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4. Kommunikationsmedien

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Was ist das nun für ein Text, der auf die offiziell geneigten Ohren trifft? Eingebettet in eine persönliche Geschichte, werden inhaltsschwere Visionen geboten, und es ist zu fragen, was die Zuhörerinnen und Zuhörer damit anfangen konnten, sowohl von der Sache als auch vom Texttyp her.

Dass Visionen in Wach- wie Schlafzuständen glaubwürdige Formen der Kommunikation mit übermenschlichen Instanzen waren, gehörte zu den allgemeinen Überzeugungen, dem Habitus antiker Menschen. Nicht minder gehörte dazu ein kritischer Zugang, der Täuschungen, falsche oder leere Träume als Wasser im Wein aufspürte. Cicero präsentiert die Extrempositionen in seinen beiden Büchern „Über die Divination“ in Form der Aussage: „Gelegentliche falsche Träume können korrekte Vorhersagen nicht in Misskredit bringen“ (die Position des ersten Buches, s. Cic. div. 1,60 ff.) und ihres Widerparts: „Angesichts der Menge der Träume sind Zufallstreffer im Sinne korrekter Vorhersage anzunehmen, aber kein Beweis für den divinatorischen Charakter des Traums“ (die Position des divinationskritischen zweiten Buches, s. Cic. div. 2,121 f.). Strategien, mit dieser Situation umzugehen, werden in der Traum- oder Visions-Typologie sichtbar, die Macrobius in seinem spätantiken Kommentar zu Ciceros Somnium Scipionis, jenem Kabinettstück der Ciceronianischen Abhandlung „Über den Staat“, überliefert; in ihren Grundzügen kann man sie ohne weiteres für die römische Kaiserzeit voraussetzen. Hermas arbeitet, wie sich zeigen wird, nicht mit dieser Klassifikation: Eine einheitliche Terminologie hat es in der kaiserzeitlichen Antike nicht gegeben.23 Nicht die Begriffe sind daher entscheidend, wohl aber schärfen die Kriterien, die in der Typologie des Macrobius zur Anwendung kommen, den Blick für die Signale, die Hermas den Adressaten zur Einordnung der von ihm berichteten Bilder sendet.

Macrobius (somn. 1,3,2 – 11) unterscheidet fünf Typen:

Aut enim est ὄνειρος secundum Graecos quod Latini somnium vocant, aut est ὅραμα quod visio recte appellatur, aut χρηματισμός quod oraculum nuncupatur, aut est ἐνύπνιον quod insomnium dicitur, aut est φάντασμα quod Cicero, quotiens opus hoc nomine fuit, visum vocavit.

Die beiden zuletzt genannten Klassen entbehren, wie Macrobius fortfährt, des divinatorischen, des offenbarenden Momentes. Das Traumbild, insomnium oder enhýpnion, stellt jene Form der Traumarbeit dar, die geistige Beschäftigungen und Sorgen des Tages einfach fortführt oder auf überlasteten Magen zurückzuführen ist. Dieser Typ von Bilderwelt löst sich mit dem Ende des Schlafes auf und hat darüber hinaus keinerlei Geltung. Das ist für Macrob zugleich der etymologische Inhalt des Begriffes insomnium: Wirklichkeit allein in somnio, im Traum (1,3,5). Das phántasma oder visum, die bloße Erscheinung, gehört der verwirrenden Bilderwelt des beginnenden Schlafes an, in dem man noch wach zu sein glaubt, sich die eindringenden Bilder aber schon zu merkwürdigen Kombinationen mischen; auch der Alptraum wird zu dieser Klasse gerechnet.

Das Orakel, der chrēmatismós (das „offizielle Geschäft“), bezeichnet die Träume, in denen eine Autoritätsperson, etwa Eltern oder ein Priester, oder ein Gott selbst zukünftige Ereignisse ankündigt oder Handlungsanweisungen gibt: Das Wortelement gewinnt hier starke Bedeutung. Im bildlichen Bereich verbleibt ein anderer Typ des Traums, die visio oder die hórasis, ein Synonym zum hórama. Was hier als Bild oder Bildfolge gesehen wird, geht in nahezu identischer Form in Erfüllung; wie das oraculum bedarf die visio in der Macrob’schen Terminologie keiner Deutung.

Allein durch kundige Interpretation wird der als somnium bezeichnete Traum zum Sprechen gebracht: Seine Bilderwelt chiffriert den Realitäts-, genauer: Eventualitätsgehalt; es ist dieser Begriff, den Artemidor wie auch kaiserzeitliche Inschriften ins Zentrum rücken.24 Je nach den durch den individuellen Traum Betroffenen unterscheidet Macrobius dann noch die fünf Typen des persönlichen, fremden, gemeinsamen, öffentlichen und allgemeinen Traums (1,3,10 f.).

In welchem Rahmen aber erscheinen diese Signale? Unter den Texten, denen Christen in christlichem beziehungsweise judenchristlichem Kontext begegnen konnten, war Visionsliteratur nichts Unbekanntes. Im nachexilischen Judentum, verstärkt seit dem zweiten Jahrhundert v. Chr., wurden Texte produziert, die sich als Berichte herausragender biblischer Charaktere ausgaben und in Form von Visionen des Ich-Erzählers Einblicke in die Ereignisse der Endzeit gaben.25 Eingebettet wurden diese eschatologischen Ausführungen, die Darstellung der letzten Dinge, in Geschichtsüberblicke, die den Adressaten in futurischer Form die Ereignisse von der fiktiven Kompositionszeit über die eigene Gegenwart bis zur jeweils unmittelbar bevorstehenden Endzeit26 schilderten – meist in Form einprägsamer Schemata, etwa der Vier-Reiche-Lehre oder Periodisierungen mit Einheiten in runden Zahlen. Das schon hier greifbare Systematisierungsinteresse prägt auch die eigentliche Eschatologie, kann aber auch zu Sachdarstellungen etwa astronomischer oder geographischer Art führen.27 Im Hinblick auf den bevorstehenden weltgeschichtlichen Umschwung, der als radikaler Bruch mit der laufenden Geschichte verstanden wird, ist eindringliche ethische Ermahnung, die Aufforderung zu Umkehr oder Rückbesinnung, regelmäßiger Bestandteil apokalyptischer Texte.

Durch die Person des Visionärs – ich verwende diesen Begriff hier wie auch zuvor schlicht im Sinne des „Visionsträgers“ – ist Pseudonymität apokalyptischer Texte vorgegeben: Als Verfasser des Textes wird der in der ersten Person erzählende biblische Seher verstanden; die Werktitel weisen das aus.28 Damit ist Schriftlichkeit ein notwendiges Merkmal: Nur als verschriftlichter Text, als Buch, konnte die Ich-Erzählung für die oft enorme Zeitspanne bis zu ihrer Wiederentdeckung konserviert werden. Diese Notwendigkeit schriftlicher Kommunikation spiegelt sich nun – was seinerseits ja nicht notwendig wäre – regelmäßig im Inhalt der Visionen wider: Die Erkenntnisse des Visionärs entstammen oft himmlischen Büchern, deren Inhalt summarisch, oft aber wortwörtlich dem Visionär in seinen Visionen mitgeteilt wird.29 Schriftlichkeit dient auch auf dieser Ebene der Überbrückung großer Zeitspannen, nun aber in die umgekehrte Richtung, auf Zukunft hin.

Im christlichen Bereich ist, abgesehen von apokalyptischen Elementen, die in die synoptischen Evangelien eingebettet sind, die sogenannte „Offenbarung des Johannes“ der älteste selbstständige apokalyptische Text; hier begegnet auch erstmals der Begriff der apokálypsis als Terminus technicus, allerdings nicht als Gattungsbezeichnung, sondern als titelgebende Inhaltsangabe und Beschreibung der Wissensstruktur (Offb 1,1). Von hier aus hat sich der Begriff zur Selbstbezeichnung für die bis ins dritte Jahrhundert hinein zahlreich produzierten christlichen Apokalypsen, aber auch griechisch geschriebene oder ins Griechische übersetzte jüdische Texte entwickelt.30

Eine deutliche Differenz zu vorangehenden, aber auch späteren Apokalypsen ist in der vermutlich fehlenden Pseudonymität der Johannes-Offenbarung zu sehen. Dem Wortlaut des Textes nach – dem zumindest keine anderen Quellen widersprechen – wird der Text von seinem Verfasser und Visionär, dem schon zuvor als Propheten etablierten Johannes auf Patmos, an die Adressaten, sieben kleinasiatische Gemeinden, versandt. Das geschieht praktisch zeitgleich mit der Vision, die „am Sonntag“ stattfand, und gerade nicht „zunächst einmal versiegelt“ wird (22,10).

Anders als bei Johannes, bei dem die Umstände – rein schriftliche Produktion für die briefliche Verteilung (ersetzt hier die geographische Distanz die Pseudonymität in einer neuen Religion?) – immerhin schon merkwürdig genug zu sein scheinen, wissen wir von der Entstehung und dem Primärpublikum weiterer apokalyptischer Texte so gut wie nichts. Sicher sagen kann man wohl allein, dass es sich um gruppeninterne Texte, keine missionarischen, primär an Nichtchristen gerichtete Werbeschriften handelt – diese Rolle nehmen eher die in Hexametern, also gehobener literarischer Form, abgefassten Sibyllinen wahr.

Hermas kennt apokalyptische Texte, wie das einzige explizite Zitat des Hirtenbuchs aus der apokalyptischen jüdischen Schrift „Eldad und Modat“ ausweist (7,4). Bewusste Anspielungen auf weitere Texte lassen sich nicht identifizieren; dass Hermas zentrale Schriften des entstehenden Neuen Testaments und der Septuaginta, des griechischen Tenachs, kannte, legen Formulierungen und Motive nahe;31 wahrscheinlich waren ihm solche Texte vor allem mündlich, in Form gottesdienstlicher Lesung, bekannt. Das Archiv der römischen Gemeinde hat er sicher nicht benutzt.

Nach der (für das Gesamtwerk etwa einstündigen) Verlesung des Visionenbuches32 (oder, wohl seltener, nach der Lektüre) musste jeder Zuhörerin und jedem Zuhörer klar sein, dass sie einen Text gehört hatten, der wie eine Apokalypse zu verstehen wäre. Formen und Motive apokalyptischer Texte finden sich zahlreich: die Entrückung durch einen Geist; die Visionen himmlischer Offenbarungsgeber, die innerhalb der Vision weitere Visionen eröffnen und erklären; (Johannes vergleichbar) der Auftrag zur Weitergabe, auch zum Versenden des Textes; und schließlich fallen siebenundzwanzigmal, im Durchschnitt also alle zwei Minuten, die Wörter apokálypsis oder apokalýptein.

Es ist völlig unbestritten, dass das inhaltliche Charakteristikum apokalyptischer Texte, das endzeitliche Interesse, nur in Ansätzen vorhanden ist: Zwar ist von dem Ende schon einmal die Rede – gerade in der Schlussvision wird sehr deutlich, dass zwar das Interesse an einem jenseitigen Leben die Bußparänese orientiert und eine zeitenwendende Bedrängnis33 bevorsteht –, aber das eigentlich Drängende ist der Ablauf der Gnadenfrist, die die entscheidende Umkehr für den Rest des Lebens zeitigen muss (23,5 – 24,5). Indes ist die Rede von der „Pseudoapokalypse“ (Vielhauer) falsch. Nicht, weil die Textstruktur typisch apokalyptisch ist, sondern weil der Verfasser alles tut, dass sein Text, der durch ein gar nicht endzeitliches Interesse motiviert ist, als Apokalypse gelesen wird.34 Allerdings als „Apokalypse“-Bericht eines lebenden Zeit- und Ortsgenossen, nicht einer Gestalt der Vorzeit. Sich als Hermas mit Moses und Elias auf eine Stufe zu stellen würde nämlich, wie man sich denken kann, Rezeptionsprobleme bereiten.

Von Jupiter zu Christus

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