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3. Nutznießer und Feiernde
ОглавлениеZwei Daten nennt die Inschrift: An den Iden des Mai 169 n. Chr. erfolgte die Dedikation, der jährliche Kultakt ist am Geburtstag der Tochter, am 28. September, zu halten. Die Datumsangaben erfolgen im System des römischen Kalenders; das ist für Mittelitalien in der Kaiserzeit üblich. Die Verbreitung dieses Kalenders darüber hinaus – jenseits römischen Militärs und der Verwaltung – ist schwer zu erfassen; vielfach existieren lokale Kalender, die so weit modifiziert worden sind, dass sie im Einklang mit dem römischen Kalender, aber mit eigenen Neujahren, Monatsnamen und Zählweisen laufen.11 Die Wahl der Iden in der Monatsmitte für den – frei bestimmbaren – Dedikationstag ist verständlich: Kalenden, der Monatserste, wie Iden waren die für öffentliche wie private Feste beliebtesten Tage in einem Kalendersystem, in dem der durchlaufende achttägige Wochenrhythmus nicht die gleiche Kraft gegenüber der traditionellen und kultisch vielfach thematisierten Monatsstruktur gewann, wie das mit der Siebentagewoche in Europa besonders seit der Französischen Revolution der Fall war.12 Die Wahl des Geburtstages als individualisiertem Gedenktag ist ein Charakteristikum römischen Totenkultes und lateinischer Inschriften; der römisch-christliche Märtyrerkult nahm das polemisch mit der Wahl des Todestages als neuem dies natalis der Märtyrerin oder des Märtyrers auf.13 Im Hinblick auf die zur Feier Verpflichteten greift Plutius in deren individuelle Zeitgestaltung ein: Gerade das sichert die Individualität des Gedächtnisses seiner Tochter, schafft aber auch Risiken der Akzeptanz, wie eine spätere Bestimmung zeigt.
Im antik-mediterranen Kult gehören Opfer und Bankett, Gabe für die Gottheit und gemeinsames Mahl ihrer Verehrer, untrennbar zusammen.14 Das von Plutius dauerhaft über die Zinsen des Stiftungskapitals sichergestellte Erinnerungsmahl kann nur als Teil einer Ritualsequenz vorgestellt werden, in der die Tötung des zu verspeisenden Tieres als Opfer vorangeht, begleitet von weiteren, unblutigen Opfergaben: Röhren, die die unmittelbare Zuleitung von Trankopfern in die Gräber ermöglichen, sind im römischen Bereich weit verbreitet.15 Die Erwähnung „eigener Speisesofas“, bewegliche oder gemauerte Bänke am Venus-Tempel, deutet auf das Vorhandensein einer wenigstens minimalen Infrastruktur zum Kochen und Feiern hin.16
Die Verbindung des Totenkultes mit dem Mahl sichert ersterem einen öffentlichen Charakter. Das gilt im Falle der Plutia Vera in besonderem Maße: Es sind nicht die Sklaven, Freigelassenen oder Verwandten, die hier verpflichtet werden, sondern ein Ausschnitt städtischer Bevölkerung. Neben der sozialen Elite der arrivierten Stadtratsmitglieder – oft einhundert Personen, im kleinen Gabii der Kaiserzeit vermutlich weniger – werden die Seviri Augustales, ein auf den Herrscherkult verpflichtetes Kollegium, das häufig den reichsten Freigelassenen eine Aufstiegsmöglichkeit bot,17 erwähnt. Hinzu treten die innerhalb der noch in der Kaiserzeit erhaltenen Stadtmauern tätigen Geschäftsleute – vermutlich die soziale Gruppe, mit der Plutius die engsten Kontakte unterhielt, und zugleich diejenigen, die das größte Interesse an einer gemeinsamen Veranstaltung mit der städtischen Elite gehabt haben dürften. Diese Gemeinsamkeit war freilich – und auch das ist gängige Praxis – streng hierarchisch strukturiert: Die Sporteln sind sozial gestaffelt, die Dekurionen können mit dem fünffachen Aufwand der Händler, die Augustales wenigstens noch mit dem dreifachen tafeln. Die Summen selbst bleiben dabei bescheiden, ohne ärmlich zu sein.18