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1.4 Antike Sklavereidiskurse

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Bereits in der antiken Literatur lassen sich verschiedene Zugänge und Betrachtungsweisen der damals zeitgenössischen Sklaverei greifen. Die Allgegenwart der Sklaverei in der antiken Welt hat zur Folge, dass sich in zahllosen aus dem Altertum überlieferten Schriften Erwähnungen der Sklaverei finden. Werke der Dichtung – wie Epen, Dramen, Gedichte oder Romane – stellen ebenso wertvolle Quellen dar wie Rechtstexte, Reden, philosophische Abhandlungen, historiographische Darstellungen, Biographien oder Schriften zur Landwirtschaft. Dazu treten inschriftliche Quellen, die von Grabinschriften von oder für Sklaven über Freilassungsinschriften, Weihinschriften und von Unfreien gestellten Orakelanfragen bis hin zu einem auf einem Bleitäfelchen geschriebenen Briefeines Sklaven reichen, der sich über die ihm angetanen Misshandlungen beklagt. Besondere Einblicke in das antike Sklavenleben erlauben auch im ägyptischen Wüstensand erhalten gebliebene Papyri; zu nennen sind hier etwa Kaufverträge für Sklaven, Steckbriefe von entlaufenen Sklaven, Ausbildungsverträge für Sklaven oder unzählige Privatbriefe, in denen von Unfreien die Rede ist. Wertvoll ist schließlich auch der Beitrag, den archäologische Quellen zur Erforschung der antiken Sklaverei leisten können. Darstellungen von Unfreien und ihrer Lebens- und Arbeitswelt gehören ebenso zu diesen wie Fesseln und Sklavenhalsbänder oder Sklavenquartiere, die man in Grabungsbefunden identifizieren konnte.

Erwähnenswert ist der Umstand, dass sich in den antiken Quellen zahlreiche unterschiedliche Begriffe für Unfreie finden. Im Griechischen ist die häufigste, bereits in den mykenischen Linear B-Texten belegte Bezeichnung δολος, daneben finden sich regelmäßig die Termini ὰνδράποδον „Menschenfüßer“, θεράπων „Diener“ bzw. θεράπαινα „Dienerin“, οὶκέτης „(Haus-) Sklave“, πας „Kind“ und σμα „Körper“. Im Lateinischen ist der Terminus servus am verbreitetsten, Sklavinnen werden meistens als ancilla angesprochen, weitere Bezeichnungen für Sklaven stellen mancipium und puer „Knabe“ bzw. puella „Mädchen“ dar.

Was in der antiken Literatur fehlt, das sind autobiographische Schilderungen antiker Unfreier, wie sie uns als wertvolle Dokumente für das Studium der neuzeitlichen Sklaverei zur Verfügung stehen. Selbstzeugnisse griechischer und römischer Sklaven liegen nur in Form von Inschriften vor. Obwohl von mehreren griechischen und römischen Autoren – z.B. Aesop, Livius Andronicus, Terenz, Phaedrus, Epiktet (→ Quelle 14), Phlegon von Tralleis, Antoninus Liberalis, vielleicht auch Longos – bekannt ist oder zumindest vermutet wird, dass sie Freigelassene gewesen seien und somit das Schicksal der Unfreiheit aus eigener Erfahrung gekannt hätten, hat sich keiner von diesen explizit über das Los der (eigenen) Sklaverei geäußert und/oder über dieses reflektiert. Es gab aber durchaus Literatur, die die Erfahrungswelt von Sklaven in den Mittelpunkt stellte, so die Satyrica Petrons (→ Quellen 45, 84, 91, 114, 124), Der goldene Esel des Apuleius (→ Quellen 58, 93), Die entlaufenen Sklaven des Lukian oder der Äsop-Roman eines unbekannten Verfassers. Es bleibt aber festzuhalten, dass die meisten Texte, die uns überliefert sind, von frei geborenen Männern der Oberschicht verfasst wurden.

Über eine Definition der Unfreiheit oder eine Theorie der Sklaverei wurde freilich nur in vereinzelten Fällen systematisch nachgedacht.

Ein früher Sklavereidiskurs9 lässt sich allerdings bereits in den homerischen Epen greifen, wo sich eine fundamentale Kritik an der Sklaverei, die jeden treffen kann, findet: Die Hälfte seiner Tüchtigkeit und seiner Tugend, heißt es da, verliert ein Mensch zu dem Zeitpunkt, an dem er seine Freiheit verliert. Das liegt freilich nicht daran, dass Sklaven von Natur aus schlecht wären, sondern es ist die Sklaverei selbst, die ihre Tugend nachhaltig schädigt (→ Quelle 4). Einen anderen Ton schlägt dann aber mehr als drei Jahrhunderte später der Philosoph Aristoteles (384–322 v. Chr.) in seiner staatstheoretischen Schrift Politika an. Er vertritt die Ansicht, dass es zwei Arten von Menschen gebe: diejenigen, die von Natur zum Herrschen geboren sind, und diejenigen, die beherrscht werden müssen und zum Sklaven geboren sind. Diese „Sklaven von Natur“ seien dadurch gekennzeichnet, dass ihnen das Vermögen zu selbstständiger Überlegung abgehe. Sie seien, um überhaupt durchs Leben zu kommen, auf die Führung durch einen Herrn angewiesen (→ Quelle 6).10

Das aristotelische Konzept des „Sklaven von Natur“ ist in der Antike freilich nicht allgemein akzeptiert worden und blieb nicht unwidersprochen. Widerspruch, den wir freilich nur ansatzweise greifen können, regte sich aus den Reihen der Sophisten, aber auch bei den Dramatikern; heißt es doch in einem Fragment des Ion des Euripides (→ Quelle 8), dass es nur eines gebe, was dem Sklaven Schande bringe, und zwar den Namen. In jeder anderen Hinsicht sei nämlich ein Sklave einem Freien ebenbürtig. Ein anderes, besonders deutliches Statement ist vom Redner Alkidamas erhalten. Leider handelt sich dabei nur um einen isoliert erhaltenen Satz aus einer Rede, die Alkidamas anlässlich der Befreiung der Messenier hielt und in der er festhielt, dass die Natur niemanden zum Sklaven gemacht habe (→ Quelle 9).

In hellenistischer Zeit entwickelte die philosophische Schule der Stoa eine differenzierte Sicht auf die Sklaverei. Sie kennt nämlich keine Sklaverei von Natur aus. Alle Menschen seien gleichwertig, das sie vereinende Band sei die alles durchdringende Vernunft. Freiheit sei kein sozialer Status, sondern vielmehr ein intellektueller Habitus. Gemeint ist dabei vor allem die Freiheit von jeglichen Affekten, die die Menschen zu ihren Sklaven machen. Ein äußerlich Unfreier, ein Sklave, könne in seinem Inneren frei und edel sein, während ein äußerlich Freier moralisch ein Sklave sein könne. Die Stoiker relativierten und marginalisierten durch ihr Konzept der inneren Freiheit11 in gewisser Weise die faktische Sklaverei. Der Weise sei ihrer Ansicht nach nämlich über äußere Umstände wie über die persönliche Unfreiheit erhaben. Auch wenn der Stoiker in der sozialen Realität lieber frei wäre, so müsse er doch seiner Lehre zufolge die Sklaverei als Schicksal akzeptieren. Nichtsdestotrotz sei die Sklaverei gegen die Natur gerichtet. Freie und Unfreie haben die gleiche Herkunft; die Sklaverei ist ein Schicksal, das jeden treffen kann; schon aus diesem Grund solle der Herr seine Sklaven gut behandeln. Deutlich wird die stoische Einstellung zur Sklaverei in den Schriften des römischen Philosophen, Schriftstellers und Staatsmanns Lucius Annaeus Seneca (1–65 n.Chr.), insbesondere in seinem 47. Brief an Lucilius (→ Quelle 12), ebenso in den beiden Reden „Über Sklaverei und Freiheit“ (→ Quelle 15) des griechischen Redners und Philosophen Dion von Prusa (ca. 40–120 n. Chr.).

Es ist unklar, inwieweit stoische Gedankengänge die antike, insbesondere die römische Gesetzgebung beeinflusst haben. In deren Rahmen hat sich jedenfalls ein weiterer eigenständiger Sklavereidiskurs entwickelt.12 Die römischen Juristen gehen davon aus, dass die Sklaverei eine Einrichtung des Völkergemeinrechts (ius gentium) darstellt (→ Quelle 2). Sie ist bei allen Völkern bekannt; überall ist es üblich, dass Herren Gewalt über Leben und Tod von Sklaven ausüben. Auch im bürgerlichen Recht (ius civile) findet sich die Sklaverei; ihm zufolge hört der Sklave auf, eine Person zu sein: Sklaven waren vielmehr Sachen (res). Nach dem Naturrecht (ius naturale) sind aber alle Menschen gleich. Die Sklaverei ist somit eine widernatürliche Institution, die aber deshalb nicht gegen das Recht verstößt, da sie eben in den menschlichen Rechtssetzungen verankert ist. Sie kann aber, da sie keine Einrichtung des Naturrechts, sondern des Völkergemeinrechts ist, jederzeit beendet werden. Der Widerspruch zwischen ius naturale und ius gentium, die erkannte Widernatürlichkeit der Sklaverei, hat aber nicht dazu geführt, dass man an die Aufhebung der Institution der Sklaverei gedacht hätte.

Von besonderem Interesse sind schließlich die Äußerungen früher Christen zur Sklaverei. Bereits in den Schriften des Paulus wird diese wiederholt thematisiert, so etwa im Brief an Philemon, wo es um den Sklaven Onesimos geht, der seinem Herrn Philemon entflohen ist und bei Paulus Zuflucht gesucht hat, der ihn allerdings zu seinem Herrn zurückschickt (→ Quelle 17). Es wird deutlich, dass die frühen Christen die sozialen Verhältnisse nicht umwälzen wollten; nichts lag ihnen ferner als eine gesellschaftliche Revolution. Jeder sollte in seinem Stand bleiben. Wenn jemand als Sklave zum Christentum kommt, soll er Sklave bleiben; die Unfreien sollen nicht ihre Freilassung begehren, sondern gehorsam ihren Herren dienen. Freilich sollen die Herren ihre Sklaven gut behandeln, denn alle sind Brüder in Christus und gleich vor Gott. Dennoch bestanden Probleme mit der Institution der Sklaverei. Eine der grundlegenden Fragen war dabei, wie ein Mensch Besitz eines anderen Menschen sein kann, wo doch alle Menschen Ebenbilder Gottes und Brüder in Christus sind. Augustinus stellt in seiner Schrift Über den Gottesstaat fest, dass die Freiheit der eigentlich natürliche Zustand des Menschen ist und die Sklaverei erst durch die Sünde in Erscheinung getreten sei, wobei er insbesondere auf die auch in späterer Zeit wirkmächtige Geschichte von der Verfluchung Hams durch seinen Vater Noah verweist. Die Sklaverei stelle eine Strafe Gottes für den sündhaften Menschen dar, sie sei daher auch nicht ungerecht, sondern verdient und der Mensch müsse sie deswegen demütig hinnehmen (→ Quelle 19).13

Diese Rechtfertigung provozierte aber – speziell in der östlichen Kirche – auch eine christliche Kritik an der Sklaverei, die am deutlichsten der kappadokische Kirchenvater Gregor von Nyssa in seiner vierten Homilie zum Buch Kohelet äußert: Alle Menschen seien gleich; kein Mensch dürfe über einen anderen herrschen, zumal der Mensch nach Gottes Ebenbild geschaffen und von Gott als Herrscher über alle anderen Lebewesen eingesetzt wurde. Das Institut der Sklaverei stelle daher eine Anmaßung und eine Sünde dar (→ Quelle 20).14 Praktische Auswirkungen hatte diese Erkenntnis für die christlichen Sklavenbesitzer jedoch kaum.

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