Читать книгу Sklaverei - Josef Fischer - Страница 12

1.3 Historische Entwicklung

Оглавление

Griechenland

Unfreiheit und Sklaverei lassen sich von Beginn der griechischen Geschichte an fassen. An deren Anfang steht die mykenische Kultur (ca. 1600–1100 v. Chr.), die erste Hochkultur auf dem europäischen Festland, die ihre größte Blüte während der sogenannten Palastzeit (ca. 1400–1200 v. Chr.) erlebte, die ihren Namen dem Umstand verdankt, dass die politische Landschaft damals durch eine Reihe von unabhängigen Fürstentümern geprägt war, an deren Spitze als wanax bezeichnete Könige standen, und deren politische, kulturelle, religiöse und ökonomische Zentren die sogenannte Paläste waren. Eine der bedeutendsten Errungenschaften der Mykener war die Entwicklung einer Silbenschrift, des auf der Grundlage der minoischen Schriften geschaffenen sogenannten Linear B. In diesen Linear B-Texten, die in einer frühen Form des Griechischen verfasst sind, ist bereits ausdrücklich von Sklaven die Rede. Einige wenige Texte dokumentieren den Verkauf von Sklaven, deren unfreier Status vermutlich bereits erblich war. Die Sklaven werden in Zusammenhang mit der Metallverarbeitung, der Viehzucht sowie dem Ackerbau als auch im kultischen Umfeld erwähnt. Woher die Sklaven kamen und wie sie in Unfreiheit geraten waren, kann nicht mehr festgestellt werden. Eine Sonderstellung könnten jene Männer und Frauen einnehmen, die als Sklaven bzw. Sklavinnen einer Gottheit verzeichnet sind; bei ihnen muss unklar bleiben, ob es sich tatsächlich um Unfreie handelte oder vielmehr um religiöse Funktionäre, die nur im übertragenen Sinn „Sklaven“ genannt wurden. Neben den explizit als Sklaven angesprochenen Personen nennen die Linear B-Texte (vor allem aus Pylos) eine große Anzahl von abhängigen Arbeiterinnen, die neben Tätigkeiten im Haushalt auch mit der Herstellung von Textilien befasst waren und die mit Nahrungsmitteln versorgt wurden. Bemerkenswert ist der Umstand, dass einige dieser Arbeitsgruppen durch Ethnika charakterisiert sind, die allesamt in den nördlichen bzw. östlichen Mittelmeerraum verweisen; die Frauen werden etwa als Lemnierinnen, Knidierinnen oder Milesierinnen bezeichnet und wurden entsprechend als Gefangene aus Kriegs- oder Beutezügen in der Ostägäis oder dort gekaufte Sklavinnen interpretiert. Ihre exakte Stellung lässt sich jedoch ebenso wenig sicher klären wie der Status von Personengruppen, die in den Texten als bestimmten Funktionären, Würdenträgern oder Gottheiten „gehörig“ bezeichnet werden.

Mit dem Untergang der mykenischen Paläste kam es zum Verlust der Schriftlichkeit in Griechenland. Für die Zeit der sogenannten dunklen Jahrhunderte (ca. 1200–700 v. Chr.) erlauben die archäologischen Quellen nur vage Rückschlüsse auf die sozialen Verhältnisse. Aussagen über die Rolle der Sklaverei oder des Sklavenhandels in dieser Epoche lassen sich kaum treffen. Erst für das Ende jener Zeit stehen mit den homerischen Epen Ilias und Odyssee (2. Hälfte 8. Jh. v. Chr.) aussagekräftige literarische Quellen zur Verfügung, deren Interpretation freilich durch die Tatsache, dass die „homerische Welt“ ein literarisches Konstrukt ist, das Elemente verschiedener Epochen zu einem kunstvollen Ganzen verbindet, erschwert wird. Bei aller somit gebotenen Vorsicht erlauben Ilias und Odyssee aber dennoch Rückschlüsse auf das soziale Leben ihrer Entstehungszeit. Zwischen den beiden Epen lassen sich jedenfalls klare Unterschiede aufzeigen. Während in der älteren Ilias der Sklavenhandel noch keine bedeutende Rolle spielt und die Kriegsgefangenschaft die wesentliche Ursache der Unfreiheit darstellt, was auch daran liegen mag, dass die Ausnahmesituation eines großen Krieges geschildert wird, sind in der jüngeren Odyssee Menschenraub und Kaufsklaverei üblich. Die Anzahl der in den Epen erwähnten Sklaven, unter denen unfreie Frauen überwiegen, ist überschaubar. Freilich ist das Verhältnis von unfreien zu freien Beschäftigten schwer abzuschätzen; freie Lohnarbeiter werden auch erwähnt, ihre Anzahl bleibt aber unklar. Die Sklaverei in den homerischen Epen, die oft als eine „patriarchalische“ Sklaverei bezeichnet wird, ist durch eine enge persönliche Bindung zwischen Herren und Sklaven und durch eine besondere gegenseitige Loyalität gekennzeichnet. Freilich ist das Sklavenleben, wie es in den homerischen Epen geschildert wird, kein Idyll. Die Unfreien müssen hart arbeiten, profitieren kaum von ihrer Arbeit, haben stets zu gehorchen, sind in allen Belangen von ihren Herren abhängig, und bei Fehlverhalten drohen harte Strafen. Selbst die Entscheidung über Leben und Tod der Unfreien lag in den Händen des Herrn.

Im Zeitalter der homerischen Epen nahmen mehrere historisch bedeutsame Entwicklungen ihren Anfang. Im Rahmen der sogenannten großen griechischen Kolonisation, die um die Mitte des 8. Jh. v. Chr. begann, ließen sich griechische Kolonisten rund um das Mittelmeer und im Schwarzmeerraum nieder, bis die Hellenen zweihundertfünfzig Jahre später wie „Ameisen oder Frösche um einen Sumpf“ saßen (Platon, Phaidon 109). Die Anlage dieser zahlreichen Pflanzstädte (griechisch: Apoikien), die aus den unterschiedlichsten wirtschaftlichen und politischen Gründen erfolgen konnte, hatte wesentlichen Einfluss auf den Aufschwung des Sklavenhandels, der sich bereits in der homerischen Odyssee greifen lässt, da dadurch nicht nur neue Märkte, sondern auch neue Quellen für Sklaven erschlossen wurden.

Bereits in den dunklen Jahrhunderten nahm auch die Herausbildung des Stadtstaates (Polis) als typische Form der politischen Organisation in der griechischen Welt ihren Anfang. Griechische Poleis bestanden in der Regel aus einer zentralen Siedlung (asty) und dem umliegenden Land (chora); sie definierten sich jedoch nicht über ihr Territorium, sondern ihre Bürgerschaft. Schon in früharchaischer Zeit bildeten sich innerhalb der Poleis verschiedene politische Ämter heraus, die aber nur einem eingeschränkten Personenkreis offenstanden. Die Macht lag meist in den Händen einer oder weniger aristokratischer Familien. Früh hören wir in den Quellen auch von Versuchen, Missbräuche der politischen Macht zu verhindern. Durch einen Wandel in der üblichen Kampfweise, nämlich die Einführung der sogenannten Hoplitenphalanx, der Kampfreihe schwer bewaffneter Fußsoldaten (Hopliten), vergrößerte sich die Anzahl jener Männer, die – entsprechend zum Beitrag, den sie zum militärischen Potenzial ihrer Heimat leisten konnten – Einfluss auf die politischen Entscheidungen erlangten. Wirtschaftliche, soziale und politische Probleme konnten in den griechischen Poleis immer wieder zu Problemen und Notlagen führen, die sich in politischen Spannungen, Krisen und offenen Konflikten (staseis) äußern konnten. Um diese Konflikte zu schlichten und die anstehenden Probleme zu lösen, wurden immer wieder – auch von auswärts kommende – Männer als Schlichter und Schiedsrichter ausgewählt. Aufgrund der Leistungen dieser Männer, unter denen die Athener Drakon und Solon wohl am berühmtesten sind, kam es vielerorts zur Aufzeichnung von Gesetzen, wobei einerseits traditionelles, ererbtes Recht erstmals schriftlich fixiert wurde, andererseits aber auch neue und zukunftsträchtige Regelungen getroffen werden konnten. Trotz dieser Entwicklung gelang es ab der Mitte des 7. Jh. v. Chr. immer wieder einzelnen Persönlichkeiten, im Zuge innerer Auseinandersetzungen, die aus den unterschiedlichsten – wirtschaftlichen oder sozialen – Gründen ausbrechen konnten, die Alleinherrschaft an sich zu reißen und als Tyrannen über die jeweiligen Städte zu regieren.

Die erfolgreiche Abwehr zweier persischer Angriffe auf Griechenland in den Jahren 490 und 480/479 v. Chr. konnte vor allem von den Athenern politisch ausgenutzt werden. Wenn damit auch Athen, wo in klassischer Zeit eine radikale Demokratie entwickelt wurde, als politisch, kulturell und wirtschaftlich führende Polis in Hellas keine typische Stadt des antiken Griechenland, sondern vielmehr einen – freilich auch prägenden – Sonderfall darstellt, stehen nur für diese Stadt ausreichende Quellenzeugnisse zur Verfügung, um die Bedeutung der Sklaverei im wirtschaftlichen und sozialen Leben einschätzen zu können. Athens großer Rivale und Gegner in der größten innergriechischen Auseinandersetzung der klassischen Zeit, dem Peloponnesischen Krieg (431–404 v. Chr.), die Stadt Sparta, beschritt – wie in vielen anderen Dingen – auch in Bezug auf den Umgang mit Unfreiheit einen eigenen Weg, und auch die Quellenlage zur Beurteilung der lakedaimonischen Verhältnisse ist schwierig. Noch unzureichender kann vielfach die Lage in den zahlreichen weiteren Gemeinwesen der griechischen Welt, dem „dritten Griechenland jenseits von Athen und Sparta“ (Hans-Joachim Gehrke), beurteilt werden. Nur für Athen sind daher die wirtschaftliche Bedeutung unfreier Arbeit und die sozialen Auswirkungen der Sklaverei klar erkennbar. Freilich ist es auch im Fall Athens nicht möglich, die exakte Anzahl der Unfreien zu bestimmen. Wenn man jedoch von etwa 80.000 bis 100.000 Sklaven bei einer Gesamtbevölkerung Attikas von ca. 300.000 Personen ausgeht, wird man wohl nicht weit fehlgehen.

Mit der Eroberung des Achaimenidenreichs durch Alexander den Großen erreichte die griechische Kultur weite Verbreitung. Die hellenistische Welt erstreckte sich von Sizilien und Süditalien im Westen bis Afghanistan und Indien im Osten. Die gesellschaftlichen Strukturen in diesem gewaltigen geographischen Raum, der in zahlreiche Staaten und Gemeinwesen zerfiel, waren außerordentlich vielfältig, nicht zuletzt deshalb, weil sich überall lokale Traditionen und griechische Sitten und Gebräuche gegenseitig beeinflussten. Dies gilt auch für die verschiedenen Erscheinungsformen von Unfreiheit, die in der hellenistischen Staatenwelt begegnen; hier müssen gewöhnliche Sklaven, die sich in den hellenistischen Königreichen und Stadtstaaten in großer Anzahl finden, ebenso erwähnt werden wie Angehörige abhängiger Landbevölkerungen (laoi), unfreie Tempeldiener (hierodouloi) oder Schuldknechte. Die Sklaverei war jedenfalls auch in der hellenistischen Welt omnipräsent und spielte eine ökonomisch wichtige Rolle (auch wenn etwa in der Landwirtschaft vor allem freie Arbeiter zum Einsatz kamen). Nicht zuletzt aufgrund der zwar zahlreichen, aber weit verstreuten und heterogenen Quellen ist die hellenistische Sklaverei bisher nur ungenügend erforscht. Eine Ausnahme bildet nur das ptolemäische Ägypten: Hier können die Lebensumstände und Arbeitsbedingungen von Sklaven besonders gut studiert werden, da papyrologische Quellen Einblicke ermöglichen, die für andere Regionen verwehrt bleiben.

Rom

Die römische Geschichte beginnt mit einer kleinen Siedlung am Unterlauf des Tibers. Der Tradition zufolge im Jahr 753 v. Chr. gegründet, wurde die Stadt angeblich zunächst von einheimischen, später von etruskischen Königen regiert, deren letzter, Tarquinius Superbus, im späten 6. Jh. v. Chr. vertrieben wurde. Zu dieser Zeit hatte sich Rom, das auch kulturell stark von Etruskern beeinflusst worden war, bereits zu einer regional bedeutenden Stadt entwickelt und einen beachtlichen architektonischen Ausbau erlebt, als dessen Höhepunkt die Einweihung des monumentalen Kapitolstempel (der Überlieferung zufolge im Jahr 509 v. Chr.) gelten kann.

Grundlegend für unser Verständnis der sozialen und rechtlichen Verhältnisse im frühen Rom sind die um 450 v. Chr. verfassten Zwölftafelgesetze, die uns auch die ersten verlässlichen Hinweise zur Lage von Unfreien in Rom liefern. Die Entstehung der Zwölftafelgesetze ist vor allem im Zusammenhang mit den politischen Auseinandersetzungen der regierenden Patrizier und den von der politischen Teilhabe ausgeschlossenen Plebejern zu sehen, die, entsprechend dem Beitrag, den sie zum Wehrpotenzial der Stadt leisteten, auch politische Mitsprache einforderten. Bereits im Jahr 494 v. Chr. soll es im Zuge dieser sogenannten Ständekämpfe zu einem Auszug der Plebejer aus der Stadt gekommen sein. Seinen endgültigen Abschluss fand das gut 200 Jahre andauernde politische Ringen zwischen Patriziern und Plebejern erst mit dem 3. Jh. v. Chr., nachdem eine Reihe von Teilerfolgen erkämpft worden war: die licinisch-sextischen Gesetze (366 v. Chr.), die den Plebejern den Zugang zum höchsten politischen Amt, dem Konsulat, ermöglichten, die lex Ogulnia (300 v. Chr.), die den Plebejern den Zugang zu den Priesterämtern eröffnete, und schließlich die lex Hortensia (287 v. Chr.), die Beschlüssen der Plebejer Gesetzeskraft für das ganze römische Volk zubilligte. Einen wesentlichen Schritt stellte auch die lex Poetelia Papiria (326 v. Chr.) dar, denn sie verbot die bis dahin verbreitete Schuldknechtschaft, die in der frühen römischen Republik als Mittel zur Beschaffung abhängiger Arbeitskräfte von größerer Bedeutung als die Sklaverei gewesen war. Die Anzahl wirklicher Sklaven, bei denen es sich vor allem um Kriegsgefangene handelte, war insbesondere im 5. Jh. v. Chr. wohl recht gering. Einen Wendepunkt bedeutete der Sieg im Krieg mit der etruskischen Stadt Veji (396 v. Chr.), auch wenn uns keine Angaben über die exakte Anzahl der Kriegsgefangenen vorliegen. Mit den Samnitenkriegen des 4. Jh. v. Chr., den ersten beiden Punischen Kriegen des 3. Jh. v. Chr. und dem zunehmenden Ausgreifen Roms in den östlichen Mittelmeerraum kamen immense Sklavenmassen nach Italien und veränderten das römische Wirtschaftsleben und auch das Sozialgefüge nachhaltig. Die nun forcierte extensive Viehwirtschaft und die spezialisierten Gutsbetriebe zogen ebenso einen erhöhten Bedarf an unfreien Arbeitskräften nach sich wie die Ausweitung und Intensivierung der Fernhandelsbeziehungen oder die zahlreichen nun anfallenden administrativen Aufgabenbereiche. Der Anteil von Sklaven an der Gesamtbevölkerung erreicht im Italien der späten Republik mit 15 bis 25 % einen Spitzenwert. Dies legte auch den Grundstein für die großen Sklavenerhebungen im späten 2. und frühen 1. Jh. v. Chr. auf Sizilien und in Italien. Der letzte dieser Aufstände, die Erhebung unter der Führung des berühmten Spartacus, fiel bereits in die Zeit einer tiefgehenden Krise des politischen Systems der römischen Republik. Erst Augustus gelang es, das erbitterte Ringen um die Macht für sich zu entscheiden und die jahrzehntelangen Bürgerkriege zu beenden. Mit ihm als erstem Kaiser beginnt das Zeitalter des sogenannten Prinzipats, das im 2. Jh. v. Chr. die größte Ausdehnung des Imperium Romanum sehen sollte. Große Eroberungskriege wurden nun seltener, doch immer noch sorgten militärische Unternehmungen wie etwa der Jüdische Krieg während der Regierungszeit Vespasians, Traians Kampagnen gegen die Daker und die Parther oder Mark Aurels Kämpfe jenseits der Donau für reichen Nachschub an Kriegsgefangenen; daneben sind jetzt wohl andere Quellen von Sklaven, vor allem die Geburt von Sklavenkindern, bedeutender geworden. Immer noch war die Anzahl der Sklaven im Imperium Romanum hoch, auch wenn sie nicht sicher bestimmt werden kann; realistischen Schätzungen zufolge machten Unfreie während der hohen Kaiserzeit reichsweit etwa 10 % der Gesamtbevölkerung aus, die vor der sogenannten antoninianischen Pest der 2. Hälfte des 2. Jh. n. Chr. etwa 60 Millionen Menschen betragen haben mag. Allerdings variierte das Verhältnis zwischen Freien und Sklaven zeitlich und regional durchaus.

Die Sozialstruktur der Spätantike (284 bis 6. Jh. n. Chr.) beruhte auf Grundlagen, die während der sogenannten Krise des dritten Jahrhunderts gelegt wurden. Obwohl in der Spätantike verstärkt andere Abhängigkeitsformen wie etwa der Kolonat zu beobachten sind, war die Sklaverei im strengen Sinn immer noch von großer Bedeutung. Insbesondere die Kriege der Spätantike führten – entgegen früherer Ansichten – zu einem immensen Sklavennachschub. Die tragende Rolle, die das Christentum nun zu spielen begann, hatte auf die Sklaverei kaum Auswirkungen. An eine Abschaffung dieser Institution wurde nicht gedacht, vielmehr trat die Kirche als einer der größten Sklavenbesitzer auf. Propagiert wurde lediglich der humane Umgang mit den Unfreien, und es wurde vorgeschrieben, dass Christen ihre Sklaven nur an Christen verkaufen sollten – Juden und Paganen wurde es schließlich verboten, christliche Sklaven zu besitzen.

Sklaverei

Подняться наверх