Читать книгу Von Jupiter zu Christus - Jorg Rupke - Страница 25
5. Fazit
ОглавлениеEine die Chronologie berücksichtigende Untersuchung der Inschriften vom aventinischen Dolichenus-Heiligtum zeigt eine Komplizierung der internen Struktur des Kultes, die sich insbesondere als Überlagerung einer wenigstens dreistufigen, klar ausgebildeten, an religiöser Kompetenz orientierten Hierarchie durch eine Kollegialstruktur mit sehr breiter und eher informell denn formell ausdifferenzierter Spitze darstellt. Die drei großen im Rahmen des Corpus cultus Iovis Dolicheni singulären Inschriften, die beinahe den Charakter von alba, Mitgliederlisten, annehmen, sind nicht nur unsere Quelle für die Rekonstruktion dieses Prozesses, sondern zugleich dessen Ausdruck. Sie dokumentieren den Höhepunkt des Entwicklungsprozesses und stellen selbst den Versuch der Mitglieder des aventinischen Dolichenus-Kultes dar, sich der Entwicklungen zu versichern, sie zu behaupten und festzuschreiben. Gerade der Ersatz der per-Formulierung, die im Normalfall auf vorgegebene Hierarchien zu Legitimationszwecken zurückgreift, durch die Formulierung quos elexit IOMD zeigt das Bedürfnis, diesen Wandel auch religiös zu legitimieren. Einhergehende Statusunsicherheiten, wie sie sich in der Positionierung der sacerdotes, der wechselnden Reihenfolge von patronus et candidatus und eben der Tatsache der Anfertigung der Inschriften überhaupt zeigen, nehmen nicht Wunder. Es ist bezeichnend, dass vor und nach dieser „Krise“ (und eben auch außerhalb des aventinischen Kultes) Selbstbezeichnungen mit den vorgestellten Rangstufen nicht üblich sind – die sacerdotes ausgenommen.
Zu vermuten ist, dass der geschilderte Prozess neben sozialen (Rekrutierung von Mitgliedern höherer Schichten) und lokalen Aspekten (Angleichung an lokal übliche Organisationsstrukturen30) auch eine ethnische Komponente aufweist. Die Namen der religiösen Spezialisten lassen vermuten, dass eine aus dem östlichen Mittelmeerraum stammende religiöse Elite in ihren Führungsansprüchen zurückgedrängt und allmählich ersetzt wird. Der hier ablaufende Integrationsprozess erweist sich als komplex.