Читать книгу Und ich immer dazwischen - Josef Franz Kaspar - Страница 10

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Inszenierte Krise

Seit Tagen gab es im Fernsehen fast kein anderes Thema mehr als das Corona-Virus. Auf Josef wirkte das Ganze, als hätten die Medien nur darauf gewartet, um sich auf ein gefundenes Fressen zu stürzen. Mehrfach die gleichen Fragen, mehrfach die gleichen Spezialisten, oftmals sogar dieselben Aufnahmen mit neuen Kommentaren. Den Slogan „bei ARD und ZDF sitzen Sie in der ersten Reihe“ hätte er am Liebsten umformuliert auf „bei ARD und ZDF sitzen Sie in der falschen Reihe“, denn diese konnten nun nach den täglichen Corona-Extra-Berichten mit wenig Aufwand ihr abgeklatschtes Unterhaltungs-Archiv bereitstellen und somit Kosten sparen. Billiger geht‘s ja wohl nicht! Er konnte das Medienprogramm nicht mehr ertragen. Mit jedem Male wurde die Panikstufe angehoben, und die Massenhysterie verdichtete sich selbst schier zu einer Pandemie; aus Pandemie wurde Panikdemie. Die hysterischen Panikeinkäufe führten zur Verknappung von Toilettenpapier, Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken. Geradezu erfrischend fand er ein Video, welches ein Gegenstimmungs-Interview mit Dr. Wolfgang Wodarg zeigte. Darin kritisierte der Seuchen-Experte, Lungenarzt und ehemalige Bundestagsabgeordnete die überzogenen Schutzmaßnahmen gegen das Corona-Virus und sprach von unnötiger Panik. Wodarg war der Auffassung, dass COVID-19 bereits schon vor seiner Entdeckung existiert hat, möglicherweise saisonal wie eine Grippe aufgetreten ist und erst jetzt auffällt, weil man früher nicht danach gesucht habe:

„Wenn man nicht testen würde, würden wir gar nicht merken, dass es eine Krise gibt.“

Außerdem betonte er, dass das Auftreten eines neuen Corona-Virus nichts Besonderes sei, da sich diese Viren ständig verändern würden und auch müssten, um selbst zu überleben. Außerdem seien die Krankheits- und Todeszahlen im Vergleich zum Vorjahr in Deutschland wohl sogar zurückgegangen. Jährlich würden in Deutschland sechzig bis siebzig Prozent der Bevölkerung an Grippe erkranken und unter diesen Grippeviren befänden sich immer zehn bis fünfzehn Prozent Corona-Viren.

„Wir haben nicht mehr Atemwegserkrankungen als im Vorjahr in der Grippesaison…

Im Moment werden fahrlässig Maßnahmen angeordnet, werden Menschen in ihrer Freiheit beschnitten, von ihren Erwerbsmöglichkeiten abgeschnitten. Ich fordere einen Untersuchungsausschuss! Was hier gerade passiert ist unverantwortlich…“

Dr. Wodarg kritisierte auch, dass die Corona-Tests nicht ausreichend spezifiziert wurden und dass es politische und wirtschaftliche Interessen am Corona-Virus gäbe. Er erwähnte so ganz nebenbei, dass Bill Gates ein bedeutender Finanzier der WHO sei und Interessenskonflikte nicht auszuschließen wären.

„Die WHO kümmert sich um das, wofür sie Geld kriegt.“

Diese Bemerkung machte Josef jetzt besonders stutzig.

Hat das Szenario der häuslichen Quarantäne nicht Auswirkungen auf die digitalisierte Welt? Geht es überhaupt noch ohne Homeoffice und Videokonferenzen? Ist das die schöne neue Welt: Videos mit Publikum nur noch vor den Bildschirmen? Der Corona-Virus ein Testszenario für die virtuelle Realität? Am Ende der Krise wird der Online-Markt nicht mehr wegzudenken sein.

Ein Schauder lief ihm über den Rücken.

Er sandte das YouTube-Video an alle seine WhatsApp-Freunde weiter, bekam jedoch nur vereinzelte Rückmeldungen.

Vielleicht nehmen sich die Leute nicht die Zeit, das relativ lange Interview mit Dr. Wodarg anzuschauen. Oder versucht sich Dr. Wodarg durch sein Statement selbst ins Gespräch zu bringen?

Josef hatte das Video von seiner Ex-Kollegin Maritta zugeschickt bekommen. Nun erhielt er eine weitere Nachricht von ihr, mit der Bildunterschrift:

„Josef, lies das mal genau durch.“

Es handelte sich um einen Link zu risknet.de mit dem Titel „Pandemie der kollektiven Hysterie“.

Darin hieß es:

„Risikowahrnehmung basiert nicht selten auch auf Hypothesen. Dadurch werden häufig für gleiche Risiken unterschiedliche Vermutungen und Theorien aufgestellt. So spricht Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztliche Bundesvereinigung und Facharzt, im Zusammenhang mit Covid-19 von einer medialen Infektion und fordert einen schnellen Wechsel vom Panikmodus in einen rationalen Modus. Viele Wissenschaftler, wie beispielsweise der britische Epidemiologe Tom Jefferson, der am renommierten Cochrane Institut in Rom forscht, kann keinerlei Besonderheiten beim Covid-19-Virus erkennen, außer der Tatsache, dass es ein neuartiger Virus ist. Covid-19 sei wie ein neues Automodell, aber eher vergleichbar mit einem Kleinwagen, so Jefferson…

Was sind Fakten? So ist bekannt, dass durch die jährliche Influenza-Epidemien und -Pandemien weltweit rund 500 Millionen Menschen erkranken. Bei Covid-19 geht die Statistik aktuell von 244.517 (Stand: 20.03.2020, 05:50 Uhr) aus. Basierend auf den Analysen des Robert-Koch-Instituts, einer selbstständigen deutschen Bundesoberbehörde für Infektionskrankheiten, stecken sich im Verlauf der jährlichen Influenzawellen 5 bis 20 Prozent der Grundgesamtheit aller Bundesbürger an, d.h. zwischen 4 und 16 Mio. Menschen allein in Deutschland. Weltweit sterben in jedem Jahr zwischen 290.000 bis 650.000 Menschen in der Folge eines Influenza-Virus. In der Folge der starken Mutation der Influenzaviren, sind die Epidemien sehr volatil, d.h. mal harmloser und mal aggressiver. Die Todesursache kann in der Regel auf eine bakterielle Lungenentzündung in der Folge einer Schädigung der Lunge durch die Influenzaviren zurückgeführt werden.

Zu den Fakten gehört auch, dass in der Folge der Influenzasaison im Winter 2017/2018 in Deutschland – basierend auf Schätzungen des Robert-Koch-Instituts – 25.000 Menschen kausal durch Influenzaviren gestorben sind. Im Vergleich zum stark mutierenden Influenzavirus gilt das Covid-19-Virus, das seit vielen Jahren von Wissenschaftlern analysiert und beobachtet wird (und damit nicht wirklich neu ist), als moderat aggressiv. Die Todesrate variiert sehr stark zwischen verschiedenen Altersgruppen…

Und die Politik befeuert diese schiefe Risikowahrnehmung durch eine nicht faktenbasierte Risikokommunikation, die sich zudem noch von Tag zu Tag verändert. Ortwin Renn hat dies vor vielen Jahren aufgezeigt. Wenn ich die Wahrnehmung eines Risikos übertreibe und mehr Vorbereitungen treffe, als erforderlich, so wird man einem Politiker schlimmstenfalls die Verschwendung von Steuergeldern vorwerfen. Politisch werde ich jedoch überleben. Falls ich hingegen ein Szenario oder ein Risiko unterschätze und zu wenige Vorbereitungen getroffen habe, dann steigt das individuelle Risiko eines Rücktritts.“

Das Gefühl hatte Josef auch schon, dass unsere Politiker nicht etwa handeln, weil sie was wissen, sondern weil sie sich nicht vorwerfen lassen wollen, dass sie nichts getan hätten. Aber vielleicht sind es schon erste Übungen für einen biologischen Krieg. Bei diesem Gedanken kam ihm sofort das Reich der Mitte in den Sinn. Er stellte sich vor, wie leicht es in China wäre, in einer Pandemie mit dem Corona-Test gleichzeitig einen DNA-Test mitlaufen zu lassen. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, soll einmal Lenin gesagt haben. Dass man in einem Land mit 1,4 Milliarden Menschen auf Kontrolle zur Machterhaltung setzt, liegt doch nahe, dachte er sich. Totale Kontrolle darüber, ob Staatsbürger richtig oder falsch, gut oder schlecht handeln und dann mit Belohnungen oder Sanktionen zu rechnen haben, könnte in manchen Gehirnen als langer Arm der Gerechtigkeit gesehen werden. Aber die Staatsmacht ist nicht Gott und die Interpretation für gut und schlecht ist eine ethische Frage, keine parteiliche.

Während er diesem Gedanken nachhing, flatterten noch weitere Nachrichten, Bilder und Videos zum Thema Corona und häusliche Quarantäne auf sein Smartphone. Das meiste davon waren lustige Beiträge zur Verknappung von Toilettenpapier und schmalzig- kitschige Musikbeiträge und Hymnen zum Thema „Wir bleiben daheim!“.

Warum sind die meisten nur so einfältig oder unkritisch? Die brauchen keine kritischen Beiträge; die setzen sich sowieso nicht damit auseinander.

Er fühlte sich in seiner Kritik von seinen Freunden und Bekannten mit der Bemerkung „Es gibt immer Zweifler“ ziemlich abgestempelt, ja sogar diskriminiert mit dem Vorwurf „Verschwörungstheoretiker“. Er forderte doch nur dazu auf, mal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Deshalb bedankte er sich nun per WhatsApp bei Maritta für ihre kritischen Beiträge; er schätzte ihre kritische Haltung gegenüber allen Massenhysterien.

Gerade wir Deutschen sollten besonders vorsichtig sein gegenüber Massenhysterie; das lehrt uns unsere Geschichte.

Maritta nannte ihn manchmal „Josef“ und manchmal „Seppl“, je nach Ernst der Lage. Im Kollegium benutzte sie selten den Namen „Seppl“, denn so wurde er eigentlich nur von seinen Geschwistern und langjährigen Freunden genannt. Den Titel „Zweifler“ musste er schon in vielen Diskussionen hinnehmen. Trotzdem konnte er sich nie damit abfinden, dass Menschen so unkritisch, Lemmingen gleich, einer Massenbewegung hinterherlaufen können.

Zweifelt denn im deutschen Fernsehen niemand über die verordneten Maßnahmen unserer Politiker? Natürlich wird durch häusliche Quarantäne die Verbreitung eines Erregers eingedämmt, aber sind diese Maßnahmen erforderlich und angemessen? Wäre es nicht sinnvoller, auf Herdenimmunität zu setzen?

Außer dem Thema Corona hatte das aktuelle Fernsehprogramm am Abend nur alte Aufzeichnungen aus der Mottenkiste zu bieten. Josef wurde einfach das Gefühl nicht los, dass es an der Zeit wäre, wieder Qualität in den deutschen Medien zu verlangen? Als eine Moderatorin in einer Sendung zum milliardenschweren Hilfspaket Deutschlands an den deutschen Finanzminister die dämliche Frage stellte, wie man denn möglichst unbürokratisch Kredite an deutsche Unternehmen vergeben könne, da schaltete er den Fernseher aus.

Würde man kritische Beiträge zur Corona-Krise senden, könnte man die Zuschauer nicht mehr weiterhin mit oberflächlichen und sensationsträchtigen Beiträgen zum Thema überschwemmen, dachte er sich und setzte sich lieber an den Computer. Im Internet fand er den Text der TV-Ansprache der Bundeskanzlerin. Josef wollte diese Rede nochmal Zeile für Zeile durchlesen; vielleicht fände man zwischen den Zeilen Informationen, die ihm im Fernsehen nicht aufgefallen waren.

„…Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst. Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt…

Für die Wirtschaft, die großen Unternehmen genau wie die kleinen Betriebe, für Geschäfte, Restaurants, Freiberufler ist es jetzt schon sehr schwer. Die nächsten Wochen werden noch schwerer.“

Gab es seit dem Zweiten Weltkrieg keine Grippe-Epidemien oder steckt dahinter eine viel größere, z.B. wirtschaftliche Herausforderung?

Zu diesem Sachverhalt wollte Josef noch im Internet recherchieren. Einige Beiträge zur kommenden Wirtschaftskrise hatte er schon per WhatsApp erhalten.

„Wir alle müssen Wege finden, um Zuneigung und Freundschaft zu zeigen: Skypen, Telefonate, Mails und vielleicht mal wieder Briefe schreiben…

Dies ist eine dynamische Situation, und wir werden in ihr lernfähig bleiben, um jederzeit umdenken und mit anderen Instrumenten reagieren zu können. Auch das werden wir dann erklären…

Deswegen bitte ich Sie: Glauben Sie keinen Gerüchten, sondern nur den offiziellen Mitteilungen, die wir immer auch in viele Sprachen übersetzen lassen.“

Sind wir jetzt nicht wieder beim Thema der häuslichen Quarantäne als Testszenario für die virtuelle, digitale Welt mit Homeoffice, Videokonferenzen und Skypen? Vereinen sich hier wirtschaftliche Interessen und Corona-Krise? Die digitale Revolution ist in Gange!

Auf der Suche nach Informationen zu diesem Thema stieß Josef auf eine Vielzahl von Beiträgen, z.B. ein Video mit Markus Krall, der davon sprach, dass das Corona-Virus nicht Schuld an der Krise sei, sondern eine unfähige politische Führungsriege, die nicht erkannt hätte, dass nur die freie Marktwirtschaft die eingeleitete Wirtschaftskrise regeln könne und die Null-Prozent-Strategie der Zentralbanken die Probleme nur vor sich her geschoben hätte. Natürlich musste Krall in diesem Video völlig uneigennützig sein neues Buch „Die Bürgerliche Revolution“ unbedingt vorstellen.

Direkte und überwältigende Beziehung zum Corona-Virus hatte die Nachricht, dass China als Verursacher der Pandemie sich auf wundersame Weise erholt hätte, mit dem Ziel, die Welt in eine Rezession zu stürzen und am Ende die im Kurs drastisch gefallenen europäischen und amerikanischen Aktien zu einem Spottpreis aufzukaufen. Von Anfang an hatte Josef ein seltsames Gefühl, als diese sogenannte Pandemie ausbrach, dass mit den ersten Todesfällen sofort eine Pandemie angekündigt wurde. Dieses Virus hatte seit seiner Entdeckung im November 2019 bis zum Frühjahr 2020 weltweit ca. achtzehntausend Menschen das Leben gekostet. Ohne die heutige Globalisierung verstarben an der Hongkong-Grippe Ende der 60er Jahre allein in Deutschland ca. dreißigtausend Menschen. Auch die vielbeschworene Chance der Corona-Krise für unsere Umwelt, für eine Verringerung der Kohlendioxid-Belastung durch Nutzung der digitalen Technik ist nicht mehr ganz so überzeugend, wenn man bedenkt, mit welchem Energieaufwand die großen Rechenzentren der Welt versorgt werden müssen. Das World-Wide-Web ist auch einer der größten Energiefresser der Welt. Jedes noch so alberne hochgeladene Video oder Bild kostet Energie; braucht Strom. Aber der kommt ja bekanntlich aus der Steckdose.

Nun konnte er sich mangels überzeugender Argumente auch nicht mit den verordneten Maßnahmen identifizieren und diese unreflektierte „Wir bleiben daheim“- Aktion nur gezwungener Maßen mittragen; seine Zweifel überwogen.

Und ich immer dazwischen

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