Ohrstöpseln seines iPods im Ohr. Er lief schnurstracks durch den Kontrollposten und die Wachmänner schien das nicht zu stören. Dann bemerkte er mich und kam zu mir herüber. „Warum darf er denn einfach so durch die Kontrolle?“, fragte ich den Wachmann. „Der hat einen Chip“, war alles was er dazu sagte. „Ciao Bella.“ Beno kam lässig auf mich zu geschlendert. „Bella!?“, meinte ich empört und schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich bezog das auf dein knappes Outfit. Entsprechen diese Shorts denn den Richtlinien?“ Ich versuchte standhaft, nicht wieder rot anzulaufen. „Welche Richtlinien? Wo willst Du heute hinlaufen?“, fragte ich ihn schnell. „Ich werde Dich heute mal begleiten. Wohin willst Du?“ Er stellte seinen iPod aus und verstaute ihn in einer Hosentasche. „Nach Hause, aber vorher muss ich noch jemanden abholen.“ Das Grinsen ließ kurzfristig etwas nach und ich meinte schnell: „Du wirst diesen jemand bestimmt mögen. Ist übrigens eine Sie, ein tolles Mädchen.“ Wir machten uns auf den Weg. Ich fuhr gemütlich und er joggte langsam nebenher. „Was bedeutet das, dass du einen Chip hast? Ich kenne das nur von Haustieren.“ Er musste lachen. „Wird wohl so ähnlich sein. Die meisten von uns tragen Sender, mit denen man uns immer orten kann, egal wo wir sind.“ Ich war verblüfft. „Ihr werdet ständig beobachtet? Das ist doch gruselig! Können die nur sehen, wo ihr seid oder auch, was ihr so macht?“ „Nur wo wir sind, aber die gucken ja nicht ständig auf uns. Eigentlich nur im Einsatz. Und beruflich hat das schon seine Vorteile. Ich möchte nicht darauf verzichten. Privat interessiert es eigentlich keinen, was wir so machen.“ Das ergab Sinn. „Und jetzt bei der Kontrolle? Warum...“ „Dann piept es drinnen bei der Wache“, unterbrach er mich. „Die wissen dann, wer es ist und dass es in Ordnung ist.“ „Und wenn Du durch eine Flughafenkontrolle gehst, schlägt es dann auch gleich Alarm?“ Er hatte meine Neugier geweckt. „Mich lässt man bestimmt nicht in einen normalen Flieger steigen. Aus verschiedenen Gründen. Und es gibt nicht viele Länder, in die man mich einreisen lassen würde.“ Das schien kein Witz zu sein. Ein Staatsfeind, ein Killer, weltweit gesucht! Und ich ging hier gemütlich mit ihm die von Palmen gesäumte Allee entlang. Das Ganze passte irgendwie nicht zusammen und auch nicht zu ihm. Wir hatten so viel Spaß zusammen. Ich bog in die Straße ein, in der Jackies Villa lag, und stoppte vor dem Eisentor. Dann gab ich den Pincode ein, öffnete das Tor und rief laut: „Paula!“. Paula kam herausgesaust und freute sich, als hätte sie mich tagelang nicht gesehen. Beno schaute fasziniert zu. „Das ist Paulchen, das Wesen mit den flauschigsten Ohren.“ Ich liebte diesen Hund und kraulte ihr zum Beweis die Flauschohren. Beno lockte Paula zu sich. Ein bisschen unterwürfig kam sie zu ihm. Sie kroch fast dabei. Dann bückte er sich, hielt ihr seine Hände hin und kraulte sie schließlich. Sie schleckte seine Hände ab und wedelte mit dem Schwanz. Ihre Furcht war gebannt. Als er aufstand, sprang sie an ihm hoch und folgte ihm gleich, als wir unseren Weg fortsetzten. „He, du untreue Töle.“ Natürlich freute ich mich, dass sie ihn offensichtlich auch mochte. Wir fuhren bzw. liefen die Promenade entlang zu meinem Haus. Paula hatte wieder einen Stock gefunden, den sie sich aber nicht von Beno abluchsen ließ. „So, das ist Paulas und meine Behausung.“ Ich stellte mein Fahrrad in den Carport und betrat mein Reich. „Ist ja der Hammer! Was für eine coole Hütte!“ Beno wanderte zielstrebig durchs Haus auf die Veranda und sah über die Umrandung aufs Meer. Er atmete die frische Meeresluft tief ein und genoss den Blick auf die Brandung. „Ein kurzes Bad gefällig?“ „Klaro, geht ihr schon mal vor. Ich ziehe mich schnell um.“ Beno und Paula rannten die Treppe zum Strand herunter. Sein T-Shirt zog er während er die letzten Stufen runter sprang aus und warf es ans Ende der Treppe. Von oben sah ich die beiden ins Wasser sprinten. Ich zog mir schnell einen Bikini und ein T-Shirtkleid an, griff im Vorbeigehen zwei Handtücher und folgte ihnen zum Strand. Dann warf ich die Sachen zu Benos abgelegtem T-Shirt und lief etwas langsamer ins Wasser. Es war angenehm erfrischend, einfach herrlich nach so einem arbeitsreichen Tag. Ich schwamm zu meinem Hund, der schon wieder einen Stock an der Wasseroberfläche gefunden hatte. Beno kraulte aufs offene Meer zu. Paulchen und ich schwammen zurück zum Strand und machten es uns auf einem Handtuch bequem. Paula nagte genüsslich an ihrem neuen Stock, während ich mich von der Sonne trocknen ließ. Schließlich kam Beno aus dem Wasser. Ich konnte meinen Blick einfach nicht abwenden. Er musste einem Männermagazin entsprungen sein. Ich armes weibliches Wesen! Um mich abzulenken, klaute ich Paula den Stock und warf ihn in Benos Richtung. Er warf ihn wieder weg und jagte einige Minuten mit ihr über den Strand. Wie konnte man nur so viel Energie haben? Beno kam und ließ sich auf ein Handtuch fallen. „Du lebst hier ja im Paradies. Ist ja wie im Urlaub!“ Ich musste grinsen. Genau das empfand ich jeden Tag von neuem. „Es ist der schönste Ort, an dem man wohnen kann. Finde ich jedenfalls. Selbst wenn es mal stürmt, ist es unheimlich gemütlich im Haus.“ Ich sah stolz zum Haus empor: „Ich habe Hunger. Wie sieht’s mit Dir aus?“ „Gegen ein Steak und Salat hätte ich nicht einzuwenden.“ Er lächelte, eher unverschämt charmant. Konnte er jetzt Gedanken lesen? „Ich wollte mir tatsächlich ein Steak auf den Grill legen.“ Beno sprang auf und zog mich mit einer Hand hoch. Wir erklommen die steile Treppe. Während ich alles fürs Grillen raussuchte, ging Beno neugierig durchs Haus. Er hielt es nicht mal für nötig, sich ein Shirt überzuziehen. War er sich seiner Reaktion aufs andere Geschlecht womöglich gar nicht bewusst oder war es pure Absicht? Vor meiner Bücherwand blieb er stehen, studierte eindringlich die gesammelten „Werke“. Dann nahm er sich ein Buch heraus, fragte höflicherweise, ob er mir was helfen könnte, verschwand aber ohne eine Antwort abzuwarten auf die Veranda, wo er es sich mit dem Buch in einem Sitzsack bequem machte. Er schien sich ja sehr heimisch hier zu fühlen, dachte ich. Paula legte sich auch noch neben ihn, als ob das alles so gehörte. Sie vermied es dabei, mich anzusehen. Ich deckte draußen den Tisch, schnitt den Salat und legte ein paar Steaks auf den Grill. Kurze Zeit später saßen wir in der Sonne, aßen und unterhielten uns angeregt. Wie ein altes Ehepaar, stellte ich kichernd fest. Oder doch nicht? Die haben sich ja häufig nicht mehr viel zu sagen. Bislang war es mit Beno ganz und gar nicht langweilig. Er war sehr interessiert und was mich ein wenig überraschte, sehr informiert. Viel mehr als ich, musste ich mir eingestehen. Dass man in seinem Job dafür noch Zeit fand? Geschichte und Politik konnte ich ja noch einsehen. Sicherlich war das eine Grundvoraussetzung für einige Einsätze. Bildung und ein Modelaussehen passten hervorragend zusammen, stellte ich fest.

Leider musste er sich verabschieden: „Wir haben heute noch ein Meeting.“ „Was, jetzt noch? Ist doch schon lange Feierabend. Planen sie wieder den nächsten Einsatz mit dir?“ Hoffentlich nicht, dachte ich mir. „Feierabend, was ist das? Sonnen und im Meer baden geht nicht so oft. Manchmal muss ich was tun in meinem Job.“ Er erhob sich langsam. „Ja klar!“, das muss er mir ja nicht erklären. Aber trotzdem gefiel mir die Vorstellung gar nicht, dass er bald wieder zu einem Einsatz fort müsste. Das passte gar nicht zu diesem dolce vita hier. „Wann geht es denn wieder los?“ Er sah mich fast eindringlich an. „Fragen darfst du gern, erzählen werde ich dir natürlich nichts.“ „Sorry, bin ein neugieriger Mensch. Das gehört zu meinem Naturell.“ Und ich hatte bereits etwas Angst um ihn, aber das musste ich ihm ja nicht unbedingt sagen. War er doch gerade erst in mein Leben getreten.

Als er fort war, holte ich mir eine Cola und schob den Fernseher auf die Veranda. Meine Gedanken kreisten aber fortlaufend um den Nachmittag, den ich sehr genossen hatte. Was wollte er eigentlich? Er machte ja keinerlei Anstalten, mehr von mir zu wollen. Und doch schien er sich in meiner Gegenwart wohl zu fühlen. Auf die eine Art war ich beflügelt, auf die andere Weise aber auch gefrustet. War ich nur eine gute Freundin in seinen Augen? Vielleicht suchte er auch gar nicht nach mehr. Und wäre eine Beziehung mit einem Topagenten überhaupt erstrebenswert? Ich wollte im Moment doch nur die Sonnenseiten einer Beziehung sehen, nicht die Gefahren und Probleme. Ich leerte mein Glas und ging ins Bett. Die Nacht war fürchterlich. Ich träumte von kriegerischen Einsätzen und dass Beno verletzt und sogar erschossen wurde. Schweißgebadet wachte ich auf. Es war ein so realistischer Traum. Geschockt beschloss ich, lieber von so einer Beziehung abzusehen. Das war zu aufregend für meine arme, harmoniebedürftige Seele. Ich legte mich wieder hin und träumte, gegen meinen Willen, unvernünftig, aber machtlos, schon wieder von ihm. Diesmal von der Sonnenseite.

Am nächsten Morgen hatte ich frei. Einen halben Tag, weil ich in letzter Zeit häufig nachmittags länger gearbeitet hatte. Ich freute mich, so konnte ich mir einen schönen Morgen machen. Ich schlief aus, frühstückte gemütlich und las dabei die lokale Zeitung auf meinem iPad. Ich hatte mir vorgenommen, das nationale und internationale politische Geschehen besser zu verfolgen. Beim nächsten Gespräch wollte ich doch ein bisschen besser Bescheid wissen. Außerdem hatten unsere Jungs häufiger als vermutet ihre Finger im Spiel. Jedenfalls las ich, dass das Land, dessen Diktator einem Attentat zum Opfer gefallen war, kurz vor demokratischen Wahlen stand und vom Volk solange eine Krisenregierung aufgestellt wurde. Wie Beno sagte, der Stein wurde ins Rollen gebracht. Dann brachte ich Paula zu ihrem Kumpel Pelle und gönnte mir noch eine gute Stunde Shopping. Ich hatte das Bedürfnis, mir ein paar neue Klamotten zu kaufen. In meiner Lieblingsboutique wurde ich fündig und erstand ein schönes T-Shirt und eine enge, leichte Sommerjeans. Die Klamotten behielt ich gleich an und machte mich auf den Weg zur Arbeit. Jessi fielen meine neuen Klamotten sofort auf. Natürlich nicht ohne Hintergedanken: „Für wen hast du dich denn so in Schale geworfen?“ Ich verdrehte nur genervt die Augen. Wir unterhielten uns ein wenig und verabredeten uns gerade zum Lunch, als Beno aus dem Nichts auftauchte und sich zu uns gesellte. Er trug ein schwarzes T-Shirt und eine von diesen etwas weiten Hosen im Militär-Tarn-Look. Auch das stand ihm mal wieder viel zu gut. Jessi errötete etwas und ich selbst musste mir ein Grinsen verkneifen. Derartige Reaktionen passierten also nicht nur mir in seiner Gegenwart. „Tut mir leid, Jessi. Ich werde dir Kristy heute zum Lunch entführen. Sie hat noch einen gut bei mir.“ Ohne meine Antwort und Jessis Protest abzuwarten, zog er mich hinter sich her. Wahrscheinlich wollte er vermeiden, dass sie sich uns anschloss. „Neu? Schick!“ Er starrte auf mein figurbetontes Shirt und ich verschränkte erst mal meine Arme vor der Brust. Ich wollte den gewohnten Weg zur Kantine einschlagen, doch er fasste mich am Arm und lenkte mich in eine andere Richtung. „Wir essen heute mal bei uns. Das Kantinenfutter hier ist ja ungenießbar.“ Wo ‚bei uns‘ war, wusste ich allerdings nicht. Wir gingen zu dem Gebäude, in dem auch das Fitnessstudio lag, das ich ja bereits kannte. Dort betraten wir einen hellen, sehr schön eingerichteten großen Raum, in dem Tische für circa zwanzig Personen gedeckt waren. Es standen dort viele Blumen, eine große Terrassentür war geöffnet und man konnte sich auch draußen auf gemütliche Korbmöbel setzen. Wunderbar, kein klimatisierter Eiskeller hier! Beno schien meine Gedanken zu erraten. „Das ist die Handschrift von Maria. Ich stelle sie dir gleich mal vor. Sie ist wie eine Mutter für uns.“ Ich sah eine südländisch aussehende, rundliche, kleine Frau um die sechzig, die laut auf Spanisch mit einigen Männern diskutierte und viel lachte. Sie stellte Schüsseln auf den Tisch und haute einem der muskelbepackten Männer auf die Finger, der sich eine Schüssel greifen wollte. Wieder erklang eine Salve auf Spanisch, von der ich leider kein Wort verstand. Die meisten Männer am Tisch waren wie Beno Südamerikaner, aber es saßen auch einige blonde Jungs dazwischen. Alle lachten. Beno stellte mich Maria ebenfalls auf Spanisch vor, jedenfalls vermutete ich das, weil ich meinen Namen verstand. Es war das erste Mal, dass ich ihn in seiner Muttersprache reden hörten und ich fragte mich, warum sein Englisch komplett akzentfrei war. Er musste ja schon lange hier leben. Maria war eine sehr herzliche Frau. Sie nahm meine Hand und begrüßte mich auf Englisch mit starkem, spanischem Akzent. „Wie schön, eine Frau hier am Tisch zu haben. Keine Angst vor diesen großen Jungs hier. Die tun dir nichts. Es sind alles meine Babys.“ Ich musste lachen, denn keiner dieser Hünen hatte etwas von einem Baby an sich. Ich sah mir die Jungs näher an. Einige kannte ich vom Sehen und von zwei jüngeren Männern hatte ich einmal ein Gutachten erstellt. Den Rest kannte ich nicht. Beno setzte sich und klopfte auf den Stuhl neben sich. Ich nahm Platz und bekam sofort von meinem Nachbarn, der sich mit Monroe vorstellte, ein Mineralwasser eingeschenkt. Außerdem reichten sie mir als erstes diese wunderbar duftenden Schüsseln rüber. Sie gaben sich als gut erzogene, höfliche Musterknaben. Das Essen war wirklich nicht mit dem üblichen Kantinenfutter zu vergleichen. Es gab frischen Salat mit einem sehr leckeren Dressing, Steaks mit einer tollen scharfen Sauce und Folienkartoffeln mit Quark. Maria lief pausenlos umher, ihre sorgfältig hochgesteckten schwarzen Haare lösten sich allmählich. Sie redete dabei fast ununterbrochen, umarmte mal einen der Jungs und sang sogar zwischendurch. Sie verbreitete eine rundum herzliche Stimmung. Ihr lag wirklich fiel an den Männern. Wie musste das für sie wohl sein, wenn plötzlich alle im Einsatz waren? Sie hatte bestimmt um jeden einzelnen von ihnen Angst. Ich genoss dieses Mittagessen sehr, obwohl ich nicht viel verstand. Beno übersetzte vieles, nach einiger Zeit jedoch sprachen alle netterweise Englisch, um mich ins Gespräch einzubinden. Anschließend setzten wir uns mit einer Tasse Tee auf die Terrasse. Beno legte die Füße hoch und versank tief in seinem Sessel. Ich schlürfte meinen Tee und genoss einfach. „Hast Du heute Nachmittag noch viel zu tun?“ „Hmm.“ Der volle Magen machte mich müde. Hier könnte man auch gut einen Mittagsschlaf halten. „Doch bestimmt, ich habe aber noch nicht nachgesehen. Du hast mich vor meinem Büro abgefangen.“ „Wir haben auch noch ein Meeting heute. Das dauert bestimmt bis in die Puppen.“ Beno sank noch tiefer. „Du Armer. Wer will denn jetzt an Arbeit denken? Wecke mich bitte in 5 Minuten, falls ich eindöse.“ Ich schloss die Augen und genoss die Sonne, die kraftvoll vom wolkenlosen Himmel schien. Circa eine halbe Stunde später berührte Beno mich am Arm. Ich musste tatsächlich eingeschlafen sein. Wahrscheinlich leise schnarchend mit offenen Mund. Wie peinlich, immerhin war mir mein Tee nicht umgekippt, den ich immer noch in den Händen hielt. Beim näheren Hinsehen erkannte ich jedoch, dass ich nur noch die Untertasse in den Händen hielt. Die Tasse musste jemand gerettet haben. Erschrocken sah ich auf die Uhr. „Oh je, ich muss los. Du hättest mich ruhig mal wecken können!“ „Das hätte ich nie übers Herz gebracht. Du sahst so friedlich aus.“ Er grinste mich an. So ein Flegel. „Ich glaube, ich finde den Weg allein zurück.“ Ich musste auch grinsen und stand auf. Er bat mich noch, ihm morgen zwei Bücher mitzunehmen, die er im Strandhaus auf den Couchtisch gelegt hatte. Der kannte sich ja schon gut aus bei mir, dacht ich mir. „Klaro, bis morgen. Und vielen Dank für das hervorragende Lunch.“ Ich bedankte mich noch bei Maria und machte mich auf den Weg. Die Bücher, sehr gut, dann hatte ich ja morgen einen triftigen Grund, hier wieder vorbeizuschauen.

Meine Laune war bestens, als ich bei Jessi erschien. Ebenso gut gelaunt absolvierte ich den Rest meines Tages und verabredete mich mit Jessi zu einem Sundowner im Henry’s. Jessi platzte natürlich vor Neugierde, aber ich vertröstete sie auf den heutigen Abend. Viel zu erzählen gab es eigentlich auch nicht.

Abends fuhr ich mit dem Fahrrad zum Henry’s, während Paula gemütlich neben mir her trottete. Wir suchten uns einen schönen Strandkorb aus und genossen den Blick aufs ruhige Meer. Jessi kam kurz darauf und wir bestellten uns einen Gin Tonic, unseren Standarddrink in dieser Kneipe. Eisgekühlt und spritzig. „Und läuft da schon was zwischen Euch?“ Jessi fiel mal wieder mit der Tür ins Haus. „Nein!“ Ich sah sie überrascht an. „Wir kennen uns doch noch fast gar nicht. Ist aber trotzdem merkwürdig, oder? Er erscheint eines Tages aus dem Nichts und jetzt sehen wir uns fast täglich.“ „Das wird schon seinen Grund haben, meine Liebe! Hast Du schon mal einen Versuch gestartet? Ich meine, den will man doch nicht nur angucken!“ Jessi gab nicht auf. „Klar Jessi, und Attacke!“ Ich musste lachen. Was das anbelangt, waren wir beiden grundverschieden. „Also ehrlich, ich weiß gar nicht, ob diese Jungs Freundinnen haben. Eine Beziehung mit so einem ist bestimmt nicht so einfach und erstrebenswert. Im Moment gefällt mir das ganz gut so. Bis jetzt kenne ich ja nur einen ganz kleinen Teil von ihm. Er ist mir noch ein großes Rätsel.“ Sie sah mich mit gerunzelter Stirn an. „Nein, natürlich nicht, die armen Jungs wollen nur reden.“ Sie machte sich über mich lustig. „Und arbeiten pausenlos hart und schwer. Das sind doch alles keine Jungs von Traurigkeit, Frau Doktor! Sag mal, hat er nicht noch ein paar nette, gutaussehende Kumpels? Du hattest doch schon Zugang zu deren Gemächern.“ Ich war etwas verlegen. So zurückhaltend war ich normalerweise auch nicht. „Dir würden bestimmt alle gefallen. Nett aussehen tun sie zumindest und super nett waren sie auch. Wie es so um die Psyche steht, keine Ahnung. Die waren total locker drauf.“ Jessi verdrehte die Augen. „Wen interessiert hier die Psyche? Meinst Du, ich will mit so einem verheiratet sein? Irgendwann sitzt du morgens allein beim Frühstück.“ Ich sah sie entgeistert an. „Och sorry, Maus. Es sind doch bislang immer alle zurückgekommen. Gegenteiliges ist mir, seit ich da arbeite, noch nicht zu Ohren gekommen.“ „Oder es wurde nicht publik gemacht“, meinte ich skeptisch. „Aber ich kann ihn doch mal fragen, ob er mal mit ein paar Freunden hierherkommt. Die waren wirklich nett.“ Jessi freute sich offensichtlich. „Hier habe ich noch nie einen von ihnen gesehen. Aber irgendwo müssen die sich doch auch mal rumtreiben. Sind doch auch nur Männer.“ Es war immer so herrlich unbeschwert mit Jessi. „Ich werde sie gleich morgen mal fragen, wie sie denn so mit ihrem Hormondruck umgehen und wo sie den dann rauslassen.“ Jessi reagierte nicht darauf. „Du versprichst mir das!“ „Na ja, mal sehen. Ich bin zwar neugierig, aber nicht so draufgängerisch wie du, Jessi.“ „Sei nicht so ein Hühnchen, Kristy! Ich sag’ doch, Attacke.“ Schön, dass nicht alle Mädchen gleich sind, oder? Wir hatten noch zwei sehr amüsante Stunden, bis ich mich mit meinem Hund auf den Heimweg begab. Diese Nacht schlief ich hervorragend.

Am nächsten Morgen fuhr ich doch tatsächlich ohne die Bücher los. Nach fünf Minuten fiel es mir ein und ich drehte um. Paulas Hundeverstand schien an mir zu zweifeln und sie blieb streikend auf der Promenade sitzen. Ich trat in die Pedale und holte sie genau an diesem Fleck einige Minuten später wieder ab. Mit den Büchern in meinem Korb ging es Richtung Bunker. Jessi saß heute sehr tiefausgeschnitten und lässig hinter ihrem Tresen. „Na, ob das die Kleidervorschriften bewilligen?“, fragte ich sie. „Ein Sch... auf diese...“ Ihr Blick verfinsterte sich schlagartig, als der alte Spencer plötzlich von der anderen Seite des Tresens um die Ecke bog. Er verwickelte Jessi in ein Gespräch über sehr unwichtige Dinge. „Ich muss mal kurz verschwinden“, murmelte sie und wollte diesem Dialog ein Ende setzen. Als sie sich umdrehte warf sie mir einen gequälten Blick zu und tat, als ob sie sich den Finger in den Hals steckte. Zum Glück konnte er diese Geste nicht sehen. Er erschreckte fast, als er mich allein auf der anderen Seite stehen sah und er verabschiedete sich schnell. „Was für ein gruseliger, alter Bock. Er scheut sich nicht davor, zwanzig Jahre jüngere, anständige Mädchen anzubaggern. Glaube mir, die anderen sind genauso. Nur wesentlich hübscher!“ Jessi war zurück und flüsterte diese Worte. „Selbst schuld, meine Liebe. Oder wie war das mit Attacke?“, kicherte ich und flüchtete in mein Büro. Nach zwei Gesprächen hatte ich dann Zeit, um Beno die Bücher zu bringen. Er wäre bestimmt irgendwann hier erschienen, aber ich wollte auch mal sehen, was er und seine Jungs um diese Zeit so machten. Die Neugierde hatte mich gepackt. Im Haus begegnete mir als erstes Mike, der nur kurz nuschelte: „Ist im Gym.“ Ich fand den Weg und wurde Zeuge eines faszinierenden Schauspiels. Beno und Monroe schienen auf eine Art und Weise zu kämpfen, wie ich es noch nie zuvor gesehen hatte. Es war wie eine Art Schattenboxen oder Kickboxen mit Musik. Sie tanzten um- einander, die Arme und Beine flogen durch die Luft, sie drehten und schraubten sich. Das ganze ging total schnell und sie berührten sich nicht einmal. War es einstudiert? Sie schienen jedenfalls Spaß bei der Sache zu haben. Anstrengend war es auch, denn die beiden waren schweißgebadet. Völlig beeindruckt beobachtete ich die beiden. Beno schien mich bemerkt zu haben, hielt kurz inne und kassierte prompt einen kräftigen Fußtritt von Monroe. Dieser lachte laut auf und flüchtete schnell Richtung Duschraum. Ehe ich mich versah, wurde ich einmal um mich gedreht und fand mich mit dem Rücken an der Wand wieder. Beno hatte seine Hände rechts und links neben meinem Gesicht und stand ganz dicht vor mir. Ich vergaß fast das Atmen. „Los, wehr Dich! Wegen Dir habe ich morgen einen fetten blauen Fleck.“ Aus dem Duschraum war ein verächtliches Schnauben zu vernehmen. „Na komm schon.“ Er schaute mir dabei tief in die Augen. „Ich, ich kann gerade nicht. Bin so gar nicht stark.“ Er grinste über das ganze Gesicht und entließ mich schließlich aus dieser Klemme. Meine Beine wurden weich. „Schwach? Ausgerechnet Du!“ Dann zog er sein T-Shirt aus, warf es auf ein Sofa und ging zum Duschraum. „Bin gleich fertig.“ Dann hörte ich ein gespieltes „Ahh“ von Monroe. Ich musste mich erst mal aufs Sofa setzen. „Manchmal ist er ein Gringo.“ Hardy lag auf dem Sofa, ich hatte ihn gar nicht bemerkt. „Was ist ein Gringo?“ „Ein hundsgemeiner Typ“, sagte er todernst, musste aber doch gleich darauf grinsen. „Da hast Du Recht. Vollkommen fies und durchtrieben.“ Ich musste lachen und kam mir irgendwie durchschaut vor.

Beno kam nur mit Jogginghose bekleidet und Handtuch um den Hals wieder. Ein sauberes T-Shirt hatte er in der Hand. Mann, er ist echt ein Gringo, dachte ich mir. „Komm, wir gehen was essen. Hast Du Zeit?“ „Für Marias Essen immer.“ Ich folgte ihm. Er zog sich unterwegs das T-Shirt über, beförderte das Handtuch in einen Korb auf dem Flur und öffnete mir schwungvoll die Tür zu Marias Kantine. Heute gab es Pute mit Reis in Currysauce, mal wieder schön scharf, und Salat. Köstlich! „Geht Ihr eigentlich auch mal abends aus?“ Ich dachte, ich frage mal für Jessi, ganz uneigennützig. „Ja, manchmal.“ „Und wohin geht’s denn so?“ „Unsere Herrentouren? Bestimmt nicht dahin, wo ihr euren Gin Tonic trinkt.“ Ich verzog ungläubig das Gesicht. Sag mal, ließ er mich beschatten? Oder wie kam er auf Gin Tonic? „Getroffen habe ich euch zumindest noch nicht. Und wohin gehen diese Touren?“ Er musste lachen: „Neugierde gehört zu deinem Beruf, was? Zum Osthafen. Dort gibt es nette Bars und Mädels.“ Ich verzog mein Gesicht, das wollte ich ja nun gar nicht hören. „Ich habe tatsächlich noch keinen meiner Patienten befragt, wo er sich nachts rumtreibt. Hat denn keiner von euch eine Freundin?“ Er grinste mal wieder schelmisch. „Manche manchmal. Aber sag mal, wer will das denn mit uns aushalten? Die Angst, dass man nicht wiederkommt, verschwindet nicht. Es geht immer weiter.“ Diesmal lächelte er nicht. „Och, da gibt es so einige Mädels, die das gern auf sich nehmen würden“, dachte ich mir. Wahrscheinlich waren meine Gedanken viel zu naiv. „Mich erstaunt es vielmehr, dass ihr euch mit diesem Gedanken abfinden könnt!“ Stimmte doch! Wie konnte man denn immer sein Leben aufs Spiel setzen? Für wen, für was? Er sah mich etwas betroffen an und es tat mir schon leid, dass es mir herausgerutscht war. Ich beließ es lieber dabei und weitere Details zu den netten Mädels in den Bars wollte ich auch nicht erzählt bekommen. „Sorry, ich wollte nicht zu neugierig werden. Ich muss jetzt los.“ Konnte ja nicht schon wieder zu spät kommen. Nachdenklich schlenderte ich den von Blumen umsäumten Fußweg entlang. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Manchmal rutschten mir Sachen zu schnell heraus. Hoffentlich hatte ich ihn nicht getroffen, anderseits hätte er mir ja auch die netten Bars und Mädels nicht so unverblümt mitteilen müssen.

Ich erzählte Jessi von dem, was ich herausgefunden hatte. „Es sind ja auch nur Männer.“ Sie entschuldigte die Burschen sogar. „Zum Druckablassen der beste Ort. Hätte ich mir doch denken können. Aber da wollen wir uns lieber nicht mit ihnen treffen. Üble Gegend! Und wir sind so feine, anständige Mädels.“ Sie zwinkerte mir dabei mit einem Auge zu.

Take care, Baby!

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