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4. Der Stifter
ОглавлениеAulus Plutius Epaphroditus gibt seinen Beruf mit „Seidenhändler“ an. Damit gehörte er zu jener Gruppe von Fernhändlern, die unter hohem Risiko – und entsprechend häufig gescheitert – Luxusartikel aus dem Fernen Osten importierten und verhandelten, wie etwa auch, mit je anderer geographischer Orientierung, Perlen-, Bernstein- oder Gewürzhändler. Im Erfolgsfall, wie er hier vorliegen muss, wurden sie schwer reich und standen an der Spitze der Kaufmannschaft.19 In dieser Tätigkeit dürfte ebenso seine Geldquelle wie der Grund für seine Kontakte mit den Händlern in Gabii zu suchen sein. Es ist gerade für das Freigelassenenmilieu mit seiner starken Aufstiegsorientierung charakteristisch, dass diese Personen auf ihren Grabsteinen Berufsbezeichnungen angeben: Es ist der wirtschaftliche Aufstieg, der ihnen Gestaltungsspielräume und Ansehen eröffnet und mit ihrer verbesserten Rechtsstellung einhergeht; der soziale Aufstieg folgt üblicherweise erst später – für die Erfolgreichen. Die Aufnahme unter die Seviri Augustales stellt in vielen Städten einen solchen Mechanismus dar.
Im Falle des Plutius wird der berufliche Erfolg aber nicht nur mit dem sozialen Aufstieg in einer italischen Stadt, sondern mit einem stadtrömischen Amt gekrönt. Der Stifter bezeichnet sich als accensus velatus. Ursprünglich reine Hilfstruppe, die Ersatzleute für ausfallende Amtsdiener stellte,20 waren die accensi velati in der Kaiserzeit eine Gruppe subalterner Amtsträger, die nicht mehr die militärischen Funktionen der republikanischen Frühzeit ausübten.21 Die fallweise Tätigkeit bei prestigeträchtigen sakralen Aufgaben verweist auf das hohe Ansehen der accensi velati. Dieser Hintergrund macht auch die Kompetenz des Plutius in besonderer Weise plausibel, das Medium Religion in der sozialen Verankerung des Totengedächtnisses der eigenen Tochter einzusetzen.
Dieser bewusste Umgang mit Religion, der sich nicht in der intensiven Nutzung lokaler Praktiken erschöpft, wird in der Schluss-Sanktion der Stiftungsurkunde sichtbar. Wenn auch der Tempelbau eine Immobilie darstellt, so ist doch das Stiftungskapital, das der dauerhaften Kultausübung dient und der Bewirtschaftung durch die politische Gemeinde Gabiis übertragen ist, beweglich. Im Miss-, besser: Nichtbrauchsfalle wird die sofortige Übertragung nach Tusculum, einem benachbarten Ort im Kranz der latinischen Gemeinden um Rom, angedroht. Für den Fernhändler Plutius ist auch die Heimat eine Variable. Mit dem Prestige eines stadtrömischen Amtes im Rücken ist er ein willkommener Partner jeder Stadt des römischen Reiches, die lokale Verankerung ist Gegenstand seiner Wahl, nicht Geburtsschicksal. Stadtbürgerschaft ist nicht weniger kontingent als religiöse Wahl, auch wenn beide Medien ortsgebunden sind. Für antike Bedingungen scheint mir der moderne Begriff der Globalisierung eine zutreffende Charakterisierung zu bieten, solche Grenzen lokaler, aber eben auch individueller religiöser Praktiken deutlich zu machen.