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Vorwort
ОглавлениеDie Religionsgeschichte der römischen Kaiserzeit ist von grundlegender Bedeutung für die Religionsgeschichte Europas wie von paradigmatischem Wert für Religionsgeschichte überhaupt. Es ist die Epoche der Entstehung eines auch West-, Nordwest-, Mittel- und Südosteuropa ebenso wie den Nahen Osten und Nordafrika umfassenden Kulturraums, eines administrativ und ökonomisch eng vernetzten Raumes, der die schnelle Diffusion von Ideen und Medien ermöglichte. Dieser Raum und diese Epoche sahen die Ausbreitung des Christentums wie die Ausbreitung eines ästhetisierten Paganismus, der die Voraussetzungen für die Renaissance schuf.
Die bisherigen Darstellungen der Religionsgeschichte dieses Raumes beschränken sich auf additive Beschreibungen einzelner Kulte und Religionen; selbst in jüngsten Kirchengeschichten wird die Geschichte des Christentums allenfalls (und auch das nur punktuell) vor einer jüdischen Folie gesehen, ansonsten ereignet sie sich in einem fast luftleeren Raum.1 Für die Geschichte römischer Religion in diesem Zeitraum liegt der Akzent fast ausschließlich auf dem Kaiserkult, der als einigendes Band des Römischen Reiches betrachtet wird.
Das fast ein Jahrzehnt währende, von der DFG geförderte Forschungsprogramm „Römische Reichs- und Provinzialreligion“, das der Verfasser koordiniert hat, hat diese Sichtweisen verändert: In zahlreichen Tagungsbänden wie Spezialmonographien wurden neue Bausteine vorgelegt.2 Eine Synthese fehlte jedoch bislang.3 Dieser Band gibt mir die Gelegenheit, meine eigenen Arbeiten zu diesem Thema zu bündeln und sie auf die These zuzuspitzen, die entscheidende Veränderung der Epoche sei nicht der Wechsel oder die Zunahme der Zahl von Religionen gewesen, sondern eine Veränderung des Phänomens und gesellschaftlichen Stellenwertes von „Religion“ überhaupt: Aus einem Medium der individuellen Thematisierung menschlicher Kontingenzen (Krankheit, Unsicherheit, Tod) und öffentlicher politischer Identitätsbildung ist sie zu einem umfassenden Zusammenhang menschlicher Lebensführung, Formulierung von Gruppenidentitäten und politischer Legitimation geworden.
Ein solches Buch kann keine enzyklopädische Darstellung religiöser Vorstellungen, Symbole und Praktiken der römischen Kaiserzeit oder eine chronologisch durchgehende Erzählung bieten. Es reflektiert auch nicht ausführlich auf die antiken philosophischen Grundlagen der Verbreitung einer städtischen Religion in einem weiten Raum.4 Stattdessen beleuchtet es die Medien, in denen Religion realisiert und verbreitet wurde (Institutionen, Texte, Recht) und beleuchtet an repräsentativen Beispielen, wie sich Religion in Diffusions- und Immigrationsprozessen veränderte, in welcher Geschwindigkeit Praktiken und Institutionsformen übernommen oder verändert wurden. Immer wieder wird so deutlich, dass nicht „Religionen“ oder „Kulte“ miteinander in Wettbewerb treten, sondern Symbole in einem kulturellen Großraum immer wieder neu verknüpft werden und professionelle Religionsvertreter mit großem Aufwand Gruppengrenzen errichten und zu sichern versuchen.
Die drei Teile des Bandes blicken ebenso auf Rom wie auf die Provinzen. In seiner Folge von Überblicken und detailreichen Einzelstudien wichtiger Quellen oder Befunde liefert er so Anstöße zu einer überfälligen Revision der Religionsgeschichtsschreibung der römischen Kaiserzeit, die nicht mehr antiken und neuzeitlichen historiographischen Mustern folgt, sondern religiöse Daten konsequent historisiert und kontextualisiert.
Dieses Buch gibt mir Gelegenheit, erneut all jenen Dank zu sagen, die die hier vorgelegten Forschungen über lange Zeit begleitet und befruchtet haben, von denen ich immer wieder lernen durfte. Hubert Cancik, Erfinder des Binoms „Reichs- und Provinzialreligion“, bleibt an erster Stelle zu nennen; sein nicht abreißendes Fragen, seine Anstöße zu Forschung im Team und deren Ermöglichung, schließlich seine kollegiale Freundschaft haben mich seit dem Studium begleitet und sind mir Vorbild geworden. Durch die Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft – die Ermutigung und Unterstützung durch Hans-Dieter Bienert muss hier namentlich genannt werden – wie der arbeitsreichen kritisch-freundlichen Begleitung durch die Kolleginnen und Kollegen, die zunächst im Jahresrhythmus Begutachtungen übernahmen – und hier muss Peter Funke genannt werden –, konnte im Falle der „Reichsreligion“ das Team sehr groß werden. Wenigstens Andreas Bendlin, Dorothee Elm-von der Osten, Rudolf Haensch, Peter Herz, Annette Hupfloher, Christoph Markschies, Alfred Schäfer, Günther Schörner, Wolfgang Spickermann, Charalampos Tsochos und Katharina Waldner möchte ich auch an dieser Stelle namentlich danken, ebenso Franca Fabricius, Manfred Petzold und vor allem Diana Püschel, die die Organisation dieser Teamarbeit an der Universität Erfurt trugen.
Dass aus vielen Vorarbeiten ein Buch mit neuen Einsichten und Akzenten wurde, ist der Arbeitsatmosphäre der Kolleg-Forschergruppe „Religiöse Individualisierung in historischer Perspektive“, der Arbeitsatmosphäre am Max-Weber-Kolleg und den Gesprächen mit Clifford Ando und Greg Woolf, deren Aufenthalte im Studienjahr 2009 / 10 die DFG-Finanzierung ermöglichte, sowie Corinne Bonnet zu verdanken – ihnen sei dieses Buch auch gewidmet. Julia Carls und Alexandra Dalek halfen bei der Zusammenstellung der Bibliographie; Thomas Bouillon gilt mein Dank für die fachliche Unterstützung an einer Universitätsbibliothek, die unter der Leitung von Christiane Schmiedeknecht zu einem der besten Arbeitsorte geisteswissenschaftlicher und religionsgeschichtlicher Forschung in Deutschland geworden ist. Schließlich danke ich den Damen und Herren der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, insbesondere Harald Baulig, für die Verwandlung eines Manuskriptes in ein Buch.