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Kristy

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Paula, meine kleine Australian Shepard-Hündin und ich kamen von unserer morgendlichen Joggingrunde zurück. Es war ein herrlicher Tag, nur kleine Wolken am Himmel und eine leichte Brise umwehte uns. Das türkisblaue Meer lud zu einem schnellen abkühlenden Bad ein, nur hatte ich dafür heute leider keine Zeit mehr. Paula erklomm die Stufen der steilen Holztreppe zu meinem Haus. Sie hatte am Strand einen langen Ast gefunden, den sie nun mühselig die Treppe emporschleppte. Oben, vor der Verandatür angekommen, ließ sie ihn fallen. Sie wusste, dass sie ihn nicht mit reinnehmen durfte. Ich warf den Stock auf einen Haufen, der rechts neben der Veranda lag. War es tatsächlich einmal kalt, benutzte ich sie zum Anfeuern meines Ofens. Eine Heizung gab es in meinem kleinen Haus nicht. Paula stürmte auf die Terrasse und stürzte sich auf ihren Wassernapf. Ich betrachtete sie schmunzelnd. Sie war jetzt fast ein Jahr alt und meine treue Begleiterin. Wir beide bewohnten dieses wunderbare Strandhaus. Es hatte den Charakter eines Ferienhauses, aus Holz gebaut mit großen Fenstern und einer sehr großen, halb überdachten Veranda. An der schönen Ostküste Floridas gelegen, thronte es etwa in zehn Metern Höhe auf einer Düne über dem Meer, ohne dessen Rauschen ich nachts schon gar nicht mehr einschlafen konnte. Das hier war meine Oase. Als ich vor einem knappen Jahr hierher kam, hatte ich es durch Zufall entdeckt und mich sofort in es verliebt. Es war klein, bestand lediglich aus einem Schlafzimmer, einem Badezimmer, einem kleinen Büro und einer Wohnküche. Platz genug für Paula und mich, die damals als Welpe mit einzog. Das Haus gewann eindeutig noch mehr durch diese wunderbare, große Veranda, auf der zahlreiche Blumentöpfe und ein großer Esstisch mit bunten Stühlen standen. Ein paar Sitzsäcke lagen herum, in denen ich es mir gern abends mit einem Glas Wein und einem guten Buch gemütlich machte.

Ich musste mich heute beeilen, nahm ein schnelles Duschbad und schlüpfte in ein weißes T-Shirt und eine weiße Shorts. Nebenbei trank ich noch schnell eine Tasse Tee und schlang ein Brötchen herunter. Dann verließen Paula und ich durch die Vordertür das Haus. Ich schwang mich auf mein Fahrrad und Paula sprintete laut bellend in Richtung Promenade. Ich hatte zwar ein Auto, aber ich konnte an der Hand abzählen, wie oft ich es seit meiner Ankunft benutzt hatte. Lieber nahm ich mein Fahrrad, allein schon Paula zuliebe. Sie flitzte die Promenade entlang Richtung Palm Bay, so schnell, dass ich ihr kaum folgen konnte. Kurz vor dem Ortsschild wartete sie auf mich, dann bogen wir nach rechts in eine kleine, mit schönen Villen gesäumte Straße ab. Vor einem grauen Eisentor hielten wir an. Hier wohnte meine Freundin Jackie. Vor zwei Jahren hatte sie einen gut zehn Jahre älteren General geheiratet. Die beiden waren sehr glücklich und er war ein wirklich netter Kerl. Gemeinsam hatten sie einen kleinen Sohn und Jackie genoss es, sich den ganzen Tag um Kind, Mann und Haus zu kümmern. Mir wäre das allerdings viel zu langweilig, aber jedem das Seine. Spaß haben konnte man trotzdem mit ihr. Wenn wir abends unterwegs waren, drehte sie richtig auf. Ich drückte den fünfstelligen Code auf der Tastatur und das Tor schwang auf. Ein kleiner, brauner, wuscheliger Hund sprang auf uns zu. Paula und ihr Kumpel Pelle tobten um mich herum, dann scheuchte ich beide hinein und schloss das Tor. Solange ich arbeitete, durfte Paula ihren Tag mit Pelle im Garten verbringen und wurde unendlich verwöhnt. Ich fand diese Lösung prima. Den Tag mit mir im Büro zu verbringen, wäre für sie doch viel zu langweilig. Außerdem hatte bestimmt auch noch nie ein Hund dieses Hochsicherheitsgebäude, meinen Arbeitsplatz, betreten. Schließlich arbeitete ich im Camp Palm Bay, dem Hauptquartier der Special Activities Division (SAD). Umgangssprachlich wurde es ganz einfach nur ‚der Bunker’ genannt. Jedenfalls liefen hier alle Fäden des Geheimdienstes unseres Landes zusammen. Elitesoldaten, Agenten und Militärs wurden hier geschult und auf Einsätze vorbereitet. Vom Boden, von der Luft und vom Wasser aus. Auslandeinsätze, geheime Missionen und andere Aktivitäten starteten vom hiesigen Flugplatz aus. Der Bunker war nicht nur ein Haus, er bestand aus vielen modernen Gebäuden, die so gar nichts von einem Bunker an sich hatten. Hell, luftig und zu meinem Leidwesen voll klimatisiert. Zu den meisten Gebäuden hatte ich keinen Zutritt oder ich hatte es einfach auch noch nie versucht. Es war ja schon ein abenteuerlicher Akt, auf das Territorium zu gelangen. Kameraüberwachung, Fingerprintkontrolle, Protokoll usw. Eine Angelegenheit, die von mir als lästig, aber notwendig angesehen wurde. Es würde ewig dauern, bis mein Hund die Kontrollen durchlaufen dürfte. Änderungen hatten eine lange Umsetzungsphase und wurden sehr umständlich angepackt. Ich glaube, ich war auch nahezu die einzige, die diese Kontrollen mit einem Fahrrad durchlief. Ansonsten fuhren zahlreiche, überwiegend weiße Fahrzeuge durch die Schleusen und wurden auf Bomben kontrolliert. Die kleinen Fahrzeuge von den Putzfrauen bis hin zu den großen Limousinen der hohen Generäle.

Als ich mich an der ersten Kontrolle befand und der Wachmann seinen Blick länger als nötig auf meinen braunen Beinen ruhen ließ, fiel mir auf, dass ich mal wieder unangemessen gekleidet war. Es stand zwar nirgendwo schriftlich vorgeschrieben, aber es gab doch ein paar mündliche Kleidervorschriften, an die man sich zu halten hatte. Die meisten Männer trugen gebügelte weiße Uniformen, die Frauen Blusen und Röcke, die bis über das Knie gingen. Tops und kurze Shorts, wie ich sie heute trug, wurden nicht gern gesehen. Ich war zwar „extern“ angestellt, aber trotzdem hatte ich mich danach zu richten und würde garantiert einige spöttische Bemerkungen über mich ergehen lassen müssen. Mir fiel ein, dass ich eine dünne Baumwolljacke in meinem Fahrradkorb liegen hatte. Diese band ich mir um die Hüfte, so dass meine Beine bis zum Knie zum größten Teil bedeckt waren. Wahrlich kein modisches Highlight. Ich stellte mein Fahrrad ab und betrat das große, weiße Gebäude, in dem mein Büro lag. „Guten Morgen, Kati.“ Die Empfangsdame unseres Gebäudes nickte mir kurz lächelnd zu, während sie weiter in ihr Mikrofon sprach. Kati sah wie immer wie frisch aus dem Ei gepellt aus, gebügeltes, weißes Hemd und ein sorgfältig um den Hals gebundenes, marinefarbenes Tuch, das glatte, braune Haar streng nach hinten zu einem Zopf zusammengebunden. Ich durchquerte einen endlosen, weiß gestrichenen Korridor mit etlichen Glastüren, bis ich zu einem nächsten Empfangstresen gelangte. „Guten Morgen, meine Liebe. Geht es Dir gut? Was haben wir denn heute so?“ Das hübsche Mädchen hinter dem Tresen lächelte mich fröhlich an. „Hi Kristy. Heute hast du ein paar Gutachten. 3 Psycho und 2 Physio. Scheint ein Einsatz wieder zurückgekommen zu sein. Und, warst du noch unterwegs gestern? Erzähl, wie heißt er?“ Ich schüttelte nur lächelnd den Kopf. Jessi war meine Perle. Sie war, wie ich, Ende zwanzig, immer gut gelaunt und sehr gut organisiert. Und sie war meine beste Freundin. Meine Unterlagen hatte sie schon der Reihe nach sortiert und rausgelegt. Es machte Spaß, mit ihr zu arbeiten, und wenn wir Zeit hatten, plauderten wir gern. Sie kannte diesen Laden hier wesentlich besser als ich. „Da wartet schon einer auf dich. Knackiger Bursche.“ Sie grinste und strich sich eine gelockte, blonde Haarsträhne aus dem Gesicht, die sofort wieder zurückfiel. Naja, aus Erfahrung wusste ich, dass sich da unsere Geschmäcker doch sehr unterschieden. Für mich waren das in erster Linie Patienten, für Jessi potentielle Opfer.

Ich habe Psychologie studiert. Es hat mich schon ein Leben lang fasziniert. Mein Job hier brachte mir viel Spaß und war sehr interessant und abwechslungsreich. Ich erstellte Gutachten und schrieb Berichte über die Agenten und Elitesoldaten, befragte sie und erstellte anschließend ein psychologisches Profil, inwieweit sie von ihren Einsätzen beeinflusst oder traumatisiert waren und ob sie fit für weitere Einsätze wären. Meist schloss sich den Befragungen ein physiologischer Test an, der zeigen sollte, ob die erforderliche Fitness vorhanden war. Doch um die Fitness musste ich mir hier in der Regel keine Gedanken machen. Die Burschen waren absolut durchtrainiert. Einige schienen den ganzen Tag in der „Muckibude“ zu verbringen und betrieben einen richtigen Körperkult. Nett anzusehen, aber meist waren sie mir irgendwie unheimlich, was Jessi natürlich gar nicht nachvollziehen konnte. In der Regel waren die Jungs sehr auf ihren geheimnisvollen Job fixiert. Das musste man wohl auch sein, um diesen ausführen zu können. Nahezu jedes Mal stand ihr Leben auf dem Spiel. Und sie besaßen, wie es so schön hieß bei James Bond, die Lizenz zum Töten. Das musste einfach Spuren hinterlassen.

Ich ging den Flur weiter entlang und blätterte dabei die erste Akte durch. Ein junger Mann, lass mich rechnen, 22 Jahre alt. Es musste einer seiner ersten Einsätze gewesen sein. Mal sehen, wie es ihm danach so ging. Ich betrat mein Büro und der junge Mann sprang von seinem Stuhl auf. „Guten Morgen, Ma‘m.“ Es klang fast wie ein Befehl. Er hatte auf dem Stuhl Platz genommen, auf dem 90% meiner Patienten Platz nahmen. Ebenso sprang er auf, als ich eintrat, so wie es 90% der anderen auch taten. Ein Patient hatte mich doch tatsächlich mal „Sir“ genannt und wich auch nicht davon ab. Ich fand das total durchgeknallt. Der gute Mann musste auch erst mal eine kleine Pause verordnet bekommen, um in das normale Leben zurückzukehren. „Guten Morgen, James.“ Ich musste erst auf seine Akten gucken. „Bitte setzen Sie sich.“ Er nahm stocksteif Platz und faltete die Hände auf seinem Schoß. Auch das beobachte ich häufiger. „Wann sind Sie von Ihrem letzten Einsatz zurückgekommen?“ „Gestern Abend, Ma‘m.“ „War es Ihr erster Einsatz?“ „Yes, Ma‘m.“ „Wer hat den Einsatz geleitet?“ „Beno, Ma‘m.“ Ah, dieses ‚Ma‘m’! Ich fühlte mich jedes Mal uralt, wenn ich so angesprochen wurde. „Fühlten Sie sich sicher?“ „Absolut, Ma‘m. Ich blieb während der Mission allerdings an Bord des Helikopters, Ma‘m. Stellung halten.“ Er entschuldigte sich fast dafür, dass er nicht mit ins Geschehen eingegriffen hatte. Der Name Beno fiel regelmäßig. Die Jungs, die in seiner Truppe waren, waren psychologisch stabil und sprachen mit großer Begeisterung von ihm. Es schien eine gute Stimmung in seinem Team zu sein und dieser Beno schien sehr auf seine Leute zu achten und ihnen eine große Sicherheit zu geben. Begegnet war ich ihm bislang noch nie. Zumindest nicht bewusst. Ich stellte James einige Standardfragen. Er wurde lockerer und ganz redselig. Meiner Meinung nach stand einem weiteren Einsatz nichts entgegen. Er machte einen sehr stabilen Eindruck. Ich schickte ihn mit seiner Mappe zur „Physio“ in den Keller. Diese würde ich nicht mit ihm machen, sondern eine nette Kollegin von mir. Als er raus war, füllte ich die Fragebögen aus und schrieb einen kurzen Bericht. Ein unkomplizierter Fall. An welchem Einsatz er genau teilgenommen hatte, wusste ich nicht. Meist waren dies „Staatsgeheimnisse“. Selten wurden wir darüber unterrichtet, wo sie stattfanden und was dort gemacht wurde. Ich konnte nur aus den Antworten meiner Patienten so manches erahnen.

Der nächste Fall verlief ähnlich. Ein junger Elitesoldat aus der gleichen Einheit, der Ground Branch, wie James davor. Ich begleitete ihn diesmal auch zur Physio in den Keller, machte ein EKG, maß Atmung und Puls und ließ ihn fleißig auf dem Fahrrad strampeln. Ein Extremsportler hätte keine besseren Werte vorweisen können. Dann schickte ich ihn weiter zum Schießstand. Das gehörte nicht mehr zu meinem Resort. Nachdem der letzte Bericht geschrieben war, suchte ich Jessi, um mit ihr zum Lunch zu gehen. Sie schien schon dort zu sein. Ihr Platz war verlassen. Ich ging zur Kantine, kaufte mir eine Zeitung, einen Salat und eine Cola und setzte mich auf die Terrasse in die Sonne. Alle anderen schienen die vollklimatisierte Kantine, die einem Eiskeller glich, vorzuziehen. Ich fühlte mich jedoch hier oben in der Sonne bei einer leichten Brise wesentlich wohler, legte die Beine auf einen Stuhl, blätterte in der Zeitung und kämpfte gegen die aufkommende Müdigkeit.

Take care, Baby!

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